Ist Ulm gescheitert mit seinen verkehrsberuhigten Zonen? Kommen Autofahrer, Radler und Fußgänger doch nicht so gut miteinander klar, wie lange gedacht? Denn jetzt hat der Stadtentwicklungsausschuss beschlossen: Weitere Bereiche sollen reine Fußgängerzonen werden.
Meinungen zur Verkehrsberuhigung uneinheitlich
Wenn man sich in einer dieser betroffenen Gässchen umhört, begegnet man unterschiedlichsten Meinungen. In der Herrenkellergasse hinter dem Münster sagt ein Mann, dass die unterschiedlichen Geschwindigkeiten von Fußgängern, Radlern und Autofahrern gefährlich seien. Er habe auch ständig das Gefühl, er müsse nach hinten schauen, ob jemand kommt, der schneller ist. Eine Cafébesucherin shoppt lieber ohne Autoverkehr. Eine Bäckereiverkäuferin ist der Meinung: "So wie jetzt ist es eine gute Mischung. Wenn keine Autos mehr reinfahren dürfen, dann wird das ein Problem für uns Läden." Dann bliebe manche Kundschaft fern. Gerade ältere Menschen parkten gerne vor der Tür.
Ausschuss: Verkehrsmix soll Vergangenheit angehören
Der Verkehrsmix ist in der Herrenkellergasse bald passé. Genauso am Judenhof und am Rathaus: alles Fußgängerzone. Nur Anwohner und Lieferanten dürfen weiterhin hineinfahren. Andere Autos nicht. Der Stadtentwicklungsausschuss will Autos mehrheitlich aus der Altstadt verbannen. Und damit auch Verkehrssünder.
Verkehrberuhigte Zonen reichen nach Ansicht der Grünen-Stadträtig Lena Schwelling nicht aus, um die Verkehrssituation zu beruhigen. Die Autos kämen trotzdem und parkten. "Die zehn Euro sind halt nicht abschreckend genug", so Schwelling. In einer Fußgängerzone kostet Falschparken dagegen 55 Euro. "Und das ist nochmal eine höhere Motivation, ins Parkhaus zu fahren."
Autos sollen nicht den Platz wegnehmen, der eigentlich für alle da ist. Wo Sitzbänke, Pflanzkübel oder Radständer stehen könnten. Oberirdische Parkplätze sollen gestrichen werden. Die Suche danach macht in Städten ein Drittel des Verkehrs aus. Er schadet Anwohnern und dem Klima.
Bei der IHK ärgert man sich
Jonas Pürckhauer von der Industrie- und Handelskammer kritisiert den Beschluss des Stadtentwicklungsausschusses. Es sei doch alles so okay gewesen, hätte so bleiben können, in der Herrenkellergasse. Auch Baubürgermeister Tim von Winning empfand die Herrenkellergasse als gelungenen Mix von Radlern, Fußgängern und Autofahrern.
Als Vorschlag zur Güte hatte die Stadtverwaltung noch die Idee, dass die 14 Parkplätze in der Gasse wegfallen. Dafür sollten Kunden kurz vor einem Geschäft halten dürfen, um etwas zu kaufen. Von Winning kann aber mit dem jetzt getroffenen Beschluss leben: "Wir haben ja eine breite Beteiligung der Öffentlichkeit durchgeführt. Und die wurde sehr emotional geführt." Deshalb sei es nun eine politische Entscheidung und ein konsequenter Schritt. Er glaubt zudem, der Unterschied zwischen der Kompromisslösung und dem jetzigen Beschluss sei gar nicht so groß.
Das sieht Jonas Pürckhauer von der IHK anders: "Die Läden haben nunmal einige Kunden, die kurz halten, eine Brezel holen - auch nicht groß parken. Die fallen in Zukunft weg. Das wird für diese Betriebe ein herber Schlag.
Kein Auto blockiert in der Platzgasse den Blick aufs Schaufenster
Das findet Grünen-Stadträtin Lena Schwelling überzogen. In einer Verkehrszählung wurden 13.000 Fußgänger und 200 Autos gezählt. Sie ist der Meinung, die Läden könnten gewinnen, wenn die Gassen attraktiver und noch mehr zum Flanieren einladen würden. So wie in der benachbarten Platzgasse, wo kein Auto die Sicht aufs Schaufenster versperrt und man auch keines umrunden muss, um in den Laden zu gehen.
Auch wenn Fußgängerzone Fußgängerzone heißt: Radeln darf man dort in Ulm weiterhin. Der Gemeinderat darf nämlich Ausnahmen erlauben.