Blumen und Blumensträuße vor Brunnen auf Marktplatz Mannheim, Frau steht daneben und trauert

Beschwerde gegen Gerichtsbeschluss

Nach tödlichem Messerangriff: AfD darf am Marktplatz demonstrieren - Stadt geht dagegen vor

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Wolfgang Kessel
Wolfgang Kessel, Redakteur beim SWR in Mannheim

Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hat entschieden, dass die AfD auf dem Tatort des Mannheimer Messerangriffs demonstrieren darf. Dagegen geht die Stadt Mannheim jetzt vor.

Eine Woche nach dem tödlichen Messerangriff auf dem Marktplatz in Mannheim darf die AfD dort demonstrieren. Das ist das Ergebnis einer Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe von Donnerstagnachmittag. Die Demonstration unter anderem gegen Islamismus ist für 18 Uhr am Freitag geplant. Zeitgleich soll eine Gegendemonstration stattfinden. Die Stadt Mannheim, die Kundgebungen und Versammlungen auf dem Marktplatz vorübergehend untersagt hat, geht gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vor. Die nächste Instanz ist der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH).

Eine VGH-Sprecherin sagte dem SWR am Freitagmorgen, die Beschwerde der Stadt Mannheim sei am VGH eingegangen. Wann der Verwaltungsgerichtshof seine Entscheidung dazu verkündet, stehe nicht fest, so die Sprecherin.

Schweigeminute für Polizist, der nach Messerangriff ums Leben kam

Die Polizei Baden-Württemberg ruft für Freitag zu einer landesweiten Schweigeminute um 11:34 Uhr auf. Um diese Uhrzeit war Rouven L. am vergangenen Freitag (31. Mai) bei dem Messerangriff so schwer verletzt worden, dass er später im Krankenhaus starb.

"Die Polizeifamilie trauert um einen der ihren", heißt es in einem Schreiben von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Innenminister Thomas Strobl (CDU).

AfD: "Genau dort demonstrieren, wo islamistischer Terror zugeschlagen hat"

Ein 25-jähriger gebürtiger Afghane hatte am vergangenen Freitag (31. Mai) fünf Teilnehmer einer Kundgebung der islamkritischen Bewegung "Pax Europa" sowie einen Polizisten mit einem Messer verletzt. Der 29 Jahre alte Beamte Rouven L. erlag später seinen Verletzungen.

"Wir wollen zwei Tage vor der Europawahl genau dort demonstrieren, wo der islamistische Terror zugeschlagen hat, um ein klares politisches Signal in die ganze Republik zu senden", teilte der AfD-Landesvorsitzende Markus Frohnmaier mit.

Stadt Mannheim hatte Kundgebungen auf Marktplatz untersagt

Die Stadt Mannheim hatte den Platz bis zum 16. Juni zu einem Gedenkort für den bei dem Angriff getöteten Polizisten erklärt. "Es ist, glaube ich, für uns als Stadtgesellschaft wichtig, in Ruhe und Würde des Ermordeten und den durch den Angreifer Verletzten gedenken zu können", hatte Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) am Dienstag erklärt. Es sollten daher bis zum 16. Juni keine Versammlungen und Kundgebungen auf dem Marktplatz stattfinden dürfen.

Das Verwaltungsgericht Karlsruhe schrieb jedoch am Donnerstag in seinem Beschluss, es sei "schon höchst zweifelhaft, ob die Anordnung eines Gedenkortes aus Anlass eines Gewaltverbrechens noch als ein der Kompetenz des Oberbürgermeisters unterfallendes Geschäft der laufenden Verwaltung gesehen werden kann." Die Allgemeinverfügung des Oberbürgermeisters genüge voraussichtlich auch nicht den Voraussetzungen für ein Versammlungsverbot.

Das will die Stadt Mannheim nicht hinnehmen und hat Beschwerde eingelegt. Sie begründete das unter anderem damit, dass durch die Genehmigung der Kundgebung die Würde des ermordeten Polizeibeamten durch einen angemessenen Schutz vor einer Instrumentalisierung für ideologische beziehungsweise politische Meinungskundgaben nicht gewahrt werde. Nachdem es am Sonntag am Marktplatz Ausschreitungen zwischen zwei Demonstrationen im Zusammenhang mit dem Messerattentat gegeben habe, sehe die Stadt jetzt eine zusätzlich erhöhte Gefahr für die öffentliche Sicherheit, weil bundesweit in einschlägigen Foren für die Veranstaltung am Freitag aufgerufen werde. 

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Mannheimer Rathauschef Specht appelliert an Teilnehmer von Kundgebungen

Nach der Gerichtsentscheidung am Donnerstag hatte sich Oberbürgermeister Specht zunächst in einer Mitteilung an die Teilnehmer der Kundgebungen gewandt, die am Freitag in Mannheim geplant sind. Er rief die Versammlungsleiter und Teilnehmer dazu auf, "sicherzustellen, dass von ihren Versammlungen keine Störungen und Straftaten ausgehen". Die Polizei werde am Freitag in Mannheim "mit starken Kräften" präsent sein, so Specht.

Für die Mannheimer Stadtgesellschaft, die in Würde und Ruhe um den getöteten Polizisten trauern und der anderen verletzten Opfer gedenken möchte, wäre es unerträglich und inakzeptabel, wenn auch nur ein Polizist oder eine Polizistin im Rahmen der Versammlungen verletzt würde.

Bündnis "Mannheim gegen rechts" will Flagge gegen AfD zeigen

Viele Gruppierungen, Verbände und Institutionen haben am Freitag in Mannheim zu Gedenkveranstaltungen aufgerufen. Darunter das Bündnis "Mannheim gegen rechts". Das Bündnis hat zu einer großen Demo aufgerufen, unter dem Motto: "Gegen Islamismus und Rassismus - Zusammenhalt für Vielfalt".

Die Demonstration "gegen die Hetze der AfD", wie das Bündnis im Netz mitteilt, startet um 17:30 Uhr auf dem Alten Messplatz in Mannheim. Ziel der Demo soll der Marktplatz in der Innenstadt sein. Also der Ort, an dem die AfD Baden-Württemberg seine Demo angemeldet hat und die sie nach dem Gerichtsbeschluss auch durchführen darf.

Uns allen führt diese fürchterliche Tat schmerzhaft vor Augen, welchem oft unkalkulierbaren Risiko Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten tagtäglich ausgesetzt sind.

Stilles Gedenken um 11:34 Uhr auf dem Mannheimer Marktplatz

Auf dem Mannheimer Marktplatz wird es ab 11:34 Uhr eine Veranstaltung in Gedenken an den getöteten Polizisten geben. Daran werden auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Innenminister Thomas Strobl (CDU) teilnehmen. Geplant ist unter anderem, dass der Bundespräsident dort ein Blumengebinde niederlegen wird. Eine Abordnung von Polizistinnen und Polizisten wird sich zur Schweigeminute im Ehrenhof des Mannheimer Schlosses versammeln. Wann es in Mannheim eine offizielle Trauerfeier für Rouven L. geben soll, ist noch unklar. Einen Termin gebe es noch nicht, so die Polizei.

Schweigeminute für Polizisten auch in Heilbronn

In Heilbronn werden sich Polizistinnen und Polizisten auf dem Marktplatz versammeln und dort um 11:34 Uhr gemeinsam eine Minute schweigen und dabei ihres getöteten Kollegen gedenken. Die Schweigeminute sei ein sichtbares Zeichen der Solidarität innerhalb der Polizeifamilie, so der Heilbronner Polizeipräsident Frank Spitzmüller. Sie solle auch die Verbundenheit mit dem Polizeipräsidium Mannheim zum Ausdruck bringen. Auch der Heilbronner Oberbürgermeister Harry Mergel (SPD) und städtische Führungskräfte werden erwartet. 

Die baden-württembergische Landesregierung hat die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ministerien und des Landtages um Teilnahme an der Schweigeminute gebeten. Der Aufruf richtet sich auch an den Gemeindetag, den Städtetag und den Landkreistag.

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Öffentliches Gedenken für Rouven L. in Schlosspark Neckarbischofsheim

Rouven L. stammt aus Neckarbischofsheim (Rhein-Neckar-Kreis). Dort findet am Freitagabend um 18 Uhr ein öffentliches Gedenken im Schlosspark statt. Die Stadtverwaltung rechnet eigenen Angaben zufolge mit etwa 1.000 Teilnehmenden.

Nach einer Rede von Bürgermeister Thomas Seidelmann (parteilos) haben die Trauernden die Möglichkeit, Gedanken und persönliche Erinnerungen an Rouven L. auf Zettel zu schreiben. Diese sollen dann in ein Buch geklebt werden. Dieses Buch soll anschließend den Eltern des getöteten Polizisten übergeben werden.

Polizeigewerkschaft bittet Menschen um Zeichen der Solidarität

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) hat die Menschen in Gedenken an ihren Kollegen um ein Zeichen der Solidarität mit Polizistinnen und Polizisten gebeten. Die Gewerkschaft hat am Donnerstag dazu aufgerufen, dunkelblaue Bänder als Zeichen der Trauer und gegen Gewalt zu tragen. Die Polizei schütze die Bevölkerung rund um die Uhr, so der Chef der DPolG in Baden-Württemberg, Ralf Kusterer: "Heute bitten wir die Bevölkerung um Unterstützung. Heute bitten wir um ein Zeichen der Bevölkerung für uns."

Thomas Mohr, Vorsitzender der Polizeigewerkschaft (GdP) in Mannheim teilte dem SWR mit, er werde den Freitag "mit Fassungslosigkeit und Trauer", aber auch "mit Stolz begehen, wenn man sieht, wie die Bevölkerung damit umgeht und mit Applaus auf unsere Einsatzkräfte reagiert". Jeder Tag sei schwer "für uns alle, aber am Freitag auf dem Marktplatz zu sein, ist für uns auch eine Verpflichtung und Ehrensache."

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