Die Mannheimer Rentnerin Ursel Risch rettet Bäume: Ist ein grüner Riese in Gefahr, schreitet sie ein - und sie hat ordentlich zu tun. Trotz des Klimawandels werden in Mannheims Quadraten immer noch zu viele alte Bäume gefällt, sagt sie. Meistens, weil sie Neubauten weichen müssen.
Stadtbibliothek statt Glyzinie
Die Glyzinie, die sich malerisch den Beton des Parkhauses im Mannheimer Quadrat N2 emporwindet, ist wie ein riesengroßer Baum. Eine grüne Lunge mitten in der City.
"Morgens früh, wenn ich aufstehe im Sommer, wenn die Glyzinien blühen, mach ich das Fenster auf, da kommt eine Duftwolke herein. Wunderschön! Und die Vögel singen, da geht mir das Herz auf.“
Doch nun soll das Parkhaus abgerissen werden, weil an dieser Stelle die neue Stadtbibliothek gebaut werden soll. Deshalb sind auch die Tage der Glyzinie gezählt. So hat es der Gemeinderat beschlossen. Ursel Risch weiß das und kämpft trotzdem. Ein Campingtisch und eine Unterschriftenliste sind ihre Waffen. Aufgeben – für sie keine Option.
"Solange das Haus noch steht, ist noch gar nichts verloren, sag ich. Man sieht es ja auch an anderen Stellen in Deutschland, zum Beispiel im Hambacher Forst, da wollten sie auch einen ganzen Wald kahl machen für Braunkohle - und der Wald ist immer noch da.“
Nicht jeder Baum kann gerettet werden
Ursel Risch hat in Mannheims Innenstadt schon viele Niederlagen einstecken müssen. Überall wird abgerissen und neu gebaut. Im Quadrat T4 und T5 fielen 11 gesunde Kastanien einem Wohnblock zum Opfer, für das Einkaufszentrum Q6/ Q7 wurden sieben große Platanen gefällt. Und der Neubau der Universität in B6 kostete 20 große Bäume das Leben. Ursel Risch und ihr Verein SOS Stadtbaum zählen jeden einzelnen.
150 Jahre alte Rosskastanie in Feudenheim gefällt
Fassungslos steht Ursel Risch vor einer Baugrube in Feudenheim. Vor einigen Wochen stand hier noch eine gesunde 150 Jahre alte Rosskastanie. Jetzt ist sie weg. Ein gesunder Baum, gefällt, weil er einem Wohnblock im Wege stand.
"Vielleicht sehnen sich die Leute irgendwann danach zurück, dass sie ein bisschen Schatten haben, wenn es nämlich immer noch heißer wird jeden Sommer.“
In diesem Fall wollte auch die Stadt Mannheim die Fällung verhindern. Doch das Regierungspräsidium als übergeordnete Behörde entschied anders.
Baurecht geht über Baumrecht
Die Stadt Mannheim hat eine Baumschutzsatzung, die das Fällen nur erlaubt, wenn die Bäume krank sind oder ein Verkehrsrisiko darstellen. Sind sie einem Neubau im Weg, muss abgewogen werden. Doch das bundesweite Baurecht wiegt schwerer als die kommunale Baumschutzsatzung.
"Bei jedem Neubau, der sein muss, prüfen wir ganz genau, dass möglichst kein Baum fällt. Manchmal muss es doch sein. Es gibt Konflikte in einer Stadt und es wird wirklich sehr genau geprüft. Und tatsächlich ist uns jeder Baum heilig.“
![Der erste Baum für die Bundesgartenschau 2023 in Mannheim steht (Foto: SWR) Der erste Baum für die Bundesgartenschau 2023 in Mannheim steht](/swraktuell/baden-wuerttemberg/mannheim/1654613507308%2Cbuga-baumpflanzen-102~_v-16x9@2dS_-6be50a9c75559ca1aaf1d0b25bae287afdcd877a.jpg)
Außerdem argumentiert die Stadt, sei da ja noch das BUGA-Gelände. Dort wachsen inzwischen über 2.000 junge Bäume, die nach der Schau in der Stadt verteilt werden sollen. Zusätzlich hat die Stadt ihre Pflanzquote von 300 auf 1.000 junge Bäume im Jahr erhöht.
Junge Bäume können alte nicht ersetzen
Ursel Risch weiß, dass es Jahrzehnte braucht, bis die neu gepflanzten Baby-Bäume eine stattliche Eiche ersetzen können - zumindest was Schatten und Kühlung betrifft. Sie müssen gegossen werden und verschlingen dadurch auch viel Geld. Außerdem sind junge Bäume selbst viel anfälliger für Hitze.
Manchmal schafft Ursel Risch es aber auch, Bäume zu retten. Die schlanken Linden auf den Planken zum Beispiel verdanken ihr das Leben. Und das gibt ihr Mut, weiterzukämpfen. Um jeden einzelnen alten Baum.
"Wir sollten den Bäumen den Vorrang geben und nicht den Bauten. Die Bäume brauchen wir zum Überleben. Und Beton ist da weniger wichtig.“