Produktion Recaro in Schwäbisch Hall

Kampf um die Beinfreiheit

Recaro: Flugzeugsitze aus Schwäbisch Hall im Aufwind

Stand
Autor/in
Timo Leiß

Wer jetzt im Urlaubs-Flieger sitzt, nimmt eventuell auf einem Sitz aus Schwäbisch Hall Platz. Recaro entwickelt dort auch im Kampf um die Beinfreiheit innovative Flugzeugsitze.

Sicherheitskontrolle - Boarding - Sitzplatz gefunden? Dann ist es nicht unwahrscheinlich, dass Sie auf einem Flugzeugsitz von Recaro Platz genommen haben. Der Hersteller aus Schwäbisch Hall hat weltweit rund eine Million Sitze in der Luft. Bei etwa drei Millionen Flugzeugsitzen, die rund um die Welt unterwegs sind, ist das also rund ein Drittel. Damit ist das Unternehmen nach eigenen Angaben Weltmarktführer für die Sitze der Economy-Klasse.

Kampf um jeden Zentimeter Beinfreiheit

28 Zoll oder exakt 71,12 Zentimeter ist das Minimum beim Sitzabstand in der Flugzeugkabine. Mit einigen Tricks und schlankeren Sitzen bieten die neuesten Modelle trotz des gleichen Abstands einige Zentimeter mehr Beinfreiheit, ist Mark Hiller, Recaro-Vorstandsvorsitzender, stolz.

Jahrelang ging es darum, immer mehr Sitze auf möglichst wenig Raum unterzubringen, damit die Fluglinien möglichst viele Tickets verkaufen können. Hiller sieht bei den Fluglinien mittlerweile aber einen Trend, den Passagieren etwas mehr Platz anzubieten. Ärgerlich ist es aber auch, wenn zu viele Zeitschriften aus dem Vordersitz hängen und den knappen Raum um die Beine wegnehmen. Für diese Probleme hat Recaro einen Sitz entwickelt, bei dem Zeitschriften und Informationen der Fluglinie hinter dem Klapptisch für das Bordessen untergebracht werden.

Flugzeugsitze bei Recaro
Recaro

Eigene Crashtestanlage für Entwicklung

Die größte Herausforderung für die Ingenieure: Die Sitze sollen ständig leichter, komfortabler und gleichzeitig sicherer werden. Das Unternehmen steckt daher Millionen in die Entwicklung und eine eigene Crahstestanlage. Simuliert wird etwa eine harte Landung oder ein Not-Stopp hinter der Landebahn. Die Vorschriften für Sitzabstände und Sicherheitsmaßnahmen sind so ausgelegt, dass die Passagiere möglichst nicht bewußtlos werden und sich selbst retten können.

Crashtestdummies auf Flugzeugsitzen von Recaro
Bis zu 30 Jahre sind die Flugzeugsitze in der Luft

Mit der Kraft von 16 G, also deutlich mehr, als Kampfpiloten aushalten müssen, werden die Dummys mitten im Schwäbisch Haller Industriegebiet gecrasht. Die Ingenieure nennen das "Schuss": Rund 500 solcher Crashversuche braucht das Unternehmen pro Jahr. Auch weil jede Fluglinie einen etwas anderen Sitz bestellt. Bei einigen Bestellungen geht es nur um Farben oder das Material für den Bezug, andere Fluglinien wollen aber beispielsweise größere Monitore, und die dürfen nicht splittern. Die Flugzeugsitze müssen deshalb für jede Bestellung nochmal getestet werden. Für einen gecrashten Business-Class-Sitz werden so schnell 100.000 Euro pro Sitz fällig.

"Flugzeuge füllen sich von vorne"

Start - Landung - Start: Bis zu 30 Jahre sind die Flugzeugsitze in der Luft. Häufig erst bei Premiumlinien, dann werden sie ausgebaut und bei günstigeren Anbietern wieder eingebaut. Jedes Jahr produziert Recaro rund 150.000 Sitze, Tendenz steigend. Das Unternehmen wurde, wie die Fluglinien, durch die Corona-Maßnahmen schwer getroffen. Seit dem Ende der Pandemie ist Recaro jährlich mit zweistelligen Prozentzahlen gewachsen. Für das letzte Geschäftsjahr verbuchte der Hersteller aus Schwäbisch Hall zusammen mit den anderen Sparten einen Umsatz von 524 Millionen Euro. Damit ist Recaro noch deutlich vom Vor-Corona Niveau entfernt; der Vorstandsvorsitzende Mark Hiller erwartet aber, dass das Unternehmen und seine rund 2.600 Mitarbeitenden diese Marke nächstes oder übernächstes Jahr erreichen. Der Markt normalisiere sich weiter und es zeige sich, dass sich entgegen der Erwartung "die Flugzeuge von vorne füllen", so Hiller. Heißt: Die Tickets für die teureren Klassen werden zuerst nachgefragt, die Plätze für die günstigeren Klassen später.

Hoffnung auf fallende Ticketpreise

Starten - Landen - Abheben: Das Geschäft mit den Flugzeugsitzen ist mit den Auf und Abs der Branche eng verbunden. Die Preise für den Sitzplatz an Bord sind in diesem Jahr, wie schon nach Corona, nochmal gestiegen. Hiller sieht für die Flugtickets aber ein Ende der Preisspirale. Die hohen Preise seien eine Folge der knappen Kapazitäten der Fluglinien nach dem Ende der Corona-Einschränkungen. Mittlerweile stünden in den USA aber wieder mehr Flugzeuge und damit Plätze zur Verfügung. Dort zeigt sich bereits eine "Normalisierung" der Ticketpreise, sagt Hiller. Auch in Europa gebe es wieder größere Kapazitäten, daher rechnet der Vorstandsvorsitzende von Recaro auch für Europa mit einem Ende der Preisspirale, sobald der Wettbewerb unter den Fluglinien anzieht.

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