100 Jahre Disney

"In alten Disney-Filmen ging es hart zur Sache"

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Michael Lueg
SWR1-Moderator Michael Lueg
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Heute verbindet man Disney überwiegend mit Unterhaltung für Kinder. Doch als Walt Disney damals vor 100 Jahren mit seinen ersten Zeichentrick-Filmchen angefangen hat, richteten sich die Filme eher an Erwachsene.

Den damaligen Humor würde man Kindern heute kaum noch zumuten, meint Andreas Platthaus, Literaturchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Platthaus ist "Donaldist" und ein absoluter Comic-Fan.

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SWR1: Früher haben die Eltern oft gesagt, dass Comics lesen nicht das Beste fürs Gehirn ist. Wie haben Sie das erlebt?

Andreas Platthaus: Viel besser. Das Glück war, dass mein Vater schon als Student in den 50er Jahren begeistert Micky-Maus-Hefte gelesen hatte und überhaupt keine Sorgen hatte, dass wenn er das seinen Kindern gibt, sie damit kein Vergnügen haben würden. Und genau so kam es ja dann auch.

SWR1: Waren denn die früheren Disney-Filme gar nicht so für Kinder gemacht, sondern eher nur für Erwachsene?

Platthaus: Die ganz frühen Kurzfilme waren klar auf ein erwachsenes Publikum ausgerichtet. Aber das Interessante war, dass diese Micky-Maus-Filme auch bei Kindern großartig ankamen, obwohl die eigentlich einen Humor hatten, den man heute Kindern wohl kaum noch zumuten würde. Da geht es hart zur Sache. Da sind teilweise auch sehr sexuelle Anspielungen mit drin.

Aber damals verfing das als Vorfilme zu den großen Hauptfilmen im Kino exzellent. Die Kinobetreiber haben das relativ schnell gemerkt und wollte Disney natürlich auch. Und darum wurde bei den abendfüllenden Filmen viel mehr auf Kinder- und Jugendtauglichkeit geachtet.

Dass wir die Figuren von Micky Maus heute so präsent haben, liegt nicht an den Filmen, sondern daran, dass sie auf Armbanduhren, Bettwäsche und Porzellan-Nippesfigürchen verwertet wurden.

SWR1: Walt Disney muss unglaublich mutig gewesen sein, volles Risiko zu gehen und zu investieren in etwas, bei dem man gar nicht wusste, ob das ein Erfolg wird.

Platthaus: Das stimmt. Das ist vielleicht auch das aller Bemerkenswerteste, denn er war natürlich ein fantastischer Organisator, aber gar kein so guter Zeichner. Aber die Risikobereitschaft von ihm ist wirklich geradezu ausgeprägt amerikanisch. Er hat immer das eingenommene Geld sofort ins nächste Projekt gesteckt. Im Regelfall war das nächste Projekt viel, viel teurer. Das heißt, er musste sich unglaublich verschulden und hoffen, dass das irgendwie wieder reinkommt.

Er ist immer wieder auf neue Ideen gekommen. Es hat ja mit dem Filmen nicht aufgehört. Er hat die Vergnügungsparks, Disneyland und Disney World begründet. Er hat wirklich alles für sich entdeckt, von dem er glaubte, damit könnte man seine große Leidenschaft des Filmemachens finanzieren. Und es hat zu seinen Lebzeiten fast alles funktioniert.

Schneewittchen und die sieben Zwerge (1937)
Mit „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ schrieb Disney 1937 Filmgeschichte: Es ist der erste abendfüllende Zeichentrickfilm. Auch mehr als 85 Jahre später kann das Märchen mit seinem klassischen Charme überzeugen. Bild in Detailansicht öffnen
Fantasia (1940)
Klassiker mit viel Klassik: In „Fantasia“ (1941) ließ Disney sinfonische Kompositionen in Animation übersetzen. Die berühmteste Passage des Films zeigt Mickey Maus als Goethes Zauberlehrling. Bild in Detailansicht öffnen
Bambi (1942)
Inmitten des Zweiten Weltkriegs produzierte Disney mit „Bambi“ (1942) einen seiner ruhigsten und poetischsten Filme. Vorlage war ein Roman des Österreichers Felix Salten, der in Deutschland seit 1935 auf dem Index stand. Bild in Detailansicht öffnen
Cinderella (1951)
Zauberhafter als bei „Cinderella“ (1951) wird's kaum! Mit dem Wink ihres Zauberstabs schickt die gute Fee Aschenputtel auf den Ball, wo sie Herz und Schuh an den Prinzen verliert. Bibbidi-Bobbedi-Boo! Bild in Detailansicht öffnen
101 Dalmatiner (1961)
Romantisch ist es auch zwischen den Dalmatinern Pongo und Perdita. In „101 Dalmatiner“ (1961) können sie sich über reichlich Nachwuchs freuen ... und wir uns mit Cruella de Vil über eine der besten Disney-Schurkinnen. Bild in Detailansicht öffnen
Die Hexe und der Zauberer (1963)
Higitus-Pigitus: In „Die Hexe und der Zauberer“ übernimmt der Zauberer Merlin 1963 die Aufgabe, den kleinen Küchenjungen Arthur auf seine künftige Aufgabe als König von Camelot vorzubereiten. Bild in Detailansicht öffnen
Das Dschungelbuch (1967)
Probier's mal mit Gemütlichkeit. „Das Dschungelbuch“ war der letzte Disney-Film, der unter Mitarbeit von Walt Disney entstand. Disney starb am 15. Dezember 1966. Bild in Detailansicht öffnen
Arielle, die Meerjungfrau (1989)
Eine kleine Meerjungfrau träumt davon, ein Mensch zu sein. Auch heute noch zählt die wissbegierige Arielle zu den beliebstesten Disney-Heldinnen. Der Film von 1989 wurde zur Initialzündung der großen Disney-Renaissance ... Bild in Detailansicht öffnen
Die Schöne und das Biest (1991)
... die ihren künstlerischen Höhepunkt mit „Die Schöne und das Biest“ fand. Der Film überzeugte die Kritiker 1991 so sehr, dass er als erster Zeichentrick überhaupt ins Rennen um den Oscar für den besten Film geschickt wurde. Bild in Detailansicht öffnen
Aladdin (1992)
Unvergessen ist auch Disneys Ausflug in die Abenteuer aus 1001 Nacht: „Aladdin“ (1992) wurde zum unvergesslichen Klassiker dank der Musik von Alan Menken, Howard Ashman und Tim Rice. Bild in Detailansicht öffnen
Der König der Löwen (1994)
Musikalisch nicht minder ikonisch, dank Sir Elton John: Der junge Löwe Simba in „Der König der Löwen“ soll eine afrikanische Antwort auf Shakespeares Hamlet darstellen. Dank Timon und Pumba hält sich die Tragödie aber in Grenzen. Hakuna Matata! Bild in Detailansicht öffnen
Toy Story (1995)
1995 produzierte Disney mit Pixar den ersten vollständig computeranimierten Film der Geschichte. „Toy Story“ verrät, was Spielzeug macht, wenn keiner hinschaut. Bis heute gibt es vier Fortsetzungen, das Original ist aber unvergessen. Bild in Detailansicht öffnen
Mulan (1998)
Frauenpower aus Fernost: Um ihren kranken Vater vor dem Krieg gegen die Hunnen zu schützen, zieht Mulan 1998 als Mann verkleidet in die Schlacht. Bild in Detailansicht öffnen
Lilo & Stitch (2002)
Ohana heißt Familie: Der außerirdische Tunichtgut Stitch stiftet im Leben der kleinen Hawaiianerin Lilo einiges an Unruhe. Doch die Musik von Elvis Presley kann ihn beruhigen. Bild in Detailansicht öffnen
Findet Nemo (2003)
Die 2000er-Jahre sind das große Jahrzehnt der Pixar-Studios. In „Findet Nemo“ begeben sich Clownfisch-Papa Marlin und die vergessliche Dori auf die Suche nach Marlins Sohn Nemo. Gesprochen wurden die zwei Fische von Christian Tramitz und Anke Engelke. Bild in Detailansicht öffnen
Ratatouille (2007)
2007 wurde es besonders kulinarisch: „Ratatouille“ (2007) erzählt die Geschichte der Ratte Remy, die unbedingt den Sprung in die Sternegastronomie schaffen will. Hilfe bekommt Remy vom Küchenjungen Alfredo Linguini. Bild in Detailansicht öffnen
WALL·E – Der Letzte räumt die Erde auf (2008)
Überraschend tiefgründig kommt Pixars Film „WALL·E – Der Letzte räumt die Erde auf“ (2008) daher. Erzählt wird die Geschichte eines kleinen Aufräum-Roboters, der alleine die verlassene und völlig verschmutzte Erde aufräumen soll. Bild in Detailansicht öffnen
Rapunzel – Neu verföhnt (2010)
Auch die Disney-Studios setzen ab 2010 auf 3D-Animation und kehren gleichzeitig zum Märchenfilm zurück: „Rapunzel – Neu verföhnt" erzählt die Geschichte der langhaarigen Maid aus Grimms Märchen neu. Bild in Detailansicht öffnen
Die Eiskönigin – Völlig unverfroren (2013)
Riesiger Erfolg im hohen Norden: In „Die Eiskönigin – Völlig unverfroren“ hadert Arendelles Königin Elsa mit der Angst vor ihren eigenen eisigen Zauberkräften. Ihre Schwester Anna versucht, sie vor sich selbst zu retten. Bild in Detailansicht öffnen
Zoomania (2016)
Tierische Kriminalgeschichte: Die Hasen-Polizistin Judy Hopps und der kleinkriminelle Fuchs Nick Wilde erforschen in „Zoomania“ (2016) das Verschwinden von Raubtieren aus der Stadt Zootopia. Bild in Detailansicht öffnen
Coco (2017)
Wie kein anderes Studio wagt sich Pixar auch an schwierige Themen wie das Sterben. In „Coco“ (2017) gelingt dem kleinen Miguel am mexikanischen Tag der Toten der Übergang ins Reich der Verstorbenen. Bild in Detailansicht öffnen
Encanto (2021)
Riesenerfolg dank Streaming. „Encanto“ (2021) erzählt die Geschichte der magischen Familie Madrigal. Ein Überraschungshit wurde der Song „Nur kein Wort über Bruno“ aus der Feder von Lin-Manuel Miranda, dem Autor des Musical-Welterfolgs „Hamilton“. Bild in Detailansicht öffnen

SWR1: Gehen Disney so langsam die Ideen aus? Es sind ja Marken wie Star Wars oder Marvel gekauft worden, die regelrecht gemolken werden, sagen zumindest die Kritiker. Oft löst das bei den Fans Enttäuschung aus. Geht es da nur noch ums Geld?

Platthaus: Bei diesen Sachen ja. Der Kauf von Marvel und Star Wars ist natürlich genau die Kompetenz, die Disney sich in den hundert Jahren seines Bestehens erworben hat. Wie kann ich wirklich ein Produkt großartig vielfach verwerten? Walt Disney war ein Meister des Merchandising. Dass wir die Figuren von Micky Maus heute so präsent haben, liegt nicht an den Filmen, sondern daran, dass sie auf Armbanduhren, Bettwäsche, Porzellan-Nippesfigürchen verwertet wurden. Da kennt sich kaum ein Unternehmen der Unterhaltungsbranche so gut aus, wie die Disney-Company. Dementsprechend haben sie zugekauft. Da dürfen wir nicht mehr allzu viel Originelles erwarten.

Aber das eigentliche, was Disney macht, und was nicht einfach zugekauft ist, das ist nicht zu vernachlässigen. Sowohl im Spielfilm- wie auch im Trickfilmbereich ist da immer wieder mal etwas richtig Interessantes dabei.

Donald Duck würde überhaupt nicht verstehen, dass ein Pechvogel wie er in einem Unternehmen groß geworden ist.

SWR1: Was würde Donald denn heute zu dem alles sagen?

Platthaus: Der würde überhaupt nicht verstehen, dass ein Pechvogel wie er in einem Unternehmen groß geworden ist, das so unglaublich viel Glück und Erfolg gehabt hat. Er würde wahrscheinlich vermuten, dass das in Wirklichkeit seinem Onkel Dagobert gehört. Und das mit Walt Disney hat sich Dagobert ausgedacht. Denn so etwas gibt es ja gar nicht in der Wirklichkeit. Ich vermute, ungefähr so würde mein Lieblings-Pechvogel darüber denken.

Das Gespräch führte SWR1 Moderator Michael Lueg.

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