Inklusion und Schule

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Autor/in
Brütting, Sabine

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In dieser Woche haben viele Kinder in Baden-Württemberg ihre Einschulung gefeiert. Ist ja eigentlich auch ganz einfach: Kind an der wohnortnächsten Schule anmelden und fertig. Wenn das Kind eine Behinderung hat, ist die Anmeldung allerdings sehr viel komplizierter. Sabine Brütting schildert einen Fall aus Bad Krozingen bei Freiburg.

Rosalie ist fünf Jahre alt und wird im September 2024 eingeschult. Doch ihre Mutter Rabea Imhof beschäftigt sich schon seit etwa einem Jahr mit der Frage, auf welche Schule ihre Tochter gehen soll. Das liegt nicht etwa daran, dass Rosalies Eltern ihre Tochter gerne auf eine Privatschule mit langen Wartelisten schicken wollen. Es liegt daran, dass ihre Tochter Pflegegrad 5 und eine schwere geistige und körperliche Behinderung hat. Einfach anmelden und hingehen geht nicht:

O-Ton Es wurden uns im Prinzip drei Möglichkeiten vorgeschlagen: Erstens die Förderschule, die zweite war die Inklusion und die dritte war…Kooperationsklasse, heißt das, glaube ich. Das ist eine Klasse mit Förderkindern an einer Regelgrundschule. Aber die Klasse bleibt trotzdem für sich.

Rosalies Eltern würden ihre Tochter am liebsten an der Regelgrundschule sehen:

O-Ton Also in meiner Utopie würde sie gemeinsam mit gesunden Kindern zur Schule gehen und hierbei aber die bestmögliche Förderung erfahren. Gleichzeitig würde diese Schule aber auch Entlastungsmöglichkeiten für uns als Familie bieten.
Doch eine solche Schule gibt es bisher nicht. Die Anmeldung an der Regelgrundschule hätte bedeutet, dass Rabea Imhof erst kurz vor Schulstart erfahren hätten, auf welche Schule ihre Tochter gehen wird. Viel zu kurzfristig, denn bei einem Kind mit einem so umfangreichen Förder- und Betreuungsbedarf wie Rosalie müssen außerdem vorab viele Dinge organisiert werden – etwa eine Begleitkraft, die Rosalie in der Schule unterstützt.
Die Kooperationsklasse würde immerhin bedeuten, dass Rosalie eine Regelgrundschule besuchen würde. Aber: Häufig werden in den so genannten Kooperationsklassen Kinder aus einem ganzen Landkreis oder einer Stadt an einer Schule gebündelt. So entsteht dann eine Klasse mit vielen behinderten Kindern neben den Regelklassen. Im Sinne einer gelungenen Inklusion ist das nicht, sagt Katja Lünser vom Verein Inklusion Region Freiburg. Sie hat sich im letzten Jahr mit anderen Eltern zusammengetan, um die Inklusion zumindest in und um Freiburg voranzutreiben:

O-Ton In dem wie Inklusion gerade stattfindet, macht aus Sicht des Schulamtes Sinn, die Kinder zu bündeln um halt genug Sonderpädagogik-Stunden zu bekommen. Aber es macht eigentlich auch keinen Sinn, dass die Sonderpädagogen und Sonderpädagoginnen nur für Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf zuständig sind, sondern es macht eigentlich Sinn, dass quasi wie alle anderen auch, der Lehrer oder die Lehrerin für die Kinder, die da herkommen aus dem Stadtteil, zuständig ist.

Rosalies Eltern haben sich nach langem Abwägen nun doch für die Förderschule entschieden. Denn für die Familie ist nicht nur wichtig, wo Rosalie die beste Förderung erhält, sondern auch, welche Schule Entlastung für die Familie anbietet. Denn die 24-Stunden-Pflege ist ein Knochenjob. Rosalies Förderschule bietet hier ein Internat als Entlastungsmöglichkeit an. Richtig glücklich ist Rabea Imhof mit der Entscheidung trotzdem nicht:

O-Ton 2008 wurde die UN-Behindertenrechtskonvention verabschiedet, die Kindern den gleichen Weg zu Bildung oder den gleichen Bildungseinrichtungen ermöglichen soll und ich denke, es ist einfach noch sehr viel zu tun in der Inklusion und aktuell ist sie nicht auf dem Stand, dass sie wirklich die Möglichkeiten bietet, die die Förderschule bietet.

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Brütting, Sabine