Sie wäre die wohl größte Änderung in der Schulstruktur seit Einführung des G8-Turboabis. Im Landtag verteidigt Ministerin Schopper die Reform - und erntet Kritik für die umstrittene Grundschulempfehlung.
Der baden-württembergische Landtag hat am Mittwochnachmittag zum ersten Mal über die geplanten Änderungen im Schulgesetz diskutiert. Sollte die Reform wie geplant verabschiedet werden, kommen auf Schulen und Kitas im Land große Veränderungen zu. Der Landtag wird voraussichtlich Ende Januar darüber entscheiden. Damit unter anderem Programme zur Sprachförderung oder das neunjährige Gymnasium zum nächsten Schuljahr kommen können, müssten die Änderungen im Schulgesetz zeitnah umgesetzt werden.
- Das soll sich in Kitas ändern
- Die geplante Grundschulempfehlung
- Geplante Änderungen an Gymnasien
- Geplante Änderungen an Realschulen, Werkrealschulen und Gemeinschaftsschulen
- Darum plant Grün-Schwarz die Reform
- Das sagt die Opposition
In den Kitas soll es mehr Sprachförderung geben
Mit dem Gesetz will das Land unter anderem ein millionenschweres Paket zur Sprachförderung an Kitas und Grundschulen auf den Weg bringen. 216 Millionen Euro sind dafür im neu beschlossenen Doppelhaushalt 2025/26 vorgesehen. Kinder, die bei der Schuleingangsuntersuchung noch sprachliche Probleme haben, sollen noch vor der Einschulung ein Sprachtraining mit vier Stunden pro Woche bekommen. Sprechen die Kinder danach noch immer nicht ausreichend Deutsch, um eine Grundschule besuchen zu können, sollen sie ab dem Schuljahr 2026/2027 in sogenannten Juniorklassen gefördert werden. Bis zum Schuljahr 2028/2029 sollen dem Gesetzentwurf zufolge dafür landesweit 832 Standorte geschaffen werden. Dann wird die Sprachförderung laut Landesregierung auch verbindlich. Im Landtag am Mittwoch erklärte Schopper, warum die Reformen einen Schwerpunkt auf frühkindliche Bildung legen. Das Thema Sprache sei der entscheidende Schlüssel für eine erfolgreiche Schulkarriere. Wer die Bildungssprache Deutsch nicht ausreichend beherrsche, der sehe bildlich gesprochen die Rücklichter des Zuges, statt selbst im Zug zu sitzen. "Und diesen Aufstieg durch Bildung, dieses Versprechen müssen wir nochmal nachjustieren, damit man allen Kindern gemäß ihrer Talenten gerecht werden kann", so die Ministerin im Landtag.
So sieht die geplante neue Grundschulempfehlung aus
Seit 2013 konnten allein die Eltern entscheiden, auf welche weiterführende Schule ihr Kind nach dem Ende der Grundschulzeit gehen soll. Für die derzeitigen Viertklässler wird die Grundschulempfehlung nach dem Willen der Landesregierung wieder verbindlicher. Anstelle des reinen Elternwillens steht künftig ein Modell aus drei Komponenten: Lehrerempfehlung, Kompetenztest und Elternwunsch. Stimmen zwei aus drei überein, soll das den Ausschlag geben. Wollen die Eltern ihr Kind dennoch aufs Gymnasium schicken, soll das Kind künftig einen weiteren Test absolvieren müssen. Verbindlich ist die Empfehlung allerdings nur für das Gymnasium.
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Die Lehrergewerkschaft GEW kritisiert den Kompetenztest für Viertklässler scharf. "Wir brauchen kein neues Grundschul-Abi, das Kinder und Eltern mit fragwürdigen Inhalten unnötig unter Druck setzt", erklärte GEW-Landeschefin Monika Stein und forderte die Abschaffung. Der Test demotiviere die Kinder und führe zu Versagensängsten.
BW-Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) äußerte sich am Mittwochabend im SWR zur Kritik an den Leistungstests. Sie betonte, der viel diskutierte Mathe-Leistungstest der neuen Kompetenzmessung Kompass 4 sei nur eine von drei Komponenten für die verbindliche Grundschulempfehlung. "Wenn er geschafft wird, dann hat er eine zusätzliche Komponente - und wenn nicht, dann ist er in diesem Fall und in diesem Jahr überhaupt nicht relevant", sagte Schopper.
Das würde sich an den Gymnasien ändern
Nach dem Willen der Landesregierung soll das Abitur nach neun Schuljahren wieder zum Standard werden, zunächst beginnend mit den Klassen fünf und sechs zum Beginn des kommenden Schuljahres. Das neunjährige Gymnasium soll neben der Verlängerung um ein Jahr auch zeitgemäß ausgestaltet werden. Das Konzept der Kultusministerin sieht etwa eine Stärkung der naturwissenschaftlichen Fächer vor. Kompetenzen im Bereich Informatik, Künstliche Intelligenz und Medienbildung sollen Schülerinnen und Schüler künftig in einem eigenen Schulfach erlernen, das von Klasse 5 bis Klasse 11 durchgehend unterrichtet werden soll. Zudem soll das neue neunjährige Gymnasium mehr berufliche Orientierung, mehr Demokratiebildung und auch einen stärkeren Fokus auf die Basiskompetenzen bekommen. Konkret sollen etwa in der fünften und sechsten Klasse die Fächer Deutsch und Mathematik gestärkt werden. Vorausgegangen waren den Reformplänen der Landesregierung ein Volksantrag zur G9-Rückkehr und ein Bürgerforum, das ein modernisiertes G9 empfohlen hatte.
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Geplante Änderungen an Werkrealschulen, Realschulen und Gemeinschaftsschulen
Mit dem neuen Schulgesetz schafft Grün-Schwarz den Werkrealschulabschluss ab. Der letzte Jahrgang, der diesen noch ablegen können soll, hat bereits zum laufenden Schuljahr begonnen. Bestehende Werkrealschulen sollen aber als Standorte erhalten bleiben und entweder Verbünde mit Realschulen oder Gemeinschaftsschulen eingehen oder als Hauptschulen weitermachen.
An den Realschulen soll die sogenannte Orientierungsphase verkürzt werden. Diese umfasst derzeit die fünfte und sechste Klasse und soll künftig nur ein Schuljahr dauern. In dem einen Schuljahr lernen alle Kinder auf dem mittleren Niveau. Nach dem Jahr wird dann geschaut, wer künftig auf diesem Niveau weiterlernt und den Realschulabschluss anstrebt - und wer künftig auf grundlegendem Niveau unterrichtet und auf den Hauptschulabschluss vorbereitet wird. Die Gemeinschaftsschulen sollen mit dem Reformpaket künftig zwei Wochenstunden pro Zug für individuelle Coachings zugewiesen bekommen.
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Darum plant Grün-Schwarz die Änderung des Schulgesetzes
Mit den Maßnahmen zur Sprachförderung reagiert die Regierung auf deutliche Leistungseinbrüche bei Grundschülern. Bildungsstudien hatten in den vergangenen Jahren gezeigt, dass es mit den Leistungen in vielen Kernfächern bergab geht. Im Jahr 2022 zeigten das etwa schlechte Testergebnisse bei Viertklässlern in Mathematik und Deutsch: Fast jedes fünfte Kind schaffte die Mindeststandards in den zwei Fächern nicht. Und auch der Anteil der starken Schülerinnen und Schüler sank, die den Regelstandard in Deutsch und Mathematik schaffen oder übertreffen.
Die Rückkehr zu G9 brachte die Koalition unter dem massiven Druck einer Elterninitiative auf den Weg. Diese hatte für einen Volksantrag, der die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium vorsah, mehr als 100.000 Unterschriften gesammelt. Zudem hatte auch ein Bürgerforum der Landesregierung die Rückkehr zu G9 empfohlen. Diesem Druck hatte Grün-Schwarz im Dezember 2023 nachgegeben und den Weg für eine Rückkehr freigemacht.
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lehnte das Innenministerium im Sommer ab. Während die Klage dagegen noch läuft, erhöht die Elterninitiative den Druck.
Das sagt die Opposition zur geplanten Reform
Bei der ersten Landtagsdebatte zum geplanten Gesetz äußerte die Opposition Kritik. Der FDP-Bildungsexperte Timm Kern hält die Abschaffung des Werkrealschulabschlusses für einen schweren bildungspolitischen Fehler. Richtig und wichtig sei dagegen die geplante Sprachförderung - diese komme aber zu spät.
Der SPD-Bildungsexperte Stefan Fulst-Blei kritisierte im Landtag fehlende Perspektiven für derzeitige Schülerinnen und Schüler am Gymnasium. "Sie geben weiterhin keine Antwort, wie Sie den Druck von den älteren Jahrgängen an den Gymnasien nehmen wollen", sagte er. Auch kritisierte er das "Chaos" bei der Grundschulempfehlung: "Nochmal sarkastischen Glückwunsch, Sie haben es geschafft, einen ganzen Jahrgang an Viertklässlerinnen und Viertklässlern Angst vor dem Versagen zu vermitteln."
Der bildungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Rainer Balzer, forderte unter anderem, dass die Grundschulempfehlung künftig wieder für alle Schularten und nicht nur für das Gymnasium verbindlich sein sollte.
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