Rückkehr zu G9 und zur verbindlichen Grundschulempfehlung - Grüne und CDU in BW haben sich auf weitere Schulreformen geeinigt. Auch bei den anderen Schulen gibt es Veränderungen.
Die Spitzen der grün-schwarzen Koalition haben sich auf grundlegende Bildungsreformen geeinigt. Das verkündete Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag in Stuttgart. Man werde damit die Schullandschaft voranbringen, sagte der Regierungschef. Nun werde man geschlossen in die Gespräche mit der Opposition am Donnerstag gehen. Zu den Inhalten wollte Kretschmann vorab nichts sagen. Er kritisierte an die Medien durchgestochene Informationen, dies würde das Regierungsgeschäft erschweren.
Aus einem Eckpunktepapier, das dem SWR vorliegt, geht hervor, dass es neben der Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium künftig vermehrt Verbundschulen in der Sekundarstufe 1 (Klassen 5 bis 10) geben soll. Dafür sollen Real- und Werkrealschulen miteinander kooperieren. Der Werkrealschlussabschluss soll wegfallen. Zudem soll die Grundschulempfehlung wieder verbindlich werden.
Die FDP tut sich schwer damit, die Werkrealschule zu opfern, teilte Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke auf Nachfrage mit. SPD-Landes- und Fraktionschef Andreas Stoch zeigte sich enttäuscht, dass die Koalitionsspitzen Absprachen getroffen hätten, ohne das Format der Bildungsallianz mit SPD und FDP einzubinden.
Kretschmann: Wir setzen auch ohne Zustimmung von SPD und FDP um
Kretschmann sagte, die Koalition habe die Schulfragen ausverhandelt. "Worauf wir uns geeinigt haben, übertrifft meine Erwartungen." Grüne und CDU gingen einig in die für Donnerstag geplanten Gespräche über eine langfristige Bildungsallianz mit der Opposition aus SPD und FDP in Bebenhausen (Kreis Tübingen). Kretschmann zeigte sich entschlossen, die Vorschläge der Koalition umzusetzen. "Wenn wir uns nicht einigen mit der Opposition, setzen wir das um." Allerdings müsse man sich auch noch einigen, wie das alles finanziert werden solle. Kretschmann machte der SPD keine Hoffnung, dass man noch weitere große Projekte finanzieren könne. "Wir haben doch keine Milliardensäcke herumstehen. Das ist doch nur in der Fantasie der SPD so."
G8-Zug bleibt je nach Gymnasium weiter möglich
Das G9 wird zum Schuljahr 2025/2026 in den Klassen 5 und 6 wieder eingeführt. Die Gymnasien sollen auch weiter die Möglichkeit haben, eigene G8-Züge anzubieten - "im Rahmen der am Schulstandort zur Verfügung stehenden Ressourcen", wie es im Beschlusspapier heißt. Darauf hatte vor allem die CDU gedrungen.
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Eltern werden bei Wechsel auf weiterführende Schule entmachtet
Grüne und CDU einigten sich auch auf eine Wiedereinführung der verbindlichen Grundschulempfehlung. Künftig sollen im Zweifel nicht mehr die Eltern über die Wahl der weiterführenden Schule entscheiden, sondern wieder die Schulen. Dafür soll es an der Grundschule eine Empfehlung des Klassenlehrers und einen Test geben. Wenn die Eltern sich darüber hinwegsetzen wollen, soll es einen "verbindlichen Potenzialtest" an der weiterführenden Schule geben.
Hintergrund für die Wiedereinführung der verbindlichen Grundschulempfehlung ist die Sorge, dass G9 - das weniger stressig sein soll - überrannt wird. Laut internen Prognosen könnten nach der G9-Einführung im Schuljahr 2025/2026 etwa 60 Prozent der Schülerinnen und Schüler aufs Gymnasium streben. Bisher sind es 45 Prozent. Das würde bedeuten, dass die Gymnasien überlaufen und die Realschulen und berufliche Gymnasien austrocknen würden.
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Besonders Sorgen macht Kretschmann und Co., dass bisher 25 Prozent der Realschülerinnen und Realschüler eigentlich eine Empfehlung für das Gymnasium hatten. Von den Kindern, die auf die Gemeinschaftsschule wechselten, hatten zuletzt 14 Prozent eine Empfehlung für das Gymnasium.
Wenn diese Schülerinnen und Schüler nun alle G9 bevorzugen, würden im Gymnasium Lehrkräfte und Räume fehlen, während die anderen Schulen zurückbauen müssten. Zudem hält die Regierung es weiterhin für geboten, Realschulen, Gemeinschaftsschulen und Berufsschulen attraktiv zu halten für Kinder und Jugendliche, die nicht unbedingt Arzt, Anwalt oder Universitätsprofessor werden wollen, sondern eher praktisch und handwerklich begabt sind.
Seit der Einführung der Gemeinschaftsschule unter Grün-Rot hat sich am Schulsystem in Baden-Württemberg nicht mehr viel geändert. Zu weit waren Grüne und CDU, die seit acht Jahren zusammen regieren, in Schulfragen auseinander. Somit war die Schulstruktur eingefroren. Doch jetzt gibt es Tauwetter. Der Eisbrecher war die Elterninitiative zur Rückkehr zu G9.
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Grün-Schwarz will mehr Ganztagsschulen
Grüne und CDU sind sich auch einig, dass es künftig mehr Ganztagsschulen geben soll. Das Kultusministerium wurde beauftragt ein "Konzept zur Ausweitung des verbindlichen Ganztags" vorzulegen. Grundschulen an Brennpunkten sollen zu Ganztagsschulen weiterentwickelt werden.
Landeselternbeirat enttäuscht von Koalitions-Entscheidung
Der Landeselternbeirat (LEB) zeigte sich am Dienstag in einer Zumeldung an den SWR enttäuscht über das Eckpunktepapier der grün-schwarzen Koalition. Der LEB habe sich schon im Dezember dafür ausgesprochen, die weitere Ausgestaltung nach der Grundsatzentscheidung "Rückkehr zu G9" in die Hand von Bildungsexperten und Betroffenen zu legen, heißt es in der Zumeldung. Der LEB kritisiert nun, dass die Koalition sich nach dem Auftakt zu den Verhandlungen über eine Bildungsallianz anders entschieden hat.
Die Vorverhandlungen innerhalb der Regierungskoalition mögen politisch sinnvoll sein, da Grüne und CDU laut dem Vorsitzenden des LEB, Sebastian Kölsch, bei manchen Punkten "eigentlich meilenweit" auseinander liegen. "Die angestrebte Bildungsallianz, eine Art baden-württembergischer Schulfrieden wird nicht erreicht, indem zwei Parteien zwei weiteren Parteien etwas Finalisiertes vorlegen", so Kölsch weiter.
VBE zeigt sich positiv überrascht
Anders sieht es dafür beim Verband Bildung und Erziehung (VBE) aus. VBE-Landesvorsitzender Gerhard Brand äußert sich positiv zum bildungspolitischen Eckpunktepapier. Besonders positiv aufgefallen sei dem VBE, dass verbandseigene Positionen aufgegriffen wurden.
Dennoch gab es auch Kritik: "Äußerst kritisch sehen wir etwa den geplanten Aufbau von G9", so Brand in einer Mitteilung. Die Mittel, die in den Aufbau von G9 fließen, würden "eigentlich dringend in der Ausstattung der anderen Bildungsbereiche und Schularten benötigt." Für den VBE hätten die Förderung des Spracherwerbs an Kitas und Grundschulen sowie die gleichwertige Bezahlung von Grund- und Werkrealschulkräften nach A13 Priorität.
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