Die grün-schwarze Landesregierung hat eine neue, strengere Grundschulempfehlung eingeführt. SWR Landespolitik-Experte Henning Otte erinnert das Verhalten an das von Kindern.
Es war so sicher wie das Amen in der Kirche, dass die Wiedereinführung einer strengen Grundschulempfehlung für Ärger sorgen würde. Um das zu wissen, reicht eine kurze Rückblende: Schon vor gut zehn Jahren haben Eltern und Gewerkschaften massiven Druck auf die Politik gemacht. Damals entschieden allein die Lehrkräfte in der Grundschule darüber, ob es für das Gymnasium reicht oder nicht. Von Grundschul-Abitur, Prüfungsstress für Viertklässler, Willkür war die Rede - und von sozialer Auslese, weil Kinder von reicheren Eltern Nachhilfe nehmen könnten.
Landesregierung will Schülerströme steuern
Grün-Rot hatte schließlich ein Einsehen und schaffte die verbindliche Grundschulempfehlung zum Schuljahr 2012/2013 ab. Seither entschieden die Eltern über die weiterführende Schule. Selbst der in Bildungsfragen nicht zimperliche Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte damals, dass das Grundgesetz eben vorsehe, dass die Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern sei. Auch die CDU lenkte ein.
Nun hat Grün-Schwarz den Hebel im Frühsommer wieder umgelegt. Warum eigentlich? Weil eine Elterninitiative indirekt dafür gesorgt hat, dass das weniger stressige G9 wiederkommt. Die Landesregierung hat Sorge, dass das Gymnasium überrannt werden könnte - und die anderen Schulen ausbluten. Das soll nun eine strengere Grundschulempfehlung für das Gymnasium verhindern.
Stressfaktor ist zurück
Zwar entscheiden nun nicht mehr die Lehrkräfte allein, stattdessen gibt es Leistungstests als Korrektiv. Aber die Grundschulempfehlung als Stressfaktor ist zurück - und die Eltern sind faktisch entmachtet. Ein riskanter Schachzug, wenn man bedenkt, dass die heutigen Eltern offensichtlich nochmal sensibler geworden sind, was ihre Kinder und deren Schulerfolg angeht.
Und so war klar, dass der erste Grundschultest genau beäugt werden würde. Wie das Kultusministerium darauf kommt, den Viertklässlern einen zehnseitigen Mathetest vorzulegen, für den sie nur 45 Minuten Zeit haben, bleibt das Geheimnis des grün-geführten Ressorts. Und so fühlen sich gleich alle bestätigt, die gewarnt haben.
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Prozedere könnte für Gymnasien zum Problem werden
Doch richtig unter Druck geraten dürfte Grün-Schwarz erst, wenn sich herausstellt, wie viele Kinder an der Matheprüfung gescheitert sind und deshalb nicht aufs Gymnasium sollen. Denn dann können die Eltern darauf bestehen, dass es einen weiteren Kompetenztest am Gymnasium selbst gibt. Wenn dann mehrere tausend Viertklässler getestet werden müssen, werden sich die Gymnasien bedanken. Und auch dort wird diskutiert werden, ob die richtigen Kriterien angelegt werden.
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Und so wird die neue Grundschulempfehlung zum Stresstest für die Politik. Und das zurecht. Denn statt zu überlegen, was pädagogisch die beste Lösung für die Kinder ist, ging es vor allem um eine bessere Steuerung der Schülerströme. Unter dem Strich wirkt die übereilt eingeführte neue Grundschulempfehlung wie eine Trotzreaktion der grün-schwarzen Koalition. Nach dem Motto: "Okay, liebe Eltern, ihr wolltet gegen unseren Willen das G9 zurück, dann müsst ihr jetzt eben auch mit der strengen Grundschulempfehlung leben." Trotz sollte man aber Kindern überlassen.
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