Der Landtag in Baden-Württemberg hat den Volksantrag "G9 jetzt!" abgelehnt. Die grün-schwarze Landesregierung will nun einen Gesetzentwurf vorlegen, damit G9 trotzdem zurückkommt.
Der baden-württembergische Landtag hat am Mittwoch den Volksantrag einer Elterninitiative zur Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium abgelehnt: 88 Abgeordnete stimmten dagegen, 47 dafür. Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) sprach dennoch von einem "historischen Tag" und kündigte die Einführung von G9 zum Schuljahr 2025/26 an: "Es wird G9 wieder eingeführt."
Die Initiative hatte mehr als 100.000 Unterschriften für eine flächendeckende Rückkehr zu G9 gesammelt. In dem Antrag forderten die Eltern, dass alle derzeitigen Schülerinnen und Schüler an den Gymnasien bis zur zehnten Klasse zwischen G8 und G9 wählen können sollen. Zur Begründung sagte eine der beiden Initiatorinnen, Anja Plesch-Krubner, die Mehrheit der Unterzeichner habe schon Kinder am Gymnasium. Die "Dehnungsmöglichkeit" für die jetzigen Gymnasiasten sei deshalb sehr wichtig.
G9-Volksantrag wurden schlechte Chancen eingeräumt
Im Vorfeld hatten Beobachter bereits damit gerechnet, dass der Landtag den Volksantrag ablehnen werde. Das hatte auch der Bildungsausschuss dem Plenum in einem Beschlussvorschlag empfohlen. In dem Fachausschuss sitzen die Bildungsexpertinnen und -experten aller Fraktionen.
Bei der Beratung des Volksantrags hieß es demnach, man wolle die flächendeckende Rückkehr zu G9 frühestens zum Schuljahr 2025/2026 schrittweise Klassenstufe für Klassenstufe umsetzen. Wechseloptionen für ältere Schülerinnen und Schüler der Mittelstufe, wie von der Elterninitiative gefordert, sollen demnach nicht angeboten werden.
Der bildungspolitische Sprecher der Grünen, Thomas Poreski, lobte in der Debatte im Landtag die Initiative der Eltern. Die Motive des Volksantrags seien gut. "Mehr Zeit für ihre Kinder ist ein berechtigtes Anliegen der Eltern." Man werde mit der Ablehnung des Volksantrags deswegen nicht das Anliegen der Eltern ablehnen, sondern den vorliegenden Gesetzentwurf. Man müsse das Schulsystem insgesamt in den Blick nehmen und weiterentwickeln, so Poreski.
Man werde prüfen, ob beim Start zum Schuljahr 2025/2026 neben den Fünftklässlern auch die Sechstklässler auf das neunjährige Gymnasium umgestellt werden könnten. Damit kommen die Grünen der Elterninitiative entgegen. Diese fordert in ihrem Volksantrag, dass alle derzeitigen Schülerinnen und Schüler an den Gymnasien bis zur zehnten Klasse zwischen G8 und G9 wählen können sollen.
Kultusministerin: Komplexes Großvorhaben G9
BW-Kultusministerin Schopper betonte, der Gesetzentwurf der Initiative sei "nicht geeignet, das vielschichtige und komplexe Großvorhaben gut und zielführend aufs Gleis zu setzen". Die Umstellung auf G9 habe auch massive Auswirkungen auf andere Schularten, zudem gebe es einen größeren Raumbedarf, der nicht "von Montag auf Dienstag" umgesetzt werden könne. "Es braucht Zeit, das entsprechend auszuarbeiten, damit wir eben keine Kollateralschäden, die von vornherein absehbar waren, mit einpreisen."
SPD-Fraktionschef Andreas Stoch warf Grün-Schwarz vor, auf Zeit gespielt zu haben. "Hätten Sie den Rufen früher zugehört, wäre es möglich gewesen, schon dieses Jahr zu starten", kritisierte er. Er habe zudem Bedenken, ob sich die Landesregierung wirklich bewege. "Jeden zweiten Tag fällt Ihnen etwas ein, warum mehr G9 gar nicht geht oder erst in ferner Zukunft", sagte Stoch. Wenn man schon den Volksantrag ablehne, müsse man auch einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen.
So schätzt Henning Otte aus der SWR-Redaktion Landespolitik die G9-Debatte ein:
Modernisiertes G9-Konzept der Landesregierung lässt auf sich warten
Doch wie das eigene Konzept der Landesregierung für ein modernisiertes G9 aussehen soll, ist bislang offen. Auch bis wann es fertig sein soll, steht noch nicht fest. Der weitere Fahrplan hänge auch von den Ressourcen ab, sagte der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag in Stuttgart. Eine Rückkehr zu G9 im nächsten Schuljahr nannte er "unmöglich". Geld sei auch für wichtige Vorhaben nicht einfach da, das müsse man sich beschaffen.
Doch genau in diesem Punkt erhöht die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) den Druck auf die Landesregierung. Man erwarte, dass sich Grüne und CDU für eine Lockerung der Schuldenbremse einsetzen, teilte die GEW am Mittwoch mit. "Ohne ordentliche Investitionen werden die Vorhaben wie die Reformen an Gymnasien sowie in Kitas und Grundschulen nicht erfolgreich sein", sagte die GEW-Landesvorsitzende Monika Stein.
Eigentlich hat die grün-schwarze Landesregierung vereinbart, keine Debatten zur Schulstruktur im Land in dieser Legislatur führen zu wollen. Vor allem der erfolgreiche G9-Volksantrag im November und auch die Empfehlungen eines Bürgerforums zur Rückkehr des neunjährigen Gymnasiums im Dezember haben aber den Druck auf Grün-Schwarz erhöht.
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Wie geht es nun für die Initiative weiter?
Nach der Ablehnung durch den Landtag könnten die Initiatorinnen nun ein Volksbegehren beantragen. Dann müssten sie erneut Unterschriften sammeln - allerdings deutlich mehr als noch beim Volksantrag, nämlich rund 770.000.
Gelingt ihnen das, könnte am Ende eine Volksabstimmung über die Dauer des Gymnasiums stehen. Ob diese Option gezogen werden soll, wollen die Initiatorinnen nun mit ihren Unterstützern besprechen.
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