Nur wenige Kommunalwahl-Themen in Baden-Württemberg stehen so stark im Fokus wie die Schulen. Wir zeigen eine Vorzeigeschule aus Lauchringen und ein "Sorgenkind" aus Pforzheim.
In der vierten Klasse der Weiherbergschule in Pforzheim herrscht dicke Luft. Damit ist nicht die Stimmung gemeint - die scheint trotz allem gut zu sein. Doch im Klassenzimmer ist es warm und stickig, trotz geöffneter Fenster und trotz Außentemperaturen von gerade mal zwölf Grad. Im vergangenen Sommer hätten sie im Zimmer an manchen Tagen schon um 10 Uhr morgens 30 Grad gemessen, erzählt Klassenlehrerin Emina Mujic-Hausmann. Im Winter dagegen müsse geheizt werden bis zum "Geht-nicht-mehr" - und trotzdem säßen die Kinder frierend mit Jacken da, ärgert sich auch die Elternbeiratsvorsitzende Kerstin Traub.
Aus dem Wasserhahn fließt rostbraunes Wasser
Erschwerend komme hinzu, dass sich einige der Fenster überhaupt nicht öffnen ließen. Mehrere Rollläden sind defekt und bleiben auf halber Höhe hängen. Hier ist einfach alles in die Jahre gekommen: die Beleuchtung fällt immer wieder aus und aus dem Wasserhahn fließt rostbraunes Wasser - zum Trinken ungeeignet. Eltern versorgen die Klasse daher regelmäßig mit Wasserflaschen.
Zudem klaffen in den Wänden Löcher. Diese werden einfach zugedeckt oder zugestellt. "Damit da nichts rauskriecht", so Klassenlehrerin Mujic-Haismann.
Flure, Treppenaufgänge, Klassenzimmer, Fachräume - alle drei Gebäude der Grund- und Werkrealschule in Pforzheim präsentieren sich im morbiden "Charme" der 60er Jahre. Die Räume sind dennoch sauber und aufgeräumt, viele Wände mit bunten Schülerarbeiten verziert. Man macht das Beste aus den Gegebenheiten. Doch eines ist unübersehbar: Überall herrscht Enge und chronischer Platzmangel. Im für 65 Lehrkräfte viel zu kleinen Konferenzraum müssen auch noch die Neuntklässler zu Mittag essen, weil auch die Mensa nicht groß genug ist.
Marode Schulen: Fensterlose Klassenräume und überfüllte Mensa
Weder im Lehrer- noch im Konferenzzimmer hätten alle Lehrkräfte Platz, erzählt Schulleiterin Carolin Krauth. Und auch für die 660 Schülerinnen und Schüler reichten die Räumlichkeiten längst nicht mehr aus. Fachräume müssen als Klassenzimmer genutzt werden, selbst fensterlose Kellerräume, in die nur durch Lichtschächte etwas Tageslicht dringt. In der viel zu kleinen Mensa essen die Schülerinnen und Schüler in drei Schichten. An den eigentlich notwendigen Ausbau der Ganztagesschule ist nicht zu denken. Auch in den Toilettenräumen sieht es nicht besser aus, wie Rektorin Krauth zeigt:
Schulklos sanieren? Kritik an leeren Versprechungen der Stadt
Schon seit vielen Jahren sei die Weiherbergschule in Pforzheim in einem maroden Zustand, ärgert sich Kerstin Traub, die Vorsitzende des Elternbeirats. Jeder wisse das und doch passiere nichts. Immer wieder sei sie bei der Stadt vorstellig geworden. Vor zwei Jahren habe man ihr versprochen, dass zumindest die sanitären Anlagen, in denen mittlerweile buchstäblich der Putz von der Decke bröckelt, in Schuss gebracht würden. Geschehen sei bis heute nichts.
Die Stadt habe in den vergangenen Jahren an der Weiherbergschule immer wieder nachgebessert, beteuert Thomas Hammen, der bei der Stadt Pforzheim für das Gebäudemanagement zuständig ist. Die Frage allerdings, warum Versprechungen zuletzt nicht umgesetzt wurden, kann er nicht beantworten. Er sei erst seit Januar im Amt. Immerhin verspricht er, dafür zu sorgen, dass in den Sommerferien die sanitären Anlagen instandgesetzt werden.
Die große Gesamtlösung für die Schule, die energetische Sanierung, sei bislang nicht in Sicht, gibt Hammen zu. Einfach deshalb, weil es noch kein Gesamtkonzept für die Schule gebe. Das sei Sache des Gemeinderats. Doch es sei eben nicht nur die Weiherbergschule, die man auf Vordermann bringen und auf heutige Bedürfnisse wie Ganztagesbetrieb anpassen müsse. Ein Großteil der 36 Schulen in der Stadt sei sanierungsbedürftig. Und dafür stünden in der chronisch klammen Stadt nur begrenzt Mittel zur Verfügung, um die sich dann alle stritten. Diesen Sanierungsstau bei öffentlichen Gebäuden gebe es in vielen Großstädten, so Hammen, da sei Pforzheim keine Ausnahme.
Neuer Eigenbetrieb soll Schulsanierungen vorantreiben
Dazu komme, dass es seinem Amt vorne und hinten an Fachpersonal mangle. Genau aus diesem Grund soll es auch aufgeteilt werden. Ein Eigenbetrieb "Schulen" soll sich ab kommendem Jahr ausschließlich um die Pforzheimer Schulen kümmern. So sollen Bau, Unterhaltung und Sanierung effektiver organisiert und nötige Sanierungen vorangetrieben werden, teilte Oberbürgermeister Peter Boch (CDU) mit. Die Stadt orientiert sich dabei am Vorbild Mannheim, wo es mit diesem Modell gelungen sei, Neubauten und Sanierungen schneller umzusetzen. Das Gebäudemanagement würde entlastet und hätte mehr Kapazitäten für andere wichtige Aufgaben frei, so der OB.
Ein Hoffnungsschimmer für Rektorin Krauth und Elternsprecherin Traub. Mehr aber auch nicht. Beide hoffen jetzt erst mal, dass die Stadt endlich ihr Versprechen wahr macht, wenigstens die Toiletten zu reparieren. Und bis zum Sommer endlich die längst überfälligen Trinkwasserspender zu liefern. Damit nicht wieder Kinder in den stickigen Klassenräumen Kreislaufprobleme bekämen. Auch das sei an der Weiherbergschule schon häufig vorgekommen.
Erfolgsmodell dank Unterstützung: Werkrealschule in Lauchringen
Kinder, Jugendliche und Lehrkräfte sollen sich in ihrer Schule wohlfühlen. Zu dieser Überzeugung ist man in Lauchringen (Kreis Waldshut) gekommen. Die dortige Werkrealschule zeigt sich in tadellosem Zustand. Und das zeigt Wirkung: Die "Schule am Hochrhein" ist so beliebt, dass sie sich vor Neuanmeldungen kaum retten kann und es inzwischen für Nicht-Ortsansässige sogar Wartelisten gibt. Landesweit ist die Schulform eher unbeliebt: Weniger als sechs Prozent der Schülerinnen und Schüler in Baden-Württemberg haben sich im letzten Jahr für eine Werkrealschule entschieden. Dass es auch anders laufen kann, zeigt das Beispiel Lauchringen.
Eltern empfehlen Lauchringer Schule untereinander gerne weiter
Die Suche nach der richtigen Schule für seinen Sohn hat auch Thomas Müller aus Lauchringen lange beschäftigt. Vor vier Jahren kam bei den Müllers die Frage auf und sie haben sich mehrere Schulen angeschaut. Am Ende fiel die Wahl auf die Schule am Hochrhein, eine Haupt- und Werkrealschule. Die Schule wurde ihm von Freunden empfohlen und er ist auch vier Jahre später noch überzeugt, dass sie die richtige Schule für seinen Sohn ist. Der gehe tatsächlich jeden Tag gerne und ohne zu motzen in die Schule, sagt Müller. Dort herrsche ein angenehmes Klima und das Umfeld sei toll.
Der Schulträger sorgt für eine gute Ausstattung
Träger der Schule am Hochrhein ist die Gemeinde Lauchringen. Rathaus und Schule sind nicht nur unmittelbare Nachbarn. Der Bürgermeister und die Schulleiterin arbeiten auch eng zusammen. Die Gemeinde hat in einen Anbau, neue Klassenzimmer, moderne Fachräume und eine Mensa investiert. Und sie sorgt für die ein gutes Arbeitsumfeld, denn sie bezahlt auch ein vierköpfiges Team im Bereich der Schulsozialarbeit.
Die Schulleiterin sorgt für ein wertschätzendes Miteinander
Die gute Ausstattung und das angenehme Schulklima haben sich in der Region herumgesprochen. Auch Schülerinnen und Schüler aus Nachbargemeinden gehen auf die Schule am Hochrhein. Mit 300 Schülerinnen und Schülern hat die Werkrealschule in Lauchringen allerdings nun ihre Kapazitätsgrenze erreicht. Für das neue Schuljahr gibt es eine Warteliste, sagt Schulleiterin Ulrike Stoll mit Bedauern. Trotzdem hört sie sich jeden Fall an und versucht mit Eltern und Kindern eine passende Lösung zu finden. Ihr ist es wichtig, dass jedes Kind entsprechend seinen Fähigkeiten den richtigen Platz findet und sich weiterentwickeln kann.
Ein familiäres und wertschätzendes Klima an der Schule sei das wichtigste, sagt die Schulleiterin. In Lauchringen erlebe sie eine Gemeinschaft, getragen von einer Gemeinde, die nach außen und innen zeige, dass ihr ihre Schule etwas wert sei.
Für Lauchringen zahlt sich die Investition in die Schule aus
Die Gemeinde investiere nicht nur, sie profitiere auch wirtschaftlich von ihrer Schule, sagt Bürgermeister Thomas Schäuble (CDU). Als Beispiel führt er an, dass viele Betriebe an der Werkrealschule ihre Auszubildenden finden. Und die werden dringend gebraucht. In schwierigen Fällen setzen sich Schulleiterin und Bürgermeister auch schon mal zusammen und suchen gemeinsam nach Lösungen. Dass er sich mit der Schulleiterin so gut versteht, ist für Thomas Schäuble ein Glücksfall.
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