Schnelles Internet - viele Menschen sind darauf angewiesen, und viele in Baden-Württemberg warten immer noch darauf. Dabei gilt gutes Internet längst als wichtiger Standortfaktor.
Früher ist Matthias Grimm schon mal einen Tag lang in der Gegend herumgefahren. In der Aktentasche ein Stick oder eine CD mit Daten, die zu einem Kunden mussten. Grimm leitet eine Werbeagentur in Buchen (Neckar-Odenwald-Kreis). Elf Angestellte kümmern sich gemeinsam mit ihm um die Kundinnen und Kunden, die aus ganz Süddeutschland kommen. Buchprojekte, Kataloge, Jahrbücher, Magazine: Bei der Entstehung kommen regelmäßig riesige Datenmengen zusammen. Grimm rechnet schon lange nicht mehr in Kilo- oder Megabyte, sondern in Giga- und Tera-Kategorien.
Das Internet brachte einen Fortschritt, kam bei der Werbeagentur in Buchen aber auch schnell an seine Grenzen: "Es hat Stunden, manchmal Tage gedauert, bis wir die Daten an den Kunden verschickt hatten", erinnert sich Grimm.
Lange Fahrtzeiten entfallen dank Glasfaser
Und dann kamen die Glasfaserkabel. Mit ihnen ist für Grimm und seine kleine Werbeagentur eine neue Zeit angebrochen. Riesige Dateien lassen sich in Minuten-, manchmal in Sekundenschnelle versenden, die langen Fahrtzeiten entfallen. Grimm kann auch bei der Suche nach neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern punkten: "Wenn Bewerber darüber nachdenken, ob sie für den Job in den Odenwald ziehen würden, dann spielt schnelles Internet immer eine große Rolle."
Beim Thema Glasfaser hat es der Neckar-Odenwald-Kreis zu bundesweiter Berühmtheit gebracht. Der ländliche Kreis ist mit einer Fläche von mehr als 1.100 Quadratkilometern einer der größten Landkreise in Baden-Württemberg, und mit gerade mal 145.000 Einwohnerinnen und Einwohnern gleichzeitig einer der am dünnsten besiedelten. Die Wege sind also weit in der Region.
Die Zahl potentieller Glasfaserverträge ist überschaubarer als in einer Großstadt. Und keines der großen Internet-Unternehmen zeigte Interesse daran, den Landkreis flächendeckend mit Glasfaser zu versorgen: zu teuer, zu aufwändig, zu geringe Gewinnaussichten.
Neckar-Odenwald-Kreis: Bundesweit einzigartiges Projekt
Auf Förderprogramme von Land und Bund wollte der Neckar-Odenwald-Kreis aber auch nicht warten, denn Kreisverwaltung und Kreistag hatten früh erkannt, dass schnelles Internet einer der wichtigsten Standortfaktoren ist - besonders im ländlichen Raum.
Also schloss der Neckar-Odenwald-Kreis eine bis dahin bundesweit einzigartige Kooperation mit der Breitbandversorgung Deutschland (BBV): Ohne Fördermittel oder staatliche Zuschüsse soll jedes der rund 44.000 Gebäude im gesamten Kreis bis 2026 ans Glasfasernetz angeschlossen sein, wie die BBV aktuell mitteilt. Das Vorhaben wird komplett privatwirtschaftlich finanziert, die erwarteten rund 130 Millionen Euro Investitionskosten brachte die BBV auf. Ein "Leuchtturmprojekt", das den Ausbau erheblich beschleunigen soll und bundesweit Schule machen könnte, hoffen die Initiatoren.
Spatenstich für das ehrgeizige Projekt war im Sommer 2021, seitdem wird ein Gebäude nach dem anderen mit Glasfaserkabeln versorgt. Zuvor hatte sich die BBV mit Vorverträgen abgesichert, dass auch tatsächlich genug Kundinnen und Kunden einen Glasfaseranschluss nutzen und bezahlen würden. Als das klar war, konnten die Arbeiten losgehen. 2026 also sollen alle Bewohnerinnen und Bewohner des Kreises in 27 Kommunen mit 120 Ortschaften Zugriff zum super-schnellen Internet haben.
Andernorts: Flickenteppich und viele weiße Flecken beim Glasfaserausbau
Andere Regionen in Baden-Württemberg können davon nur träumen. Beispiel Horb: Es ist Anfang Mai, und Michael Laschinger aus Horb-Bildechingen ist froh und erleichtert: Der gordische Knoten scheint durchschlagen im Kabel- und Fadengewirr von Horb, schreibt er dem SWR.
17 Teilorte hat die Stadt im Kreis Freudenstadt, für neun davon hat das Unternehmen Deutsche Glasfaser monatelang ausgelotet, ob sich der Ausbau für sie lohnt. Denn davon, dass Glasfaser für jedes Städtchen verfügbar ist, für jedes Dorf, jeden Aussiedlerhof, davon ist der ländliche Kreis noch weit entfernt. Zwar hat der Landkreis selbst dafür gesorgt, dass sich ein Glasfasernetz von Ort zu Ort zieht. Aber in vielen Gemeinden eben nur bis zum Kasten in der Ortsmitte.
Ausbau in Ortschaften muss wirtschaftlich sein
Und jemand muss die Kabel von der Ortsmitte bis in die Haushalte verlegen, Bürgersteige aufbrechen, Leitungen legen, Vorgärten überwinden. Idealerweise machen das private Anbieter. Allerdings nur, wenn es sich für sie auch lohnt und in der "Vorvermarktung" ausreichend Verträge zustande kommen.
Jetzt berichtet Michael Laschinger erfreut dem SWR, dass er mit Beratern der Deutschen Glasfaser gesprochen hat, die er persönlich kennt. Auch auf der Internet-Seite des Unternehmens steht für Horb-Bildechingen: "Gute Neuigkeiten. Ein Glasfaseranschluss ist verfügbar bzw. sie befinden sich in einem Ausbaugebiet". Ein Ziel, auf das Laschinger nicht nur für sich, sondern für ganz Horb schon sehr lange hingearbeitet hat. Nur leider scheint er sich zu früh zu freuen.
Deutsche Glasfaser: "Unerklärlicher Fehler auf der Seite"
Die Deutsche Glasfaser erklärt dem SWR auf Nachfrage, dass Laschinger einen unerklärlichen Fehler auf ihrer Seite gefunden habe. Tatsächlich schaue das Unternehmen in Horb noch, ob sich der Ausbau lohne. Als Ziel hat sich die Deutsche Glasfaser in Horb mindestens 33 Prozent der Haushalte vorgenommen. Wird diese Quote nicht erreicht, lässt sie den Ausbau lieber sein: zu unwirtschaftlich.
Anfang Mai - und die Frist ist schon mehrmals verlängert worden - liegen die Orte im Schnitt bei 26 Prozent, zu wenig. Kurze Zeit später bekommt das Landratsamt die Information, dass die Frist noch bis Ende Juli laufe. Die Aussicht, dass die Quote erreicht werde, sei gut.
Die Deutsche Glasfaser bietet den Anschluss in der aktuellen Phase kostenlos an - warum hat sich bislang nur gut ein Viertel der Haushalte dafür entschieden? Michael Laschinger fürchtet, dass er selbst, als er noch Ortsvorsteher von Bildechingen war, die heutige Zurückhaltung vielleicht mit verursacht hat.
Denn damals hat er mit dafür gesorgt, dass Bildechingen ein für damalige Verhältnisse sehr schnelles Internet bekam, per Kupferkabel. Jetzt, fürchtet er, sehen viele im Ort nicht ein, warum sie sich eine noch schnellere Verbindung legen lassen sollen - es funktioniere doch alles gut ...
Eine Frage des Vertrauens?
Beim Landkreis vermutet man, dass die Zurückhaltung der Haushalte unter anderem auch mit mangelndem Vertrauen zu tun haben könnte. Das habe nichts mit der Deutschen Glasfaser selbst zu tun, mit der die Zusammenarbeit bislang sehr konstruktiv und gut verlaufe, so der Kreis. Aber sie habe eben zunächst mit allem werben müssen, was ihr zur Verfügung stand. Briefe, Anrufe, bis hin zum Klingeln an der Haustür. Genau darauf reagieren aber viele Menschen skeptisch und erst recht zurückhaltend.
In mehreren anderen Horber Stadtteilen hat ein Konkurrent viel mehr Bestellungen für einen Glasfaseranschluss bekommen, mehr als die Hälfte der Haushalte. Dieser Anbieter, hervorgegangen aus einer Zusammenarbeit der Stadtwerke Horb mit einem privaten Unternehmen, verlangt sogar 500 Euro pro Anschluss. Die Deutsche Glasfaser verspricht, ihn gratis zu verlegen. Aber dieser Anbieter hat die betreffenden Stadtteile schon seit Jahren mit Internet versorgt. Da ist das Vertrauen also langsam aufgebaut worden, vermutet das Landratsamt.
Schwierigkeiten mit Deutsche Glasfaser in Nachbargemeinden
Auf einen früheren Artikel über den Breitbandausbau in Horb hat der SWR Zuschriften bekommen, die noch einen Grund für die Zurückhaltung nahelegen: Wenn es in Nachbargemeinden nicht gut läuft mit dem Ausbau.
In Starzach mit seinen fünf Teilorten haben auf Anhieb mehr als genügend Haushalte einen Vertrag mit der Deutschen Glasfaser abgeschlossen. 2023 sollte gebaut werden. Das ist allerdings noch nicht geschehen. Der Verdacht wurde laut, das Unternehmen wolle sich Verträge sichern, um mögliche Mitbewerber fernzuhalten, auch wenn es mit der Arbeit selbst nicht nachkomme.
Verhandlungen verzögern Glasfaserausbau
Die Lage scheint aber komplizierter: Der Bürgermeister von Starzach, Thomas Noé (parteilos), erklärt, Ursache für die Verzögerung seien Verhandlungen darüber, wo genau die neuen Glasfaserkabel verlegt werden sollen.
Probleme scheint es auch in Neustetten (Kreis Tübingen) zu geben, einer anderen Nachbargemeinde von Horb. Dort sind die Straßen und Gehwege seit Monaten fürs Kabelverlegen aufgerissen, bislang aber nur notdürftig mit Kies oder Pflastersteinen verfüllt. Momentan, erklärt Neustettens Bürgermeister Gunter Schmid (parteilos), ist die Deutsche Glasfaser dabei, die Baustellen zu schließen.
Hintergrund: Die Gemeinde sei anfangs nicht mit der Art und Weise zufrieden gewesen, wie ein Subunternehmer damit begonnen hatte, die Löcher wieder zu verschließen. Laut Deutscher Glasfaser lag die Verzögerung vor allem daran, dass die Bauarbeiten in den Wintermonaten teilweise ruhen mussten.
Bürgermeister: Keine zu großen Ansprüche beim Glasfaserausbau
Neustettens Bürgermeister Schmid ist der Deutschen Glasfaser immer noch dankbar, sagt er. Man dürfte da keine zu großen Ansprüche haben. Die Chance auf schnelles Internet zu nutzen, sei richtig gewesen. Hätte die Kommune selbst die Leitungen verlegen müssen, wäre das sehr teuer gewesen und hätte länger gedauert. Und dann hätte sie noch einen Betreiber suchen müssen.
Auch Michael Laschinger redet seinen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in Horb-Bildechingen immer wieder gut zu, dass sie der Deutschen Glasfaser vertrauen sollen. Er geht davon aus, dass ab 2030 Kupferkabel langsam abgebaut werden. Wer nicht abgehängt werden wolle, brauche die neuere Technologie, glaubt Laschinger.
Fördermittel als letzter Ausweg für schnelles Internet
Was aber, wenn die Deutsche Glasfaser feststellt, dass sich der Aufwand nicht lohnt? Dass die gewünschten 33 Prozent in den Horber Stadtteilen nicht erreicht werden? Die Kommune könnte dann Fördermittel beantragen. Womit allerdings wieder Monate und Jahre ins Land gingen, bis Gremien zusammengetreten, Aufträge ausgeschrieben und Fristen gewährt wären.
Ursachen für den Glasfaser-Flickenteppich
Aber warum muss alles so kompliziert sein, warum hat der Kreis Freudenstadt nicht auch einen Vertrag mit einem einzigen Anbieter geschlossen, der dann alles machen muss - und darf? Wie der Neckar-Odenwald-Kreis? Das wäre möglich gewesen, wenn man vorher nichts gemacht hätte, überlegt Marco Ebinger vom Landratsamt. Der Kreis und seine Kommunen wollten aber schon vor fast zehn Jahren dringend auf weiße Flecken auf der Landkreiskarte reagieren, die schnell versorgt werden mussten.
Schnell war es für eine einheitliche Lösung zu spät. Schade eigentlich, dass Landkreise und Kommunen überhaupt aktiv werden müssen, sagte Ebinger. Schließlich verdienen die Telekommunikations-Unternehmen nachher gut mit der Internet-Versorgung. In einer funktionierenden freien Marktwirtschaft hätte man ja hoffen dürfen, dass der Markt alles so regelt, dass am Ende alle das schnelle Internet bekommen, findet er.
Michael Laschinger in Horb jedenfalls will die Hoffnung nicht aufgeben. Obwohl die Pressestelle der Deutschen Glasfaser und auch die Stadtverwaltung Horb davon ausgehen, dass Bildechingen und andere Stadtteile noch nicht den Status eines Ausbaugebiets erreicht haben. Er vertraut auf seine Informationen. Dass es bald Teilorte mit und Teilorte ohne Glasfaseranschluss gäbe, will er sich nicht vorstellen müssen. Er spricht von einer "digitalen Grabenziehung", die es zu verhindern gilt: "Also einen Kasten Bier wür ich jetzt wetten, dass Horb der digitalen Grabenziehung entgeht," so Michael Laschinger.
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