Der Bundestagswahlkreis Emmendingen-Lahr gilt seit 1949 als ungeschlagene CDU-Hochburg. Doch es steht ein Personalwechsel an. Die Karten könnten neu gemischt werden.
Die politische Ausgangslage
Seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland ging das Direktmandat im Wahlkreis Emmendingen-Lahr ununterbrochen an die CDU. Seit 1998 verteidigte es Peter Weiß. 2013 holte der Sozialexperte der Union deutlich über 50 Prozent der Erststimmen; bei der vergangenen Bundestagswahl 2017 waren es dann jedoch nur noch knapp 38 Prozent. Bei der diesjährigen Wahl tritt Weiß nun nicht mehr an. Er wird Bundesbeauftragter für die Sozialversicherungs-Wahlen. Sein Nachfolger, der Volkswirt Yannick Bury, ist noch relativ unbekannt. Insofern machen sich sowohl die SPD als auch die Grünen Hoffnungen, das Direktmandat erstmals erobern zu können.
Der SPD-Kandidat Johannes Fechner setzt auf seine Erfahrung. Der Jurist ist seit 2013 Abgeordneter im Bundestag, wo er in zahlreichen Untersuchungsausschüssen mitwirkte. Die Grünen sehen sich trotz der Diskussionen um Spitzenkandidatin Annalena Baerbock besser gerüstet denn je.
Die Kandidierenden von FDP, der Linken und der AfD hoffen, über die Landeslisten in den Bundestag einziehen zu können. Thomas Seitz, der aktuelle AfD-Bundestagsabgeordnete, hat erst Anfang Juli für Schlagzeilen gesorgt. Er verlor seinen Beamtenstatus und darf nicht mehr als Staatsanwalt arbeiten. Grund dafür waren unter anderem flüchtlingsfeindliche Äußerungen und Postings im Internet.
Die größten Herausforderungen vor der Bundestagswahl
Das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger wurde durch Unionsabgeordnete, die gegen hohe Provisionszahlungen Maskenkäufe vermittelt haben, erheblich erschüttert. Ob das der CDU im September schaden wird, ist derzeit noch nicht abzusehen. Auf jeden Fall wird es für die CDU im Wahlkreis 283 eine große Herausforderung, mit einem jungen, relativ unbekannten Kandidaten das Direktmandat zu verteidigen, nachdem Dauer-Wahlsieger Peter Weiß nun nicht mehr antritt.
Denn CDU-Kandidat Yannick Bury trifft auf einen ernst zu nehmenden Konkurrenten: Der SPD-Kandidat Johannes Fechner hat sich in den vergangenen Jahren in vielen Bereichen für die Belange der Menschen im Wahlkreis engagiert. Im Vorjahr setzte er sich für einen Maskenlieferanten aus seinem Betreuungswahlkreis Ortenau ein und unterstützte so das Landratsamt Emmendingen bei einem Maskenkauf. Fechner betont, er habe dafür keinerlei Gegenleistungen wie Provisionen, Anwaltsgebühren, Spenden oder sonstige Vorteile erhalten.
Die Direktkandidatinnen und Direktkandidaten
Die Reihenfolge der Kandidierenden ergibt sich aus dem Endergebnis der Bundestagswahl 2017 in Baden-Württemberg.
Nachdem Dauersieger Peter Weiß im Wahlkreis 283 nicht mehr antritt, muss der neue Kandidat, Yannick Bury, möglichst schnell Profil gewinnen. Der 31-jährige Volkswirt ist seit Mai 2019 CDU-Kreisvorsitzender in Emmendingen. Er gehört außerdem dem Bundesvorstand der Jungen Union (JU) an, wo er die europäischen und internationalen Beziehungen der JU Deutschlands koordiniert.
Der 48-jährige SPD-Kandidat Johannes Fechner ist seit 2013 Mitglied des Bundestages. Dort hat sich der Rechtsanwalt in verschiedenen Untersuchungs-Ausschüssen und Gremien profiliert. Nachdem er 1990 in die SPD eingetreten war, wurde er Juso-Vorsitzender und später Kreisvorsitzender der SPD Emmendingen.
Heike Dorow, die 53-jährige Kandidatin der Grünen, ist von Beruf Sozialarbeiterin. Ihre Berufserfahrung reicht nach eigenen Angaben von der Jugendhilfe bis zur Seniorenarbeit. Im Bundestag möchte sie helfen, Herausforderungen wie den Klimawandel, die Digitalisierung, das Auseinanderdriften der Gesellschaft oder aktuell die Corona-Pandemie zu bewältigen.
Für die FDP geht der Lahrer Bauphysiker und Energieberater Tino Ritter in den Bundestagswahlkampf. Der 49-jährige Kandidat gibt sich selbstbewusst. Er möchte so viele Stimmen wie möglich für die FDP holen und direkt gewählt werden. Ritter betont die Chancen der Digitalisierung auch für den ländlichen Raum. Weitere Schwerpunkte sind internationale Politik und Globalisierung.
Thomas Seitz, der aktuelle AfD-Bundestagsabgeordnete, ist vom Richterdienstgerichtshof in Stuttgart aus dem Dienst entfernt worden und hat seinen Beamtenstatus verloren. Der 53-jährige Jurist hatte schon vor dieser Entscheidung angekündigt, dass er das Bundesverfassungsgericht anrufen will. Derweil kandidiert er auf dem als sicher geltenden Platz neun der AfD-Landesliste.
Nachdem die 31-jährige Imke Pirch bei der Landtagswahl in Freiburg das beste Ergebnis für die Linke im Land erzielt hatte, wurde sie als Kandidatin für die Bundestagswahl im Wahlkreis Emmendingen-Lahr nominiert. Ihre Schwerpunkte sind Gesundheit und Pflege. Sie wird voraussichtlich auf Platz sieben der Landesliste um den Einzug in den Bundestag kämpfen.
Alle Kandidatinnen und Kandidaten im Vergleich SWR Kandidatencheck zur Bundestagswahl 2021 in Baden-Württemberg
Wer verbirgt sich hinter den Namen auf Ihrem Wahlzettel und welche Motivation steckt hinter der Kandidatur? Finden Sie die Kandidierenden in Ihrem Wahlkreis und vergleichen Sie die Positionen zu wichtigen politischen Themen.
Die Top-Themen vor der Wahl
Topthemen sind die Verkehrspolitik, der weitere Ausbau der Elztalbahn, der Ausbau der Rheintal-Autobahn A5 und die Wahrung der ökologischen Balance. Ein weiteres regionales Thema ist die B33-Umfahrung von Haslach im Kinzigtal. Corona-bedingt spielen die Bereiche Gesundheit, Pflege, Bezahlung von Pflegepersonal sowie der Umbau des Gesundheitssystems auch hier eine wichtige Rolle. Außerdem stellt sich die Frage, wie die Energiewende gelingen kann. Im ländlich strukturierten Wahlkreis Emmendingen-Lahr leben rund 300.000 Einwohnerinnen und Einwohner in 41 Gemeinden.
So gehen die großen Parteien in den Wahlkampf
Der Wahlkampf ist bislang nur schleppend in Fahrt gekommen. Das liegt nach Ansicht von Michael Wehner, dem Leiter der Landeszentrale für politische Bildung in Freiburg, daran, dass sich die Menschen noch nicht mit der Bundestagswahl, sondern eher mit Corona und damit verbundenen Urlaubsmöglichkeiten beschäftigen. Die heiße Phase des Wahlkampfes wird erst gegen Ende der Sommerferien erwartet. Wer von der Bundesprominenz der Parteien die Kandidaten und Kandidatinnen vor Ort unterstützen wird, steht derzeit noch nicht fest.
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