Mannheim war lange "rote Hochburg". Aber die einstige Arbeiterstadt ist im Wandel - auch politisch. Der CDU hängt die Maskenaffäre nach, SPD und Grüne hoffen. Ist also alles offen?
Die politische Ausgangslage
Über Jahrzehnte ging der Wahlkreis Mannheim bei den Erst- und Zweitstimmen an die SPD. 2009 wendete sich das Blatt. Bei den letzten beiden Wahlen hatte die CDU die Nase vorn. Dieses Mal treten viele neue Kandidatinnen und Kandidaten an - Ausgang offen.
Die Affäre um zwielichtige Geschäfte mit Corona-Schutzmasken um den Mannheimer Bundestagsabgeordneten Nikolas Löbel hat die CDU in Schwierigkeiten gebracht. Löbel trat im März unter öffentlichem Druck zurück. Ein Ersatzkandidat musste her. Der ist aber wenig bekannt und kämpft mit den Altlasten seines Vorgängers.
Die anderen Parteien - vor allem SPD und Grüne - sehen sich dadurch in Mannheim im Aufwind und hoffen auf Zuwächse. Auch die AfD macht sich Hoffnungen. Sie errang bei der Bundestagswahl 2017 in Mannheim bei Erst- und Zweitstimmen rund 12 Prozent und lag damit nur ganz knapp hinter den Grünen mit rund 13 Prozent.
Vertreten wird Mannheim im Bundestag aktuell durch Gökay Akbulut von der Linkspartei. Die beiden anderen Abgeordneten, die 2017 in den Bundestag einzogen, sind von ihrem Mandat zurückgetreten: Gerhard Schick (Bündnis 90/ Die Grünen) bereits 2018, Nikolas Löbel (ehemals CDU) nach der Maskenaffäre im März 2021. Für Nikolas Löbel ist Kordula Kovac (CDU) nachgerückt.
Die größten Herausforderungen vor der Bundestagswahl
Für die CDU ist die größte Herausforderung, die Affäre Löbel zu überwinden und verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Das ist bei der Landtagswahl im März nicht gelungen - ob es bis zur Bundestagswahl im September gelingt, ist offen.
Für die SPD könnte die Schwäche der CDU die Möglichkeit sein, in der früheren roten Hochburg Mannheim wieder zu punkten. Allerdings sind Teile ihrer Stammwähler zur AfD abgewandert, andere zur Linkspartei - und das "urbane Bürgertum" findet sich häufig eher bei den Grünen wieder als bei der SPD.
Von dieser Wählerklientel wird auch der Wahlerfolg der Grünen in Mannheim abhängen. Die Stadtgesellschaft in Mannheim ist sehr vielfältig und mit Klimaschutz alleine werden die Grünen in der Quadratestadt nicht gewinnen können.
Für die AfD hängt viel davon ab, ob sie - abseits des 2017 im Vordergrund stehenden Themas Flüchtlinge - punkten kann. In den vergangenen Jahren ist sie eher durch parteiinterne Streitereien aufgefallen als durch inhaltliche Akzente.
Die Linkspartei hat bei der letzten Bundestagswahl ein für westdeutsche Verhältnisse gutes Ergebnis eingefahren. Sie konnte aber - wie nahezu alle Parteien in der Corona-Krise - nur wenige eigene Themen setzen.
Das Gleiche gilt für die FDP. Sie ist im Wahlkampf bisher kaum sichtbar.
Die größte Herausforderung für alle ist der Wahlkampf unter Pandemie-Bedingungen und die in Mannheim traditionell niedrige Wahlbeteiligung. Die Wähler und Wählerinnen zu mobilisieren, wird der zentrale und vielleicht ausschlaggebende Punkt für die Bundestagswahl am 26. September 2021 sein.
Die Direktkandidatinnen und Direktkandidaten
Die Reihenfolge der Kandidierenden ergibt sich aus dem Endergebnis der Bundestagswahl 2017 in Baden-Württemberg.
Nachdem Nikolas Löbel nicht wie geplant zum zweiten Mal für die CDU antreten kann, hat die Partei den 67-jährigen Roland Hörner aufgestellt. Der Jurist war Chef des Mannheimer Hafens und ist gut vernetzt. Er ist aber erst seit kurzem Mitglied in der CDU und für viele Wählerinnen und Wähler ein unbeschriebenes Blatt. Es ist fraglich, ob er das schwere Erbe antreten kann, das Löbel nach der Maskenaffäre hinterlassen hat.
SPD und Grüne treten mit Kandidatinnen an, die sind, was Hörner nicht ist: weiblich, jung, divers. Für die SPD geht die 33-jährige Isabel Cademartori ins Rennen. Sie ist Dozentin an der Universität Mannheim, Stadträtin und seit Jahren engagiert in der Kommunalpolitik.
Ebenfalls aus der Kommunalpolitik kommt die Direktkandidatin der Grünen, Melis Sekmen. Die 27-jährige Studentin der Volkswirtschaftslehre und Stadträtin gilt als Nachwuchshoffnung. Ob sie wirklich den Sprung nach Berlin schafft, ist ungewiss: Mannheim hat zwar bei der Landtagswahl im März überraschend deutlich grün gewählt - ob das bei der Bundestagswahl auch so kommt, ist offen .
Außer der CDU, der SPD und den Grünen schicken auch noch die AfD, die FDP und die Linkspartei Direktkandidatinnen und Direktkandidaten ins Rennen. Diese gelten allerdings als chancenlos.
Sechs Kandidatinnen und Kandidaten bewerben sich im Wahlkreis Mannheim um das Bundestagsdirektmandat: Roland Hörner (CDU), Isabel Cademartori (SPD), Melis Sekmen (Grüne), Jörg Finkler (AfD), Gökay Akbulut (Linkspartei) und Konrad Stockmeier (FDP).
Wir stellen hier die sechs Kandidatinnen und Kandidaten der im Bundestag vertretenden Parteien vor. Alle weiteren Personen finden Sie im SWR Kandidatencheck.
Alle Kandidatinnen und Kandidaten im Vergleich SWR Kandidatencheck zur Bundestagswahl 2021 in Baden-Württemberg
Wer verbirgt sich hinter den Namen auf Ihrem Wahlzettel und welche Motivation steckt hinter der Kandidatur? Finden Sie die Kandidierenden in Ihrem Wahlkreis und vergleichen Sie die Positionen zu wichtigen politischen Themen.
Die Top-Themen vor der Wahl
In Mannheim spielen die Themen Vielfalt, Migration und Integration eine große Rolle und stehen bei vielen Kandidatinnen und Kandidaten auf der Agenda. Es geht um Chancengleichheit - beispielsweise bei der Bildung - und auch um Gerechtigkeit zwischen den Generationen.
Großes Thema in der "Arbeiterstadt" Mannheim mit ihren zahlreichen Unternehmen und Betrieben ist die Wirtschaft. Die Herausforderungen und längerfristigen Auswirkungen der Corona-Pandemie spielen eine wichtige Rolle, genauso wie die Zukunftsfähigkeit. Denn Klimawandel und Digitalisierung bringen für viele Betriebe Veränderungen mit sich.
Bei fast allen Kandidatinnen und Kandidaten stehen auch der Umwelt- und Klimaschutz weit vorne auf der Themenliste.
So gehen die großen Parteien in den Wahlkampf
Die CDU weiß, dass sie nach der Löbel-Maskenaffäre wieder Boden gutmachen muss und dass das in so kurzer Zeit nicht einfach wird. Hier geht es vor allem darum, den neuen Kandidaten bekannter zu machen bei der Klientel der CDU.
Die SPD hofft, von der Schwäche der CDU profitieren zu können. Sie will mit einer jungen, weiblichen Kandidatin neue Wählerkreise ansprechen. Dasselbe gilt für die Grünen - beide Parteien setzen angesichts der eingeschränkten Möglichkeiten des direkten Wahlkampfes stark auf Social Media und digitalen Wahlkampf.
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