Ein Jahr durchschlafen, der Welt den Rücken kehren, klingt doch verlockend, oder? Die Protagonistin in Ottessa Moshfeghs Roman „Mein Jahr der Ruhe und Entspannung“ zieht diesen Plan mit Hilfe von Schlaf- und Beruhigungsmitteln durch.
Die Erzählerin in Ottessa Moshfeghs Roman „Mein Jahr der Ruhe und Entspannung“ lässt sich von einer schrägen Psychiaterin ein buntes Sortiment an Medikamenten verschreiben, um abzuschalten und ein ganzes Jahr im Dämmerzustand zu verbringen.
Verrückt spielendes Unterbewusstsein
Doch dann gibt es Schwierigkeiten. Die Schläferin kann nicht mehr schlafen und erhöht die Medikamentendosis. Darauf beginnt ihr Unterbewusstsein verrückt zu spielen und lässt sie seltsame Dinge tun.
Für Katrin Ackermann ist diese ungewöhnliche Geschichte der perfekte Lesestoff für die Zeit zwischen den Jahren. Ein Beispiel sollte man sich an diesem Winterschlaf jedoch nicht nehmen.
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Mit Büchern von Ottessa Moshfegh, Rita Bullwinkel, zwei literarischen Magazinen als Geschenktipps und einem Hörbuch von Carsten Henn
Diskussion über vier Bücher SWR Bestenliste Dezember mit Büchern von Tezer Özlü, Katja Lange-Müller, Lydia Davis und Maria Stepanova
Kitsch oder nicht? Cornelia Geißler, Gregor Dotzauer und Klaus Nüchtern diskutierten vier auf der SWR Bestenliste im Dezember verzeichneten Werke im barocken Schießhaus in Heilbronn. Vor allem das erstplatzierte Prosawerk von Tezer Özlü gab Anlass für grundlegende Diskussionen. Die Anfang der 1980er Jahre geschriebene und jetzt wiederentdeckte „Suche auf den Spuren eines Selbstmordes“ führte zur Frage, ob der Text unter Kitsch zu subsumieren sei. Vor allem der aus Wien angereiste Literaturkritiker des Wiener Magazins Falter Klaus Nüchtern mokierte sich über Sachfehler und missglückte Formulierungen der „pathetischen und egozentrischen Prosa“. Gregor Dotzauer, Literaturredakteur des Tagesspiegel, verteidigte den hohen Ton und die existentielle Dringlichkeit der Prosa. Cornelia Geißler, Literaturredakteurin der Berliner Zeitung, erinnert an den biografischen Hintergrund des Buchs, an die Gewalterfahrungen und Todessehnsucht der Autorin, denen beglückende Lektüren und nahezu therapeutische Sex-Szenen gegenübergestellt werden.
Die 1943 in Anatolien geborene Übersetzerin und Schriftstellerin Tezer Özlü gehörte in den 1980er Jahren zu den wichtigsten Vertreterinnen junger Literatur in der Türkei. Obwohl sie auch in Deutschland gelebt hat, ist sie hierzulande weitgehend unbekannt geblieben. Özlüs „Suche nach den Spuren eines Selbstmordes“ erscheint hierzulande zum ersten Mal, obwohl das Buch auf Deutsch verfasst und mit einem Literaturpreis ausgezeichnet wurde. Die Autorin reist nicht nur zu den Schauplätzen ihrer literarischen Heroen wie Kafka, Svevo und Pavese, sie erkundet in einer „apodiktischen Sprache“ (Nüchtern) auch eigene Sehnsüchte, Träume und Wünsche. Das Buch entwickelt sich damit zu einer literarischen Feier der „unbedingten Rebellion“ (Dotzauer).
Auf dem Programm in Heilbronn standen außerdem: mit „Unser Ole“ der neue Roman von Katja Lange-Müller (Platz 2), die Prosaminiaturen “Unsere Fremden“ von Lydia Davis (Platz 3) sowie der aus dem Russischen von Olga Radetzkaja übertragene Roman „Der Ansprung“ von Maria Stepanova (Platz 4). Aus den vier Büchern lasen Isabelle Demey und Dominik Eisele. Durch den Abend führte Carsten Otte.