Die Zeit im Alltag ist knapp und darunter leidet auch unsere Lesezeit. „Das Gramm“ bietet eine Lösung: Es ist ein Magazin für Kurzgeschichten. Im Januar erscheint das 25. Heft.
22 Gramm kreischende Sägen
Was hätten Sie denn gern? 22 Gramm kreischende Sägen? 24 Gramm Sekt und Sardellen? 22 Gramm folgenschwere Beobachtungen - oder doch lieber 24 Gramm Liebe in Zeiten der Zombie-Apokalypse? Diese feine Auswahl bietet kein großes Internetkaufhaus, sondern ein Magazin für Kurzgeschichten: Das Gramm.
Etwa so groß wie die gelben Reclam-Heftchen steckt in jeder Ausgabe eine erlesene, bisher unveröffentlichte Kurzgeschichte. Der Name „Das Gramm“ zeigt die Idee dahinter: ein Heft, eine Geschichte, ein Häppchen Literatur, das aber keineswegs Fast Food ist, sondern lange nachhallen und satt machen möchte.
Und der Name hat noch eine zweite Bedeutung
… sagt Patrick Sielemann. Er ist hauptberuflich Lektor beim Kein und Aber Verlag und er ist der Herausgeber von „Das Gramm“. Anstoß für das Magazin war eine Frage:
Das Gramm will Lesehürden nehmen
Patrick Sielemann fragte nach bei Familie und Freunden - und hörte meist dieselben drei Gründe:
Diese drei Lesehürden, wie Patrick Sielemann sie nennt, möchte Das Gramm nehmen. Das Zeitproblem ist schnell gelöst, denn Kurzgeschichten sind von Natur aus kurz. Und anstelle von einem dicken Kurzgeschichten-Sammelband gibt es bei Das Gramm alle zwei Monate eine Geschichte.
Thematisch keine Grenzen gesetzt
Die anderen beiden Lesehürden – was soll ich lesen und trifft es meinen Geschmack – löst Das Gramm durch eine feine Auswahl an Texten: Von der Horror- bis zur Liebesgeschichte – thematisch gibt es keine Grenzen.
Wichtig ist für Patrick Sielemann die Zugänglichkeit: Nicht an der Oberfläche bleiben, sondern den Leser und die Leserin an die Hand nehmen und in den Abgrund führen, das mache einen guten Text aus, sagt der Herausgeber.
Wie im aktuellen Heft: „Dort sind auch Bären“ von Andrej Schulz. Darin verfolgt ein Mann Tag und Nacht den Livestream aus einem Bären-Gehege in Rumänien. Er sorgt dafür, dass die Zuschauerzahl im Livestream nie auf null runtergeht. Und er kennt alle Bären beim Namen.
Besonders verbunden fühlt er sich dem Bären Bolik. Er kommt aus der Ukraine, wurde aus einem zerbombten Zoo gerettet. Etwas scheint in Bolik zerbrochen zu sein, denn er hebt kaum den Kopf.
Auch das Leben des Ich-Erzählers der Geschichte ist von Splittern und Einsamkeit durchzogen. Andrej Schulz wurde in der Ukraine, in Donezk geboren und ist in Deutschland aufgewachsen. Er ist einer der vielen neuen literarischen Stimmen, die man Dank Das Gramm entdecken kann.
Denn neben großen etablierten Namen wie Clemens J. Setz, Ulrike Draesner oder Judith Herrmann, die alle schon eine Kurzgeschichte bei Das Gramm veröffentlicht haben, bietet das Magazin auch unbekannten Autorinnen und Autoren die Möglichkeit, sein Skript einfach einzuschicken.
Auf der Suche nach literarischen Goldnuggets
Besondere Gestaltung
Die Geschichte von Andrej Schulz ist so ein Goldnugget. Was die Ausgaben von Das Gramm ebenfalls besonders macht, ist ihre Gestaltung. Sie sind wahre Sammelobjekte: handliches Format, kräftiges Papier, schöne Cover.
Auf dem Cover der nächsten Ausgabe - Heft Nummer 25 - sieht man eine Skyline und die Silhouette einer Frau, die vor dem nächtlichen, liladunklen Himmel auf einem Hochhaus sitzt. Im Heft: Eine Kurzgeschichte von Ulrike Sterblich.
22 Gramm märchenhafte Begegnungen verspricht uns diese Kurzgeschichte. Ein gutes Pfund wiegen alle 25 Hefte zusammen. Sie zeigen: Das Gramm ist festes Gewicht im deutschsprachigen Magazin-Markt. Und verhilft so der etwas stiefmütterlich behandelten Kurzgeschichte zu einem Revival. Vor allem aber gibt es nun grammweise schwere Gründe, direkt mit dem Lesen loszulegen.
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Die 1943 in Anatolien geborene Übersetzerin und Schriftstellerin Tezer Özlü gehörte in den 1980er Jahren zu den wichtigsten Vertreterinnen junger Literatur in der Türkei. Obwohl sie auch in Deutschland gelebt hat, ist sie hierzulande weitgehend unbekannt geblieben. Özlüs „Suche nach den Spuren eines Selbstmordes“ erscheint hierzulande zum ersten Mal, obwohl das Buch auf Deutsch verfasst und mit einem Literaturpreis ausgezeichnet wurde. Die Autorin reist nicht nur zu den Schauplätzen ihrer literarischen Heroen wie Kafka, Svevo und Pavese, sie erkundet in einer „apodiktischen Sprache“ (Nüchtern) auch eigene Sehnsüchte, Träume und Wünsche. Das Buch entwickelt sich damit zu einer literarischen Feier der „unbedingten Rebellion“ (Dotzauer).
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