Geschenktipp

25. Ausgabe von „Das Gramm“ – Kurzgeschichten im Abo

Stand
Autor/in
Kristine Harthauer

Die Zeit im Alltag ist knapp und darunter leidet auch unsere Lesezeit. „Das Gramm“ bietet eine Lösung: Es ist ein Magazin für Kurzgeschichten. Im Januar erscheint das 25. Heft.

22 Gramm kreischende Sägen

Was hätten Sie denn gern? 22 Gramm kreischende Sägen? 24 Gramm Sekt und Sardellen? 22 Gramm folgenschwere Beobachtungen - oder doch lieber 24 Gramm Liebe in Zeiten der Zombie-Apokalypse? Diese feine Auswahl bietet kein großes Internetkaufhaus, sondern ein Magazin für Kurzgeschichten: Das Gramm.

Etwa so groß wie die gelben Reclam-Heftchen steckt in jeder Ausgabe eine erlesene, bisher unveröffentlichte Kurzgeschichte. Der Name „Das Gramm“ zeigt die Idee dahinter: ein Heft, eine Geschichte, ein Häppchen Literatur, das aber keineswegs Fast Food ist, sondern lange nachhallen und satt machen möchte.

Und der Name hat noch eine zweite Bedeutung

Es gibt da natürlich auch den etymologischen Hintergrund, also das Wort „Gramm“ kommt aus dem Griechischen „Gramma“, das bedeutet so viel wie „Geschriebenes“. Man kennt es aus Autogramm, Telegramm oder auch aus dem Wort Grammatik. Und dann ist eben ein Gramm natürlich auch vor allem eine Einheit und ein Gramm als Gewichtseinheit finde ich als etwas sehr Sympathisches. Es ist sowas Leichtes und nichts Belastendes und doch ist es da. Es ist spürbar und kann durchaus einen Unterschied machen. Und das finde ich, passt gut zu dem, was dieses Magazin auch ist.

… sagt Patrick Sielemann. Er ist hauptberuflich Lektor beim Kein und Aber Verlag und er ist der Herausgeber von „Das Gramm“. Anstoß für das Magazin war eine Frage:

In diesem Fall war es die Frage, wie man mehr Menschen für das Lesen begeistern kann. Oder im Umkehrschluss, was hält Menschen eigentlich vom Lesen ab?

Das Gramm will Lesehürden nehmen

Patrick Sielemann fragte nach bei Familie und Freunden - und hörte meist dieselben drei Gründe:

Erstens man hat zu wenig Zeit. Zweitens, man weiß nicht genau, was man lesen soll. Und vielleicht Drittens noch, wenn man sich entschieden hat, ist es vielleicht nicht das Richtige für einen.

Diese drei Lesehürden, wie Patrick Sielemann sie nennt, möchte Das Gramm nehmen. Das Zeitproblem ist schnell gelöst, denn Kurzgeschichten sind von Natur aus kurz. Und anstelle von einem dicken Kurzgeschichten-Sammelband gibt es bei Das Gramm alle zwei Monate eine Geschichte.

Thematisch keine Grenzen gesetzt

Die anderen beiden Lesehürden – was soll ich lesen und trifft es meinen Geschmack – löst Das Gramm durch eine feine Auswahl an Texten: Von der Horror- bis zur Liebesgeschichte – thematisch gibt es keine Grenzen.

Wichtig ist für Patrick Sielemann die Zugänglichkeit: Nicht an der Oberfläche bleiben, sondern den Leser und die Leserin an die Hand nehmen und in den Abgrund führen, das mache einen guten Text aus, sagt der Herausgeber.

Das finde ich spannend an Texten, wenn man so…Da ist jemand und bittet einen in sein Haus hinein und winkt und ist freundlich und dann sieht man doch die Risse und den Schmutz unter dem Sofa. Das ist sowas, was ich an Texten spannend finde, wenn man erst mal reingelockt wird und dann doch irgendwie überrascht oder sogar vor den Kopf gestoßen wird.

Wie im aktuellen Heft: „Dort sind auch Bären“ von Andrej Schulz. Darin verfolgt ein Mann Tag und Nacht den Livestream aus einem Bären-Gehege in Rumänien. Er sorgt dafür, dass die Zuschauerzahl im Livestream nie auf null runtergeht. Und er kennt alle Bären beim Namen.

Besonders verbunden fühlt er sich dem Bären Bolik. Er kommt aus der Ukraine, wurde aus einem zerbombten Zoo gerettet. Etwas scheint in Bolik zerbrochen zu sein, denn er hebt kaum den Kopf.

Auch das Leben des Ich-Erzählers der Geschichte ist von Splittern und Einsamkeit durchzogen. Andrej Schulz wurde in der Ukraine, in Donezk geboren und ist in Deutschland aufgewachsen. Er ist einer der vielen neuen literarischen Stimmen, die man Dank Das Gramm entdecken kann.

Denn neben großen etablierten Namen wie Clemens J. Setz, Ulrike Draesner oder Judith Herrmann, die alle schon eine Kurzgeschichte bei Das Gramm veröffentlicht haben, bietet das Magazin auch unbekannten Autorinnen und Autoren die Möglichkeit, sein Skript einfach einzuschicken.

Auf der Suche nach literarischen Goldnuggets

Und wir bekommen auch viel geschickt und aus diesen vielen Einsendungen haben wir auch schon was herausgefischt und gefunden. Die Suche nach tollen Texten ist immer so ein bisschen wie eine Goldsuche. Man hat so einen Berg an Texten vor sich und man sucht den einen Besonderen, also das Goldnugget. Und auf dem Weg dorthin findet man durchaus viele toll aussehende Mineralien oder auch Edelsteine. Aber man will eben das Goldnugget. Und das meine ich nicht als materiellen Wert, sondern als ideellen Wert. Man will diesen einen Text, der einen begeistert und überrascht. Und der so strahlt, dass man weiß, man hält was Besonderes in den Händen.

Besondere Gestaltung

Die Geschichte von Andrej Schulz ist so ein Goldnugget. Was die Ausgaben von Das Gramm ebenfalls besonders macht, ist ihre Gestaltung. Sie sind wahre Sammelobjekte: handliches Format, kräftiges Papier, schöne Cover.

Auf dem Cover der nächsten Ausgabe - Heft Nummer 25 - sieht man eine Skyline und die Silhouette einer Frau, die vor dem nächtlichen, liladunklen Himmel auf einem Hochhaus sitzt. Im Heft: Eine Kurzgeschichte von Ulrike Sterblich.

Die Ausgabe heißt „Verliefen sich im Park“ und spielt in New York. Zum ersten Mal eine Das Gramm Geschichte, die in New York spielt. Es handelt von einer Familie, die dort einen Urlaub verbringen möchte und dort die wichtigsten Touristenattraktionen abklappert. Und irgendwie läuft alles ganz anders, als wie sie es sich vorgestellt haben.

22 Gramm märchenhafte Begegnungen verspricht uns diese Kurzgeschichte. Ein gutes Pfund wiegen alle 25 Hefte zusammen. Sie zeigen: Das Gramm ist festes Gewicht im deutschsprachigen Magazin-Markt. Und verhilft so der etwas stiefmütterlich behandelten Kurzgeschichte zu einem Revival. Vor allem aber gibt es nun grammweise schwere Gründe, direkt mit dem Lesen loszulegen.

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