Emily entdeckt in einer geheimen Bibliothek eine goldene Schreibmaschine, mit der sie Romane umschreiben kann. Eine Abenteuergeschichte über die Macht der Bücher.
Und das ist nicht irgendeine Bibliothek, sondern die Anna Amalia Bibliothek in Weimar mit ihrem berühmten Rokokosaal. Autor Carsten Henn hat für seine jugendliche Heldin Emily ein namhaftes, ehrwürdiges Setting ausgesucht, das er ansonsten aber sehr frei behandelt.
Er erfindet noch einen Nachfahren des nicht weniger berühmten Johannes Gutenberg, Eurich von Gutenberg, der die Bibliothek erbaut haben soll. Dort steht ein Ohrensessel, auf dem Emily lesend ihre Nachmittage verbringt.
Eines Tages aber dringt ausgerechnet der Lehrer, den sie am wenigsten leiden kann, in ihren geschützten Ort ein. Dr. Dreskau ist streng, gemein und ungerecht – die schlechteste aller Kombinationen. Und nun beobachtet Emily heimlich, wie eben dieser Dr. Dreskau in ihrer Bibliothek ganz offensichtlich etwas sucht.
Emily entdeckt einen geheimen Raum voller Merkwürdigkeiten
Emilys Neugier ist geweckt. Am nächsten Tag gelingt es ihr gemeinsam mit ihrem Freund Frederick nach einigen Mühen tatsächlich, das zu finden, was das Glitzern ausgelöst hat: Einen goldenen Füllfederhalter.
Mehr noch: Das edle Schreibgerät lässt sich mit einer Drehung in einen Schlüssel verwandeln und dieser wiederum passt in ein Gemälde, das Eurich von Gutenberg zeigt. Ehe sie sich versieht, steht Emily in einem gewaltigen Raum hinter dem Rokokosaal, einer Art Negativabbildung: Dort ist es Nacht, nicht Tag, die Regale sind schwarz, nicht weiß. Und er scheint schier unendlich zu sein.
Die goldene Schreibmaschine kann Bücher neu schreiben
Schauspieler Stephan Benson macht genau das, was ein guter Erzähler tun sollte: Selbst in Beschreibungen macht er die Emotionen der beobachtenden Figur hörbar – wie hier die der staunenden Emily.
Diese ahnt nicht, dass sie genau das gefunden hat, wonach ihr Lehrer Dr. Dreskau so verzweifelt gesucht hat: eine Erfindung Eurich von Gutenbergs, eine Maschine, die Mechanik und Magie miteinander verbindet.
Emily kehrt nun immer wieder in die geheime Bibliothek zurück und findet heraus, wozu die goldene Schreibmaschine zu gebrauchen ist: Emily kann darauf einzelne Seiten bestehender Bücher neu schreiben und mit einem beiliegenden Bastelset in das Exemplar in der geheimen Bibliothek einkleben.
Daraufhin verändern sich sämtliche Exemplare dieses Buches – und: Niemand erinnert sich an das Original. Emily ist begeistert und schreibt erstmal das Ende eines ihrer Lieblingsbücher zum Happy End um. Zu Hause überprüft sie, ob es geklappt hat:
Was passiert, wenn man Romane umschreiben kann?
Es gibt sie nicht mehr – Emilys Happy End hat die Fortsetzungen obsolet gemacht. Hier zeigt sich die Macht der goldenen Schreibmaschine und der durchaus aktuelle Bezug dieses Hörbuchs. Sie könnte auch Diskussionen zum Beispiel darüber, ob man Begriffe wie das N-Wort aus alten Kinderbüchern ausmerzen sollte, verhindern.
Einmal umgeschrieben und es gäbe noch nicht einmal eine Debatte. Diese Maschine öffnet Geschichtsklitterung Tür und Tor, doch auf ein rein politisches Gebiet begibt sich Autor Carsten Henn nicht: Sachbücher und Zeitungen kann Emily nicht umschreiben.
Aber auch die veränderten Romane haben erstaunliche Effekte: Mitschüler verhalten sich ihr gegenüber plötzlich ganz anders. Und leider beachtet ihr Freund Frederick sie gar nicht mehr. Emily kann die Folgen der veränderten Geschichten schlecht kontrollieren. Manchmal findet sie sich selbst kaum in ihrer neuen Realität zurecht. Dazu kommt: Dr. Dreskau ist ihr auf den Fersen.
Ein Abenteuerhörbuch mit idealem Sprecher
Und dann wird Autor Carsten Henn doch politisch: Dr. Dreskau will sich um jeden Preis Zugang zur goldenen Schreibmaschine verschaffen, um seine Werte wie Disziplin, Heimat und Tradition über manipulierte Romane im Gedankengut der Gesellschaft zu verankern.
Allein Emily kann das verhindern, da sie die Einzige ist, die sich an die alte Welt erinnern wird. Carsten Henn erzählt mit der „goldenen Schreibmaschine“ sehr spannend über die Macht von Ideen und Geschichten.
Stephan Benson ist der ideale Interpret dafür. Seine Stimme erinnert an Christian Brückner und wie er hat Stephan Benson den Text voll im Griff, macht die erzählenden Passagen genauso lebendig wie die Figuren, die er selbstverständlich eindeutig charakterisiert.
Das macht „Die goldene Schreibmaschine“ zu einem großartigen Abenteuerhörbuch. Pass auf, was Du liest, heißt die Botschaft – aber diese Geschichte sollte auf jeden Fall dabei sein.
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