Eine Markthalle im ehemaligen Karstadt-Kaufhaus? Würde funktionieren, sagt Nils Fränzel von der Uni Trier. Der Wissenschaftler hat aber noch mehr Ideen gegen den Leerstand.
Jedes Jahr spazieren Hunderttausende Menschen durch Trier. Gerade jetzt im Sommer ist die Fußgängerzone voller Leute. Touristen bestaunen die Römerbauten, Einheimische trinken Riesling am Weinstand. Sie laufen aber auch an immer mehr leeren Schaufenstern vorbei.
Zumindest ein großes Gebäude sticht dabei heraus: Das ehemalige Karstadt-Kaufhaus zwischen Porta Nigra und Hauptmarkt, das seit 2020 geschlossen ist. Was man daraus machen könnte, welche neuen Ideen es sonst noch für die Innenstadt gibt und was Trier von Mainz und Rotterdam lernen kann - darüber haben wir mit dem Einzelhandelsexperten Nils Fränzel von der Universität Trier gesprochen.
SWR Aktuell: Die Karstadt-Filiale in der Simeonstraße steht seit vier Jahren leer. Jetzt plant ein Berliner Investor, dort eine Markthalle mit regionalen Produkten aufzubauen. Passt das in Trier?
Nils Fränzel: Auf jeden Fall. In Rotterdam hat sich so eine Markthalle zum Beispiel zu einem regelrechten Magneten für Touristen entwickelt. Und das könnte auch in Trier klappen. Rund um die Porta Nigra sind ohnehin viele Menschen unterwegs. Außerdem sehen wir an dem Weinstand auf dem Hauptmarkt, dass die Trierer sich gerne abends nach der Arbeit auf ein Weinchen treffen. Im Winter oder bei schlechtem Wetter fällt das aber flach. Und da wäre so eine Markthalle mit kleinen Kaffees und Restaurants ein guter Ort der Begegnung, auch für Einheimische.
SWR Aktuell: Der Investor will in seiner Markthalle ja vor allem auf regionale Produkte setzen. Ist das sinnvoll?
Nils Fränzel: Grundsätzlich ist das ein Trend. Und auch viele Touristen kaufen gerne regionale Produkte als Souvenirs. Ich glaube aber, dass man in so einer Markthalle auch die Grenznähe zu Belgien, Luxemburg und Frankreich ausspielen sollte. Dann könnte man einen Mix aus regionalen und internationalen Ständen anbieten, so wie das in anderen Städten Erfolg hat. Auch, weil es für viele heimische Direktvermarkter schwer ist, neben dem Betrieb, einen dauerhaften Stand zu besetzen.
SWR Aktuell: Geplant ist außerdem, die Markthalle mit einem Hotel und mit Gastronomie, auch auf der Dachterrasse, zu ergänzen.
Nils Fränzel: Wenn das jetzt kein Luxushotel mit extrem teuren Zimmern werden soll, bin ich davon überzeugt, dass das funktionieren kann. Hotels haben wir in der Innenstadt nicht viele. Allein die Nähe zur Porta Nigra und dem Hauptbahnhof würden das neue Hotel attraktiv machen. Genauso die Gastronomie auf der Dachterrasse: Da gab es ja schon mal eine Bar bis 2021, die durchaus gut besucht war.
SWR Aktuell: Nun ist der ehemalige Karstadt ja nicht unbedingt das schönste Gebäude von Trier. Selbst wenn die Ideen gut sind, könnte die Optik die Besucher abschrecken?
Nils Fränzel: Markthallen sollten schon einen gewissen Charme versprühen. Am Besten macht sich da ein altes Gemäuer. Und die Karstadt-Filiale ist wirklich nicht zwingend schön. Dafür aber die umliegende Innenstadt: Deshalb, glaube ich, dass das Gebäude schon ein attraktiver Ort werden kann, wenn der Inhalt stimmt und die Fassade vielleicht ein wenig umgestaltet wird.
SWR Aktuell: Was wäre Ihnen denn als Erstes eingefallen, wenn man Sie nach einem neuen Konzept für dieses oder andere leerstehende Gebäude in Trier gefragt hätte?
Nils Fränzel: Mein erster Vorschlag wäre, Teile der Universität in die Innenstadt zu verlagern. Aktuell spielt sich das Leben von vielen Studenten hier oben auf dem Petrisberg ab. Hier gibt es Geschäfte und Freizeitangebote. Man muss nicht zwingend runter in die Stadt. Für Trier wäre es aber super, wenn die jungen Leute öfter in die Innenstadt kämen. Vielleicht sollte man darüber nachdenken, einen Hörsaal oder ein paar Seminarräume in die Fußgängerzone zu verlegen. In Freiburg zum Beispiel liegen Universitätsgebäude direkt in der Stadt und dort spielt sich dann auch das Leben ab.
SWR Aktuell: Nun ist das frühere Karstadt-Kaufhaus ja nicht der einzige Leerstand in der Fußgängerzone. Seit viele Kunden vor allem online einkaufen, machen überall Geschäfte zu. Wie bewerten Sie die Trierer Einkaufsmeile?
Nils Fränzel: Im Vergleich zu anderen Städten dieser Größe steht Trier relativ gut da, was die Anzahl der Geschäfte angeht. Und viele alteingesessene Läden haben auch ihre Stammkundschaft. Aber es fehlt das breite Angebot für die breite Masse. Und mittlerweile gibt es auch in Trier immer mehr Leerstände, zum Beispiel in der Trier-Galerie. Junge Leute zieht es zum Shoppen häufiger nach Koblenz oder Saarbrücken. Das Problem ist: Trier ist nach dem Konzept von gefühlt jeder deutschen Stadt aufgebaut. Du fährst du hin, gehst einkaufen und wieder heim. Das wird in Zukunft nicht mehr funktionieren.
SWR Aktuell: Sie haben die Trier-Galerie angesprochen. In vielen Städten stehen ja auch Geschäfte in solchen Einkaufszentren leer. Ist die Galerie als Konzept überhaupt noch zu retten?
Nils Fränzel: Auch dafür gibt es kein Patentrezept. Aber vielleicht lohnt sich da mal ein Blick nach Mainz. Dort haben sie im ehemaligen Karstadt den Lulu Konzept Store aufgemacht. Da waren dann 120 Pop-Up-Stores drin - da gab es dann Läden, aber auch Kunst und Kultur und dadurch dann auch keinen Leerstand und wieder Leben in der Bude.
Und so ein Pop-Up-Store, der jeweils nur für ein paar Wochen oder Monate offen ist, bietet ja immer was Neues, was Exklusives. Das macht ihn gerade reizvoll für Kunden. Das klassische Warenhaus, wie Karstadt oder Galeria Kaufhof, hat aus meiner Sicht keine Zukunft.