Seit bald zwei Jahren kommt es in der Region Stuttgart zu Gewalt zwischen kriminellen Gruppen. Das LKA will mit Hausbesuchen gegensteuern und berichtet von Ermittlungserfolgen.
Seit Juli 2022 sorgen gewaltbereite multiethnische Gruppierungen in der Region Stuttgart immer wieder für Aufsehen. Nun hat das Landeskriminalamt (LKA) eine Zwischenbilanz seiner bisherigen Ermittlungen gezogen. "Wir haben etwa 550 Personen im Kreis unserer Ermittlungen, die wir dem näheren Umfeld dieser beiden Gruppierungen zuordnen", sagte LKA-Sprecher David Fritsch dem SWR. Die Ermittlerinnen und Ermittler hätten mehrere tausend Personen kontrolliert und fast 30 Waffen beschlagnahmt. "Sowas findet man in keinem anderen Ermittlungsverfahren in Deutschland, dass man binnen kürzester Zeit, also über einen Zeitraum von knapp über einem Jahr, 68 Tatverdächtige in Haft bringt."
Täter bei Schuss-Serie und Umfeld jünger als früher im Rocker-Milieu
Bei den Vorfällen in der Region Stuttgart, zu dem unter anderem eine Handgranatenattacke auf eine Trauergemeinde zählt, handle es sich um eine "unfassbar neue Dimension der Gewalt", so Fritsch im Interview. Dazu gehöre auch das Phänomen des 'Drive-by-shooting', also Schüsse aus einem fahrenden Auto: "Mal schnell eine Pistole ziehen, mehrere Schüsse abgeben - und viele wissen gar nicht, was sie damit auslösen", sagt der Kriminaloberrat über die meist jungen Tatverdächtigen.
Und gerade auch beim Alter zeige sich ein Unterschied zu früher. "Wir merken bei den ganzen Tatausführungen, dass wir nicht so wie früher, bei rockerähnlichen Gruppierungen, ältere Täter haben. Stattdessen hatten wir auch schon Schützen im Großraum Stuttgart, die zwischen 18 und 20 Jahre alt waren", sagte der LKA-Sprecher.
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LKA: Viele glorifizieren den kriminellen Lifestyle
Bei den Ermittlungen habe sich auch gezeigt, dass es eine Menge junger Leute in der Region Stuttgart gibt, die Kriminalität bewundern. "Wir merken auch aufgrund der Vielzahl der Personen, dass es da ganz viele Sympathisanten und Mitläufer gibt, die die Nähe zu der Gruppe suchen, die natürlich Respekt und Anerkennung erfahren und einfach dazugehören möchten", erklärte der LKA-Sprecher. Dabei handle es sich überwiegend um Jugendliche und Heranwachsende, die einen lokalen Bezug zu den kriminellen Gruppen hätten - nach dem Motto "Ich wohne in der gleichen Nachbarschaft. Ich kenne die Gruppe, die hängt hier ab", erklärt Fritsch und fügt hinzu: "Man möchte dazugehören, man möchte ebenfalls dabei sein - und das ist natürlich das Fatale."
Wenn Beamte zuhause klingeln ...
Doch genau diese jungen Sympathisanten wollten die Behörden nun durch sogenannte Offensivansprachen erreichen, um sie von kriminellen Taten abzuhalten - "bevor sie den Schritt gehen, tatsächlich eine Tat zu begehen", sagte der LKA-Sprecher. Es gebe Jugendliche und Heranwachsende, deren Eltern oder Freunde nicht wüssten, wo sie am Wochenende üblicherweise unterwegs seien und mit wem sie befreundet seien. "Dementsprechend haben wir auch mal zu Hause an der Tür geklingelt, mit den Eltern gesprochen und versucht, das nähere Umfeld einzubeziehen und die Eltern zu warnen", erklärt Fritsch, auch wenn die genaue Vorgehensweise jeweils vom Einzelfall abhänge.
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Offensivansprache: "Wir wissen ganz genau, wer du bist"
Das LKA und die Polizei setzen auch auf direkte Gespräche. "Einfach auch mit dem Wink: 'Wir wissen ganz genau, wer du bist. Wir wissen, wo du dich rumtreibst, und wir wissen auch, dass wir dich im Fokus unserer Ermittlungen haben'", beschreibt der LKA-Sprecher, welche Botschaft seine Behörde vermitteln will. "Das sind natürlich auch so Schreckmomente für diejenigen, wenn plötzlich doch mal die Polizei zu Hause in der Tür ist."
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LKA: Vielen sind mögliche Konsequenzen nicht bewusst
Die Behörden erhoffen sich, dass sich die Jugendlichen und Heranwachsenden durch die Ansprachen "von der Gewalt lösen". Dafür sei es wichtig, sie über die möglichen Strafen zu informieren - beispielsweise für den Fall, dass sie plötzlich eine Schusswaffe in die Hand gedrückt und gesagt bekommen würden, sie sollten losfahren und ein paar Schüsse abfeuern. Denn nicht immer seien sie sich bewusst, "dass dafür eventuell zehn, zwölf Jahre Gefängnis anstehen", erklärt Fritsch.
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Mehrere hundert Mal kontaktierten Ermittler potentielle Gewalttäter
Seit Anfang des Monats hätten die Behörden bei mehr als 300 Personen solche Offensivansprachen durchgeführt. Daran beteiligt waren laut Fritsch das LKA und die Polizeipräsidien Aalen, Reutlingen, Ludwigsburg, Ulm und Stuttgart. Die Gewalt in der Region Stuttgart bereite den Ermittlerinnen und Ermittlern zwar Sorge, sagte Fritsch, doch sie seien nicht hoffnungslos, denn die Ermittlungserfolge sprächen für sich.
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