Ein sozialdemokratisches Urgestein tritt ab - in einem Wahlkreis, der auf neue Technologien setzt, aber auch die "Alte Welt" nicht vergessen will.
Die politische Ausgangslage
Im Wahlkreis 209 stehen die Zeichen auf Neuanfang. Seit 2002 hat Gustav Herzog (SPD) bei jeder Bundestagswahl das Direktmandat gewonnen - obwohl die CDU seit 2009 bei den Zweitstimmen im Wahlkreis vor der SPD gelegen hat. Bei den Wahlen 2013 und 2017 war Herzog gar der einzige Sozialdemokrat im Land, der ein Direktmandat holen konnte. Herzogs Beliebtheit im Wahlkreis lässt sich sicherlich darauf zurückführen, dass er als Person sehr präsent war. Als Mitglied des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur hat er sich zudem auch im Wahlkreis für diese Themen eingesetzt. Frühzeitig hatte Herzog angekündigt, in diesem Jahr nicht mehr antreten zu wollen. Für ihn geht der 34-jährige Newcomer Matthias Mieves (SPD) ins Rennen.
Er trifft unter anderem auf Xaver Jung, der für die CDU auch bei den vergangenen Wahlen als Direktkandidat angetreten ist. 2013 zog Jung über die Landesliste in den Bundestag, 2017 verpasste er trotz guter Platzierung auf der Liste ganz knapp den Einzug ins Parlament.
Der Wahlkreis wird in Berlin auch von Alexander Ulrich (Linke) vertreten. Der gelernte Werkzeugmacher ist seit 2005 Mitglied des Bundestags und ist in Kaiserslautern als 2. Bevollmächtigter der IG Metall tätig.
Die größten Herausforderungen vor der Bundestagswahl
Der Wahlkreis 209 ist ein sehr heterogener Wahlkreis. Neben der Großstadt Kaiserslautern gehören zum Wahlkreis auch einige eher ländlich geprägte Gebiete. Dazu zählen zwei Verbandsgemeinden aus dem Landkreis Kaiserslautern, sowie der komplette Landkreis Kusel und der gesamte Donnersbergkreis.
Die Stadt Kaiserslautern steckt mitten im Strukturwandel - von einer Arbeiterstadt hin zu einem modernen Technologiestandort. Seit Jahren ist das eine große Herausforderung für die Stadt und die Region. Zahlreiche Forschungsinstitute haben sich rund um die Technische Universität angesiedelt. Beispielsweise ist Kaiserslautern eine von deutschlandweit sechs Modellregionen des Mobilfunkstandards 5G. Die Technische Universität erhält dazu vom Bund rund zwölf Millionen Euro. Geforscht wird unter anderem daran, wie 5G für die Landwirtschaft und die Industrieproduktion genutzt werden kann. Kaiserslautern wird außerdem Standort für das erste europäische Großprojekt für E-Auto-Batterien. Auf dem Opelgelände und in Nordfrankreich entstehen zwei Standorte einer riesigen Batteriefabrik, in die sechs Milliarden Euro investiert werden. Fördergelder gibt es unter anderem vom Bund und der EU.
Einige der ländlichen Gebiete des Wahlkreises haben sich in der Initiative „Alte Welt“ zusammengeschlossen. Ihr Ziel ist es, über Grenzen von Verbandsgemeinden und Landkreisen hinweg gemeinsam die ländliche Region zu stärken - denn diese Gemeinden müssen sich zahlreichen Herausforderungen stellen. Beispielsweise will sich die Initiative dafür einsetzen, den Tourismus anzukurbeln, Radwege auszubauen und die ärztliche Versorgung auf dem Land sicherzustellen – auch mithilfe von moderner Telemedizin. Ein weiteres wichtiges Thema ist der Ausbau von Straßen und die Stärkung von Bussen und Bahnen. Bereits fest steht, dass die Zellertalbahn von Langmeil im Donnersbergkreis ins rheinhessische Monsheim bis 2023 reaktiviert wird. Weitere Überlegungen gibt es bei der Eistalbahn zwischen Ramsen und Enkenbach-Alsenborn, der Glantalbahn zwischen Lauterecken und Staudernheim und der Strecke zwischen Altenglan und Lauterecken.
Der gesamte Wahlkreis ist vom Einfluss der Amerikaner geprägt. Rund 50.000 Soldaten, Zivilbeschäftige und deren Angehörige wohnen in der Region. Die Amerikaner sind dadurch ein großer Wirtschaftsfaktor, auch zahlreiche deutsche Zivilbeschäftige arbeiten für das Militär. Viele Pfälzer vermieten Häuser oder Wohnungen an die Militärangehörigen. Eine gute deutsch-amerikanische Beziehung ist für die Region daher von großer Bedeutung. Nach den eher unterkühlten Jahren während der Präsidentschaft von Donald Trump, ist es nun eine Herausforderung, das Miteinander wieder zu optimieren.
Während der Corona-Pandemie gab es viele Diskussionen um den vom Robert-Koch-Institut ermittelten Inzidenzwert. An Corona erkrankte US-Militärangehörige wurden zwar in die Statistik eingerechnet, bei der Berechnung der Bevölkerungszahl wurden sie aber nicht berücksichtigt. Dadurch fiel der Inzidenzwert oft höher aus, der Kreis Kaiserlautern sprach von bis zu 20 Inzidenzpunkten Abweichung. Einige im Rahmen der Bundesnotbremse angekündigte Lockerungen traten dadurch in dem Wahlkreis erst später in Kraft. In einem Gespräch zwischen Landräten und Bundesgesundheitsminister Spahn (CDU) Anfang Juni kündigte Spahn an, dass – wenn es erneut zu einer Bundesnotbremse kommen sollte – die Amerikaner mitberücksichtigt werden. Sollte das Thema Inzidenzwert noch einmal von so großer Bedeutung werden wie im Frühjahr, wird es auch eine Herausforderung sein, an dieses Versprechen zu erinnern und dafür zu sorgen, dass es gehalten wird.
Die Direktkandidatinnen und Direktkandidaten
Matthias Mieves (SPD) versucht Nachfolger von Gustav Herzog zu werden. Er stammt aus Bruchmühlbach-Miesau und ist Diplom-Kaufmann. Motto seines Wahlkampfes ist "Mut. Macher". Der Kuseler Xaver Jung (CDU) arbeitet als Lehrer. Als er 2013 über die Landesliste in den Bundestag zog, engagierte er sich dort unter anderem in den Bereichen Arbeit und Soziales sowie Bildung und Wissenschaft. Marco Staudt (AfD) kommt aus Altenglan-Mühlbach und ist Mitglied des Kuseler Kreistags. Er ist auch bei der Landtagswahl im Frühjahr angetreten und erreicht dort 10,8 Prozent. Alexander Ulrich (Linke) stammt aus Kusel und ist Parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion. Er ist auch Mitglied des Kaiserslauterer Kreistags. Michael Kunte (Grüne) sitzt seit 2019 im Kaiserslauterer Stadtrat und arbeitet als Akademischer Oberrat an der TU Kaiserslautern. Eines seiner Schwerpunktthemen ist die Mobilitätswende für Klimaschutz. Jana Braun Lambur (FDP) ist Lehrerin und schreibt gerade an der Universität Koblenz-Landau an ihrer Doktorarbeit. Sie stammt aus Baumholder und war früher dort kommunalpolitisch für die SPD aktiv. Weitere Direktkandidaten im Wahlkreis sind: Thomas Lebkücher (Freie Wähler), Derya Sujana-Sen (Die PARTEI), Torsten Friedrichs (Die Basis), Petra Winkler (Liberal-Konservative Reformer), Patrick Kühn-Breisch (Tierschutzpartei), Malte Schümann (Volt), Dietrich Peter Schwang (Internationales Bündnis), Dirk Hoppe (Klimaliste) und Marius Lauer (parteilos).
Die Top-Themen im Wahlkampf
Die Themen Erneuerbare Energien und E-Mobilität spielen im Bundestagswahlkampf generell eine große Rolle. Im Bereich des Wahlkreises Kaiserslautern kann das direkte Folgen haben. Die Landesregierung schließt Windräder im Pfälzerwald nicht mehr kategorisch aus und will bis 2030 500 Megawatt Windkraft pro Jahr produzieren. Sollte auch eine neue Bundesregierung die Windenergie ausbauen wollen, könnte sich das früher oder später dann auch auf den Pfälzerwald auswirken. In der unter anderem vom Bund geförderten neuen Batteriefabrik in Kaiserslautern sollen rund 2.000 Arbeitsplätze entstehen. Ein Ausbau der E-Mobilität in Deutschland und Europa wird dann für die Stadt und die Region wirtschaftlich von Bedeutung sein.
Generell ist der Technologiestandort Kaiserslautern darauf angewiesen, dass beispielsweise der Bund Forschungsprojekte in die Pfalz vergibt. Erst Anfang Juli hatten die Universität und das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz elf Millionen Euro erhalten – für Forschungsprojekte rund um den neuesten Mobilfunkstandard 6G.
Die Sorge ländlicher Regionen vor dem „abgehängt“ werden, ist ebenfalls im Bundestagswahlkampf ein großer Thema. Dabei geht es um Themen wie dem Anschluss ans schnelle Internet, eine vernünftige Mobilfunkabdeckung, die ärztliche Versorgung oder den Ausbau des ÖPNV, denn nur dann kann auch auf dem Land das Auto gegen Bus oder Bahn getauscht werden.
Letztendlich wird es spannend, ob die SPD auch ohne Gustav Herzog das Direktmandat im Wahlkreis Kaiserslautern holt oder ob mit seinem Abschied auch der letzte rote Wahlkreis in Rheinland-Pfalz verschwindet. Dies hängt entscheidend davon ab, wie die Kandidatinnen und Kandidaten im Wahlkampf persönlich bei den Wählerinnen und Wählern ankommen.