Die Unterschiede innerhalb eines Wahlkreises könnten kaum größer sein. Viel ländliche Idylle einerseits und große internationale Unternehmen andererseits prägen diesen Wahlkreis. Nur politisch ist er seit Jahren recht stabil.
Die politische Ausgangslage
Der Wahlkreis Neuwied ist seit etlichen Jahren fest in CDU-Hand. Bei der Bundestagswahl vor vier Jahren musste die CDU jedoch Federn lassen. So lag die CDU mit 38,2 Prozent zwar deutlich vor der SPD mit 25,4 Prozent, aber hinter dem Ergebnis der Bundestagswahl 2013. Drittstärkste Kraft bei der vergangenen Bundestagswahl wurde die AfD mit 10,8 Prozent, dicht gefolgt von der FDP. Beide Parteien haben gegenüber der Wahl 2013 gut zugelegt.
Erwin Rüddel (CDU) aus Windhagen holte bei der Wahl 2017 zum dritten Mal das Direktmandat im Wahlkreis mit einem deutlichen Vorsprung vor dem jüngeren SPD-Herausforderer Martin Diedenhofen. Beide treten im September wieder an. Für den Wahlkreis sitzen im Bundestag außerdem die FDP-Abgeordnete Sandra Weeser und Andreas Bleck von der AfD. Beide wurden über die Landesliste gewählt.
Die Chancen, dass Rüddel das Direktmandat auch diesmal wieder gewinnt, stehen gut. Er ist ein bekanntes Gesicht im Wahlkreis und meldet sich häufig zu Wort, wenn es um gesundheitspolitische Themen geht. So kritisiert der Gesundheitspolitiker unter anderem immer wieder die aus seiner Sicht mangelhafte Krankenhausplanung im Land. Auch in Sachen Corona-Impfung meldete er sich zu Wort. Unter anderem forderte er, dass die Hausärzte stärker in die Impfkampagne miteinbezogen werden sollten.
Die Freien Wähler haben zum ersten Mal eine Frau als Direktkandidatin nominiert. Die Westerwälderin Marianne Altgeld steht als Spitzenkandidatin der Freien Wähler auf Platz Eins der Landesliste.
Die größten Herausforderungen vor der Bundestagswahl
Zum Wahlkreis Neuwied gehören die beiden Kreise Neuwied und Altenkirchen. Die Stadt Neuwied hat eine lange Tradition als Industriestandort zwischen Koblenz und Bonn. Der Kreis Altenkirchen als nördlichster Kreis in Rheinland-Pfalz liegt zwischen den Ballungsräumen Köln-Siegen-Rhein-Main.
Viele kleine und mittelständische Betriebe haben sich hier angesiedelt, aber auch größere internationale Unternehmen wie Lohmann und Rauscher sind hier ansässig. Die Betriebe sind in besonderer Weise auf schnelles Internet angewiesen. Entsprechend dringend ist die Forderung nach einem Ausbau der digitalen Infrastruktur: Glasfaser für die Betriebe, aber auch für Privatleute.
Über allen Punkten, die für den Wahlkreis wichtig sind, steht die Überschrift "Gleichwertige Lebensbedingungen im ländlichen Raum". Dazu gehört in erster Linie eine gute und ausreichende Gesundheitsversorgung. Denn immer mehr Hausarztpraxen müssen wegen Überalterung der Ärzte schließen, gleichzeitig fehlt aber der medizinische Nachwuchs. Auch die Finanzierung und Erreichbarkeit der Krankenhäuser ist ein Thema im Wahlkreis. Die Zusammenlegung der DRK-Krankenhäuser in Hachenburg und Altenkirchen zeigt, wie das Thema die Menschen im Wahlkreis bewegt.
Marode Straßen, gute Verkehrsanbindung und der Ausbau von Gewerbegebieten sind weitere Herausforderungen. Entlang der A3 haben sich beispielsweise etliche Betriebe angesiedelt, die sich gerne vergrößern würden. Im Kreis Neuwied ist der Bahnlärm und eine Bahn-Alternativstrecke ein seit längerer Zeit schwelendes Problem. Auch ein durchgängiges Radwegenetz im Westerwald oder mehr Radwege in der Innenstadt von Neuwied werden seit Jahren gefordert.
Die Direktkandidatinnen und Direktkandidaten
Elf Kandidatinnen und Kandidaten bewerben sich um das Bundestagsdirektmandat:
- CDU: Erwin Rüddel (65)
Der Diplom-Betriebswirt ist aktuell Vorsitzender des Gesundheitsausschusses. Der zweifache Vater lebt in Windhagen will zum vierten Mal in Folge das Direktmandat für die CDU holen.
- SPD: Martin Diedenhofen (26)
Der Lehramtsstudent aus Erpel ist Mitglied im Kreistag Neuwied und im Landesverband der SPD Rheinland-Pfalz.
- Grüne: Kevin Lenz (30)
Der Lehrer gehört der Kreistagsfraktion in seinem Wohnort Altenkirchen an. Er setzt seine Schwerpunkte besonders in der Bildungspolitik und im Bereich der Kinder und Jugendlichen.
- FDP: Sandra Weeser (51)
Die Betriebswirtin aus Betzdorf ist seit vier Jahren Bundestagsmitglied. Sie ist seit 2013 Stellvertretende Landesvorsitzende der FDP Rheinland-Pfalz und Mitglied der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung.
- Freie Wähler: Marianne Altgeld (32)
Die Vertriebsmanagerin aus Döttesfeld ist auch die Spitzenkandidatin der Freien Wähler in Rheinland-Pfalz und fordert: "Das Zusammenspiel von Kommunen, Ländern und Bund muss wieder ausgewogener werden."
- AfD: Andreas Bleck (33)
Der Student aus Linz am Rhein ist seit 2017 Mitglied des Bundestages und sitzt dort unter anderem im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Er ist seit 2016 AfD-Fraktionsvorsitzender im Kreistag Neuwied.
- Die Linke: Jochen Bülow (56)
Der Landesvorsitzende der Linken wohnt in Niederwambach und ist auch Vorsitzender des Kreisverbands Neuwied. Er ist gelernter Journalist.
- Die Partei: Christian Link (28)
Erst im Mai wurde der Herdorfer auf der Gründungsversammlung "Der Partei" im Altkirchener Luna-Park zum Vorsitzenden gewählt.
- dieBasis: Klaus D. Asbach
Der Betzdorfer geht für die Kleinstpartei ins Rennen.
- Klimaliste: Markus Erdmann (51)
Der Gründer einer PR-Agentur aus Linkenbach war politisch zuvor bei der SPD und den Grünen aktiv.
- Unabhängiger Bewerber: Norbert Schmitt
Der Güllesheimer ist 2020 aus der AfD ausgetreten und bewirbt sich nun als parteiloser Bewerber um ein Mandat.
Die Top-Themen im Wahlkampf
Ein großes Thema ist der Breitbandausbau. Der Kreis Altenkirchen hat schon Millionenbeträge in den Ausbau der digitalen Netzinfrastruktur investiert. Auch im Kreis Neuwied läuft der Ausbau auf Hochtouren. Der Kreis plant am "Graue Flecken"-Programm des Bundes teilzunehmen. Ein Thema, für das sich viele Politikerinnen und Politiker im Wahlkreis einsetzen.
Genau wie für das Thema gute ärztliche Versorgung. Vor allem in ländlicheren Gebieten sind immer weniger Ärzte zu finden, in der Stadt Neuwied gibt es da eher weniger Probleme. Aber auch hier, wie im gesamten Wahlkreis, sorgt man sich über die ausreichende Finanzierung von Krankenhäusern.