Gewalt an der eigenen Schule setzt viele Lehrkräfte unter Druck und erhöht das Burnout-Risiko. Das ist ein Ergebnis des aktuellen Schulbarometers der Robert Bosch Stiftung in Stuttgart.
Fast jede zweite Lehrkraft beobachtet an der eigenen Schule psychische oder physische Gewalt unter Schülerinnen und Schülern in problematischem Ausmaß. Das geht aus einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage der Robert Bosch Stiftung hervor. Nur einen Tag zuvor hatte das Innenministerium bekannt gegeben, dass in Baden-Württemberg die Gewalt an Schulen zugenommen hat.
Gewalt, Personalmangel und heterogene Klassen
Als größte Herausforderung sehen Lehrkräfte das Verhalten von Schülerinnen und Schülern. Das sagten 35 Prozent der befragten Lehrerinnen und Lehrer. Am zweithäufigsten (33 Prozent) nannten sie den Umgang mit heterogenen Klassen. Damit ist gemeint, dass die Schülerinnen und Schüler einer Klasse nicht gleich schnell lernen, teilweise besonderen Förderbedarf haben und unterschiedliche kulturelle und familiäre Hintergründe haben.
Mehr als jede dritte Lehrkraft fühlt sich mehrmals pro Woche emotional erschöpft. Das sagen vor allem jüngere und weibliche Lehrkräfte sowie Lehrkräfte an Grundschulen, so ein weiteres Ergebnis des Deutschen Schulbarometers 2024. Kraft gibt den Lehrerinnen und Lehrern nach eigenen Angaben eine gute Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern sowie eine unterstützende Zusammenarbeit mit dem Kollegium.
Schüler und Lehrer betroffen Zunehmende Gewalt an Schulen in BW - Forderungen nach Konsequenzen
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Bei der Frage, was an den Schulen am dringendsten getan werden müsse, sahen 41 Prozent Handlungsbedarf beim Personalmangel. Dagmar Wolf von der Robert Bosch Stiftung bezeichnete die Ergebnisse als "Momentaufnahme eines kranken Systems". Lehrerinnen und Lehrer müssten seit Langem die Folgen des "massiven Personalmangels" ausgleichen und immer neue Belastungen bewältigen. Gleichzeitig werde das berufliche Wohlbefinden in Zukunft enorm wichtig sein, um Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen zu halten und den Beruf für junge Menschen wieder attraktiver zu machen.
Lehrer bemängeln marode Schulgebäude
Dringenden Handlungsbedarf sieht gut ein Drittel auch bei maroden Schulgebäuden: 35 Prozent der befragten Lehrkräfte hielten Investitionen in die Sanierung und Renovierung für notwendig. Der Bedarf ist laut Robert Bosch Stiftung in allen Regionen und sozialen Lagen in etwa gleich hoch.
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Großteil der Lehrer nach wie vor zufrieden mit Beruf und ihrer Schule
Ganz grundsätzlich zeigt die Umfrage aber auch: Die Mehrheit (75 Prozent) der Lehrerinnen und Lehrer ist laut Umfrage zufrieden mit ihrem Beruf und ihren Schulen. Trotzdem gaben 27 Prozent der Befragten an, den Beruf zu wechseln, wenn sie könnten.
Mehr psychosoziale Unterstützungsangebote wären für viele Lehrkräfte der Umfrage zufolge wünschenswert. Baden-Württemberg steht hier vergleichsweise gut da: An Gymnasien und Beruflichen Schulen gebe es mit 66 Prozent die meisten psychosozialen Unterstützungsangebote, so die Robert Bosch Stiftung.
Lehrerverband fordert mehr Personal zur Gewaltprävention
Mit Blick auf die Ergebnisse des Deutschen Schulbarometers fordert Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, mehr Personal zur Gewaltprävention an Schulen. Wenn Lehrkräfte einen großen Teil der eigentlichen Unterrichtszeit aufwenden müssten, um sich mit problematischem Verhalten und mit der Schlichtung von Konflikten auseinanderzusetzen, bleibe weniger Zeit für guten Unterricht, sagte Düll den Zeitungen der Funke Mediengruppe am Mittwoch.
Das gehe zulasten der Lernenden und zermürbe das Lehrpersonal. Schulen könnten nicht die gesamte Erziehungsarbeit leisten, sondern seien auf die Unterstützung von Politik, Gesellschaft und insbesondere von Elternhäusern angewiesen.
Deutsches Schulbarometer: Mehr als 1.600 Lehrkräfte befragt
Für das aktuelle Deutsche Schulbarometer hat die Robert Bosch Stiftung vom 13. November bis zum 3. Dezember 2023 insgesamt 1.608 Lehrkräfte an allgemein- und berufsbildenden Schulen befragen lassen. Die Zahlen sind laut Robert Bosch Stiftung für Baden-Württemberg repräsentativ. Die Befragung von Lehrkräften findet seit 2019 regelmäßig statt.
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