Am Dienstag hat der Freiburger Gemeinderat entschieden: Zwei Realschulen in Freiburg werden Gemeinschaftsschulen. Das ist ungewöhnlich in Baden-Württemberg. Was sind Gründe und Vorteile?
Gemeinschaftsschule statt Realschule: Gleich zwei Schulen in Freiburg wollen einen neuen Weg einschlagen: die Wentzinger Realschule im Stadtteil Mooswald und die Emil-Thoma-Realschule in der Wiehre. Nun hat der Freiburger Gemeinderat grünes Licht gegeben. Zum Schuljahr 2025/2026 können dann die Schulen mit dem neuen Gemeinschaftsschulkonzept an den Start gehen.
Schülerschaft immer heterogener
Die Wentzinger Realschule steht laut Schulleiterin Silke Nitz unter großem Druck: Die Schülerschaft werde immer heterogener, die Lehrkräfte würden die Jugendlichen zunehmend nicht mehr erreichen. Zeit, die Jugendlichen individuell zu fördern, fehle. "Wir glauben nicht, dass die Gemeinschaftsschule das Allheilmittel ist", sagt Nitz. Aber: "Wir könnten Dinge damit wirklich grundlegend anders tun - wir könnten mutig sein."
Die Wentzinger Realschule hat einen teilgebundenen Ganztagsunterricht. Das heißt: Einige der Schülerinnen und Schüler bleiben bis nachmittags, viele aber nur bis mittags. Gemeinschaftsschulen aber sind immer vollständige Ganztagsschulen, es gibt also mehr Zeit für Unterstützung. So ist an der Schule die Idee entstanden, die Schulart zu wechseln.
Zu viele Schulwechsel in Freiburg
Ein Problem in Freiburg: Hier wechseln viele Kinder und Jugendliche die Schulen. Insbesondere würden viele das Gymnasium nach dem Start in der fünften Klasse wieder verlassen, weil es doch zu schwierig ist. Eine Gemeinschaftsschule könnte das abfedern. Insbesondere aus diesem Grund spricht sich auch die Stadtverwaltung dafür aus, aus den Realschulen Gemeinschaftsschulen zu machen.
Gemeinschaftsschule ermöglicht verschiedene Abschlüsse
An Gemeinschaftsschulen können Jugendliche einen Hauptschul- oder einen Realschulabschluss machen und - wenn es eine Oberstufe gibt - auch das Abitur. In den ersten vier Jahren werden alle gemeinsam unterrichtet - ohne Benotungen, betont Hans-Jürgen Muri, Rektor der Emil-Thoma-Realschule in Freiburg. Zusammen mit Lehrkräften und Eltern können die Jugendlichen dann in der achten Klasse entscheiden, welchen Schulabschluss sie machen.
Stadtverwaltung sieht Vorteile in Gemeinschaftsschulen
Was die Emil-Thoma-Schule betrifft, hat die Stadtverwaltung die Initiative für die Veränderung angeregt. Sie hofft, dass es mit dem Konzept der Gemeinschaftsschule weniger Schulwechsel gibt. Ein weiterer Aspekt: Das an die Schule angrenzende, teils sanierungsbedürftige Lycée Turenne könnte mitgenutzt werden. Hier könnten Räume extra an die neuen Bedürfnisse angepasst werden.
Gemeinschaftsschulen sind auch umstritten
Das Konzept der Gemeinschaftsschulen, dass das Kultusministerium auf seiner Internetseite präsentiert, klingt überzeugend. Alle lernten hier "auf dem für sie bestmöglichen Niveau", die Schulen förderten "Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichen Begabungen", heißt es. Doch in der Praxis gibt es immer wieder Kritik. Eine Umfrage hatte kürzlich ergeben: Jede zweite Lehrkraft im Land will Gemeinschaftsschulen verlassen. Der baden-württembergische Gymnasiallehrerverband hatte außerdem kritisiert, die Gemeinschaftsschüler würden in Vergleichsarbeiten schlechter abschneiden als die Schüler anderer Schularten, sie hätten einen schlechteren "Wissensstand". Die Gemeinschaftsschulen wiesen diese Kritik aber zurück.
Gemeinschaftsschule geht auch innovativ
Dass Gemeinschaftsschulen aber auch gut und modern sein können - das zeigt konkret zum Beispiel die Alemannenschule in Wutöschingen (Landkreis Waldshut). Ihr Schulkonzept ist mehrfach ausgezeichnet worden, zum Beispiel 2019 mit dem Deutschen Schulpreis. Silke Nitz von der Wentzinger Realschule Freiburg hofft, dass sich auch ihre Schule als Gemeinschaftsschule in Freiburg zum Wohle der Kinder verändert: "Im besten Fall haben wir hier dann Schülerinnen und Schüler, die mündige Bürger sind und die die Welt von Morgen mitgestalten können."