Gespräch

Neues Sachbuch „Porno – eine unverschämte Analyse“ – „Wir brauchen mehr Porno-Kompetenz!“

Stand
INTERVIEW
Martin Gramlich

Auch wenn sie bereits auf prähistorischen Höhlenzeichnungen zu entdecken ist: Noch nie war Pornografie so leicht verfügbar wie heute – und ist deshalb so umstritten. Viele der Vorwürfe gegen Pornos und die dahinter stehende Industrie hält die Kulturwissenschaftlerin Madita Oeming für wenig faktenbasiert. Sie plädiert in einem neuen Buch für einen entspannteren Umgang mit dem Phänomen.

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Im Gespräch mit SWR2 bezeichnet die Porno-Forscherin unsere Gegenwart als „Hoch-Zeit“ der Pornografie und gibt zugleich zu bedenken: „Der Markt hat sich wahnsinnig diversifiziert.“ Das bedeute: Für Wissenschaft wie Öffentlichkeit ergeben sich neue Herausforderungen und neue Ängste.

Die Angst vor der Bewertung

Pornografie konsumiere man meistens alleine, erklärt Oeming einen Teil der Tabuisierung des Phänomens. Außerdem sei Sexualität nach wie vor von Scham begleitet – vor allem wenn, wie in pornografischen Darstellungen, deren Extreme gezeigt würden. Viele Menschen hätten die Sorge, bewertet zu werden, wenn sie sich über Menge oder Art ihrer Sexualtätigkeit äußern. „Sie fragen sich: Bin ich normal, stimmt was nicht mit mir? Das halte ich tatsächlich für problematisch“, sagt Oeming. Denn das mache anfällig für alle Mythen rund um Pornografie.

Pornos weniger dramatisch sehen

Im Interview mit SWR2 berichtet Oeming, dass sie wegen ihrer Seminare zum Umgang mit Pornografie auch von AfD-Anhängern, rechten Gruppen und feministischen Kreisen Drohungen erhalten hat. Sie führt das vor allem auf fehlendes Wissen zurück: „Die Idee, die Menschen von Pornos haben, ist oft viel dramatischer als das, was sie wirklich sind und mit uns machen. Es kursieren so viele Dinge!“. Die wenigen evidenzbasierten Forschungen zu dem Thema hätten Ergebnisse erbracht, die alle öffentlichen Debatten eigentlich entspannen sollten, glaubt Oeming.

Plädoyer für Porno in den Schulen

Die Kulturwissenschaftlerin gesteht ein, dass für Menschen Sexualität weiterhin privat bleiben darf und wehrt sich dagegen, Pornografie mit Gewalttaten und Missbrauchsdarstellungen zu vermischen – was häufig geschehe. Forschungen zum Umgang von Jugendlichen mit Pornografie zeigten, dass diese „kompetent“ mit ihr umgehen. Sie plädiere daher dafür, in die Bildung zu investieren.

„Wir brauchen Porno-Kompetenz! Das Thema Porno gehört in die Schulen, wir brauchen sinnvolle sexuelle Bildung. Das bringt uns weiter – und nicht Verbote und Panik.“

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Martin Gramlich