Was verbindet Charles Darwin, Albert Einstein und der griechische Philosoph Epikur miteinander? Es ist die Theorie von der Evolution der Natur. Der Autor Michael Schmidt-Salomon hat deren Entwicklung anhand von zehn Kurzportraits wissenschaftlicher und philosophischer Persönlichkeiten nachgezeichnet.
Aus Sorge um die Zukunft der Blick in die Vergangenheit, so könnte man dieses Buch umschreiben. Die heutigen oder kommenden Probleme der Menschheit sollten im „Lichte der Evolution“ gesehen und gelöst werden, befindet Autor Michael Schmidt-Salomon. Er verbindet das mit der Vorstellung vom „Anthropozän“, das als eigenes Menschheits-Zeitalter gehandelt wird.
Doch zunächst widmet er sich der Entdeckungsgeschichte der Evolution. Die Theorie, dass alles Leben einen gemeinsamen Ursprung hat, war selbst ihrem Urheber nicht geheuer. Damals Mitte des 19. Jahrhunderts. Diese Theorie, die die vielen Arten von Lebewesen in einen Zusammenhang bringt, die aber auch die Trennlinie zwischen Menschen und Tieren beseitigt und damit ein Tabu verletzte, veröffentlichte Charles Darwin erst mit Jahren Verspätung. Schmidt-Salomon nennt sie,
Zehn Persönlichkeiten der Wissenschaftsgeschichte
Der Autor nähert sich ihr vom Ende her. Er greift zehn Persönlichkeiten der Wissenschafts- und Philosophiegeschichte heraus, die die Evolutionstheorie durch ihre Arbeit weiterentwickelt – und die das Denken selbst beeinflusst haben.
Naturwissenschaftler wie die Polin Marie Curie, die mit der Entdeckung der Radioaktivität dazu beigetragen hat, die Materie und die Stoffe, aus der sie besteht, zu enträtseln. Oder Alfred Wegener, der mit der Theorie von der Kontinentalverschiebung, der sogenannten Plattentektonik, die Erde als einen Körper beschrieb, der sich in permanentem Wandel befindet.
Portraitiert werden aber auch Sozial- und Geisteswissenschaftler wie Karl Marx, der „Entdecker des Sozialen“, oder Friedrich Nietzsche, dessen radikale Philosophie des „Anti“ herrschende Glaubenssätze zertrümmerte und Platz für Neues schuf.
Durchaus lesenswerte Kurzbiografien, zu denen – der Vollständigkeit halber – noch Albert Einstein, Carl Sagan, Karl Popper, Julian Huxley und der griechische Philosoph Epikur kommen.
Ausgewählt hat Schmidt-Salomon die Protagonisten, wie er schreibt:
Neun der zehn sind Europäer. Ihre Auswahl ist aber keine ausschließliche, Schmidt-Salomon führt zahlreiche weitere Forscher und Denker jener Zeiten an:
Atemberaubender Entdeckungsprozess
Bis auf Epikur haben alle im Zeitraum von 200 Jahren des 19. und 20. Jahrhunderts gelebt und gewirkt. Eine Epoche, in der technologische und wissenschaftliche Entwicklungen eine große Dynamik entfalteten. Schmidt-Salomon spricht von einem „atemberaubenden Entdeckungsprozess“ der Wissenschaft.
Auffallend ist, dass die meisten der Autoritäten politisch engagiert waren: vor allem als Humanisten und Pazifisten. Geeint hat sie womöglich der grundsätzliche Respekt vor allem Seienden und Lebenden und der Gedanke, dass der Mensch eine Spezies unter vielen ist. Zu Warnern wurden sie, weil sie erkennen mussten, dass wissenschaftliche Entdeckungen für militärische Zwecke missbraucht wurden, wie bei der Atombombe.
Insgesamt kommt der politische und historische Kontext, in dem sich die Wissenschaften bewegen, zu kurz. Nietzsches Radikalität beispielsweise war beeinflusst durch die deutsche Revolution in Folge der Französischen Revolution, die die gesellschaftlichen Ordnungen in Europa zum Einsturz brachte.
Das Zeitalter des Anthropozän
Das Buch soll, so sein Autor, gegen die Unübersichtlichkeit der Welt mit ihrer täglichen gigantischen Datenfülle Orientierungshilfe leisten. Das führt Schmidt-Salomon immer wieder zum „Anthropozän“: die Idee eines erdgeschichtlichen Zeitalters des Menschen, die seit einiger Zeit in Umlauf ist. Ob die Menschheit eine eigene geologische Kraft darstellt, ist in der Wissenschaft jedoch umstritten. Jedenfalls leitet Schmidt-Salomon daraus eine „planetare Verantwortung“ für die Erde ab.
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