Knetfiguren

Vom Kinderzimmer auf die Kinoleinwand

Her mit der Knete: Wie der Werkstoff Kunst und Film erobert

Stand
AUTOR/IN
Carolin Baumgart

Weich, bunt, formbar: Knete spielt nicht nur im Kinderzimmer eine bedeutende Rolle, auch Musiker*innen, bildende Künstler*innen und Trickfilmer*innen widmen sich dem formbaren Werkstoff. Von kindlichen Knetfiguren bis zur oscarprämierten Stop-Motion-Animation: Knete kann einfach alles!

Sandmännchen
Knete ist nicht nur ein Spielzeug, sondern ein faszinierender Werkstoff, der in der Kunst vielfältig eingesetzt wird. Prominentes Beispiel: Das Sandmännchen.

Haben Sie schon mal Knete im Museum gesehen? 

Wahrscheinlich verneinen die meisten diese Frage und verknüpfen Knete eher mit spielenden Kindern. Doch Knete im Museum ist nicht ungewöhnlich: Leni Hoffmann und Henrik Jacob sind zwei solcher Kunstschaffenden, die unter anderem mit Knetmasse künstlerisch arbeiten und die zeigen, wie unterschiedlich Arbeiten mit diesem vielseitigen Werkstoff aussehen können.  

Knet-Künstlerin Leni Hoffmann
Leni Hoffmann kreiert mit roter Knetmasse ein Kunstwerk für eine Ausstellung.

Leni Hoffmann entwickelt mit Knetmasse geometrische Raumbilder, die meistens sehr farbintensiv sind und Bezug auf die Architektur nehmen. Den Betrachter bezieht sie dabei mit ein, sodass man manchmal mittendrin oder mittendrauf steht – Kunst zum Anfassen und auf der die Besuchenden ihre Spuren hinterlassen.  

In Karlsruhe, wo Leni Hoffmann lebt und arbeitet, kann man ihre Kunstwerke ab Ende März 2024 in der Städtischen Galerie erleben.  

Leni Hoffmanns Knetkunst
Leni Hoffmann hat künstlerische Knetspuren hinterlassen und die Besucher*innen können ebenfalls Teil ihrer Kunst werden.

Knete als Archiv von Fingerabdrücken

Mitten aus dem Leben gegriffen ist die Knetkunst von Henrik Jacob: Porträts von Rudi Völler oder Erich Honecker, Skulpturen oder eine lebensgroße Bar, an der man sich niederlassen kann. Tresen, Kühlschrank und Röhrenfernseher: alles reell im Raum. Henrik Jacob arbeitet in Grautönen, was den nostalgischen Charme unterstützt. Dreidimensional und weich sehen die Oberflächen aus und man möchte sie am liebsten anfassen.

Kunst von Henrik Jacob
Henrik Jacob Werk arbeitet Knetmasse auf Acrylglas und lässt dabei verschieden große Motive wie z.B. diese ganze Bar entstehen.

„Das ist das Interessante an der Knete“, sagt Jacob, „tausende Fingerabdrücke sind auf ihr archiviert – und es können immer neue dazu kommen.“ Seine Werke sind international gefragt und auch in Mannheim ist seine Kunst zu sehen. Hier war er auch als Gastdozent an der Freien Kunstakademie Mannheim tätig. 

Eine ganze Jacke aus Knete
Henrik Jacob hat eine Rockerjacke aus Knete kreiert und bezieht sogar dieses Mal Farbe mit ein.

Auch auf der Leinwand nicht wegzudenken: Knete im Film  

Auch in Film und Fernsehen kommt Knete regelmäßig zum Einsatz. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die ersten Filme mit Plastilin produziert – zunächst jedoch nur kürzere Sequenzen. Der erste vollständig animierte Knetfilm war „Long Live the Bull“ (1926).

In den 1970er Jahren entwickelten sich dann modernere Knetanimationen, auch Claymations genannt. Der britische Animationskünstler Will Vinton gilt als Vorreiter. Zusammen mit Knetgummianimator Bob Gardiner stellte er unter anderem den Film „Closed Mondays“ her, der 1975 mit dem Oscar ausgezeichnet wurde.

Oscarprämierte Knetfiguren

Ende der 1980er und in den 1990er Jahren erfand der Trickfilmer Nick Park die Figuren „Wallace & Gromit“ – ein Erfolgsschlager, der mit zahlreichen Preisen, darunter dem Oscar ausgezeichnet wurde.

Nick Park arbeitet seit 1985 für das weltberühmte Stop-Motion-Studio Aardman Animations in Bristol. Ebenso erfand er „Shaun das Schaf“, eine gleichermaßen erfolgreiche wie beliebte Serie für Groß und Klein.

Wallace und Gromit
Wallace und Gromit sind das erste und bislang einzige Oscar-Paar aus Knetmasse.

Beim Knetfilm ist Geduld gefragt  

Knetfilme sind Stop-Motion-Animationen mit Figuren aus Plastilin, die sehr arbeitsintensiv sind – Produktionen dauern teilweise mehrere Jahre. Das liegt daran, dass pro Position ein Bild aufgenommen wird, die Knetfiguren also vor jedem Foto minimal verändert werden müssen. Tausende von Einzelbildern entstehen und werden am Ende zusammengefügt und bearbeitet, damit sie einen flüssigen Bewegungsablauf bekommen und zum Film werden.

Shaun das Schaf
Ein Arbeitsplatz eines Modellmacher bei den Aardman Studios mit Gesichtern von Shaun dem Schaf und einem Freund.

Für etwa drei Sekunden Film wird dabei ein Drehtag benötigt. Ein Blick hinter die Kulissen:

Knete und Musik: Wie passt das zusammen?  

Knete findet sich auch in der Musikbranche wieder, zur Untermalung von Musikvideos. Legendär ist das Musikvideo „Sledgehammer“ von Peter Gabriel aus dem Jahr 1986, in dem Knetfiguren und Suppenhühner durch Stop-Motion-Techniken animiert wurden. An den Arbeiten war wieder Trickfilmer Nick Park beteiligt.

 „Sledgehammer“ von Peter Gabriel (1986) bei YouTube:  

Einige Musikkurzfilme von Michael Jackson, wie beispielsweise „Speed Demon“ von 1988 sind mit animierten Knetfiguren in Stop-Motion-Technik gestaltet. Michael Jackson wollte immer innovativ und technisch auf der Höhe der Zeit sein. Verantwortlich für Regie und Produktion der Animationen war Stop-Motion-Pionier und Oscar-Preisträger Will Vinton.

Wenn man bedenkt, dass in den 1980er Jahren die Animationen manuell mit Plastilin-Drahtgitter-Figuren erstellt wurden, sind die Ergebnisse beeindruckend.  

Mit Knete Kohle machen: YouTuber Simon Haase alias ClayClaim 

Mit seiner Knetkunst berühmt wurde Simon Haase aus Remscheidt: Schon als Kind hat er die Leidenschaft zur Knete entdeckt und beeindruckende Figuren und Welten erschaffen. Sein Talent hat er genutzt – inzwischen gehört er zu den bekanntesten YouTubern der Kreativ-Szene.  

Simon Haase
Simon Haase alias ClayClaim begeistert auf seinem Youtube-Kanal über drei Millionen Follower mit seinen Knetkünsten.

2016 beginnt er mit Figuren wie Asterix, Loriot, Pumuckl und Mickey Mouse. In seinen Videos zeigt er, wie er diese Figuren modelliert und kommentiert das auf witzige Art. Am Anfang wird er kaum wahrgenommen, seine Tutorials werden nur wenig geschaut. Doch auf einmal nimmt sein YouTube-Kanal „ClayClaim“ enorme Fahrt auf.  

„Es gab diesen einen Moment, der mir gezeigt hat, dass es mit dem Kneten klappen kann. Weil mich mein Kind wachgehalten hat, habe ich in einer Nacht ein Pokémon geknetet. Daraus wurde mein erstes Video mit über 100.000 Views“, erklärt Haase.

Und so beginnt sein Weg zu heute mehr als drei Millionen Abonnent*innen auf YouTube und zu einem eigenen Filmstudio mit einem mehrköpfigen Team, das den ersten Stop-Motion-Film plant. 

Simon Haase
YouTuber Simon Haase knetet die Figur „Carnage” aus dem Film „Venom Let There Be Carnage”, der dem Spider-Man-Universe entstammt.

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Carolin Baumgart