Auch wenn Eltern ihre Kinder gesund ernähren wollen: Nahrungsergänzungsmittel gehören nicht auf den Speisezettel. Es sei denn, es liegt eine Mangelernährung vor, etwa in ärmeren Ländern.
Nahrungsergänzungsmittel boomen
Der Markt für Nahrungsergänzungsmittel boomt. Der Umsatz betrug in Deutschland 2022 knapp drei Milliarden Euro. Hauptsächlich Erwachsene nehmen Nahrungsergänzungsmittel, aber auch immer mehr Kinder. Studien zeigen: Bis zu sieben Prozent der Kinder bis 6 Jahren erhalten Nahrungsergänzungsmittel, von den 6- bis 17-Jährigen sind es schon etwa 15 Prozent.
Großteil der Kinderprodukte ist zu hoch dosiert
Nicht nur in Apotheken, sondern auch in Supermärkten und Drogerien gibt es Nahrungsergänzungsmittel für Kinder zu kaufen. Die Verbraucherzentrale hat 33 Nahrungsergänzungsmittel für Kinder analysiert und festgestellt: Drei Viertel der Produkte waren zu hoch dosiert. Denn die empfohlenen Höchstmengen sind für die Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln nicht verpflichtend.
Bei einer akuten Vitamin A-Überdosierung treten Übelkeit und Erbrechen auf, bei Vitamin D kommen Müdigkeit und Kopfschmerzen hinzu. Multivitaminpräparate stehen zudem öfter in der Kritik, weil sie nicht gezielt helfen, sondern viele Vitamine nach dem "Gießkannenprinzip" kombinieren. Aus medizinischer Sicht wenig sinnvoll.
Welche Gabe von Nahrungsergänzungen ist sinnvoll für Kinder?
Für Säuglinge ist Vitamin D sinnvoll. Das empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung: 10 bis 12,5 Mikrogramm Vitamin D täglich, bis die Kinder ihren zweiten Frühsommer erleben. Ab dann können sie in die Sonne und selbst Vitamin D produzieren. Ihnen mehr Vitamin D zu geben, ist nur nach ärztlichem Rat sinnvoll.
Sobald die Zähne mit fluoridierter Zahnpasta geputzt werden, brauchen die Kinder kein Extra-Fluorid mehr. Bei den ersten Vorsorgeuntersuchungen im Säuglings- und Kleinkindalter geben Kinderärzte auch noch Vitamin K für die Blutgerinnung und den Knochenaufbau. Auch das ist danach aber nicht mehr nötig.
Anke Weißenborns Aufgabe ist es, die Gefahren von Nahrungsergänzungsmitteln einzuschätzen. Das ist herausfordernd, weil der Markt an Nahrungsergänzungsmitteln sehr schnell wächst. Sie stellt klar:
Nahrungsergänzungsmittel enthalten Zusatzstoffe, die nicht in Kinderprodukten sein dürfen
Das Chemische- und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe hat in den Jahren 2020 bis 2022 insgesamt 31 Nahrungsergänzungsmittel untersucht, die speziell für Kleinkinder und Säuglinge sind, und rät Eltern ausdrücklich davon ab. Diese Produkte sollen zum Teil mit kleinen Plastikspritzen den Säuglingen direkt in den Mund gespritzt werden.
Lebensmittelchemikerin Verena Bock hat die Produkte mit einer Kollegin analysiert. Das erschreckende Ergebnis: Fast keines der Produkte dürfte überhaupt verkauft werden, weil sie fast alle Zusatzstoffe enthalten. Die aber dürfen rein rechtlich in Nahrungsergänzungsmitteln für Kinder unter drei Jahren nicht enthalten sein.
Zusatzstoffe sind zum Beispiel Süßstoffe, Geschmacksverstärker oder Konservierungsstoffe, die gerade in Supplementen für Kinder oft vorkommen. Die meisten Kinder-Nahrungsergänzungsmittel müssten in Deutschland wahrscheinlich verboten sein. Dass sie trotzdem auf den Markt gelangen, ist kaum aufzuhalten, weil sie nur über ein Online-Formular "angezeigt" werden müssen. Das bedeutet: Sie durchlaufen keine weiteren Kontrollen, bevor sie verkauft werden, erläutert Lebensmittelchemikerin Verena Bock.
Falls Kleinkinder Nährstoffe brauchen, empfiehlt die Lebensmittelchemikerin deshalb, lieber auf geprüfte Arzneimittel zurückzugreifen. Und sie nennt noch ein abschreckendes Beispiel:
Falls Kleinkinder Nährstoffe brauchen, empfiehlt die Lebensmittelchemikerin deshalb, lieber auf geprüfte Arzneimittel zurückzugreifen.
Nahrungsergänzung: hilfreich bei Mangelernährung in ärmeren Ländern
Der US-amerikanische Ernährungswissenschaftler Shawn Baker arbeitet für Helen Keller Intl. Laut der Non-Profit-Organisation bekommen weltweit weniger als 30 Prozent der Kinder zwischen sechs und 23 Monaten eine Ernährung, mit der ihr minimaler Nährstoffbedarf gedeckt ist. Shawn Baker versucht, etwas dagegen zu tun. Der wirksamste Ansatz sei ein Nahrungsergänzungsmittel, das speziell für Kinder zwischen sechs und 23 Monaten konzipiert ist. Das sei die Lebensspanne, bei der sie zusätzlich zur Muttermilch nährstoffreiche Kost brauchen, erzählt Baker.
Bei dem Nahrungsergänzungsmittel handelt sich um eine Kombination aus 22 essentiellen Vitaminen und Mineralstoffen, darunter Eisen, Zink, Folsäure, zwei essentiellen Fettsäuren und so weiter. Es ist nur eine Ergänzung. Das bedeutet also nicht, dass es den Magen füllt. Wie das Nahrungsergänzungsmittel wirkt, wurde durch Studien untersucht. Das Auszehrungs- oder Wasting-Syndrom konnte mit dem Nahrungsergänzungsmittel um 31 Prozent reduziert werden. Es ist die gefährlichste Folge von Unterernährung bei Kindern.
Studie aus Karlsruhe Nahrungsergänzungsmittel für Kinder fallen bei Test durch
Vielen Eltern wollen ihre Kinder mit möglichst gesunden Nährstoffen versorgen. Nahrungsergänzungsmittel sollen hierbei helfen. Fachleute ziehen aber ein kritisches Fazit.
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Gesunde Ernährung und vielfältige Bewegung sind ausschlaggebend für ein gesundes Leben. Kinder lernen vor allem durch eigene Erfahrung. Deshalb ist es wichtig, gesunde Gewohnheiten schon bei Kleinkindern zu etablieren. So können sie das entstandene Wissen auch als Erwachsene umsetzen. Von Katja Hanke (SWR 2024) | Manuskript und mehr zur Sendung: http://swr.li/gesundheitswissen-kinder | Bei Fragen und Anregungen schreibt uns: daswissen@swr.de | Folgt uns auf Mastodon: https://ard.social/@DasWissen
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Weitere Infos und Studien gibt’s hier:
- Duschende Elefantin: https://www.cell.com/current-biology/fulltext/S0960-9822(24)01371-X (mit Video)
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Redaktion: Martin Gramlich und Chris Eckardt
Idee: Christoph König
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Nach der Studie eines Forschungsteams der Uni Tübingen und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung könnte der Klimawandel die natürlicherweise in Böden vorkommenden giftigen Metalle mobilisieren und über die Landwirtschaft verstärkt in die menschliche Nahrungskette bringen.
Martin Gramlich im Gespräch mit Marie Muehe, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung