Einen Vitamin-D-Mangel hat jeder zweite Deutsche. Macht das anfälliger für bestimmte Krankheiten? Die Corona-Pandemie hat der Vitamin-D-Forschung einen Schub verpasst. Wie sinnvoll sind die Präparate?
Vitamin D wird mithilfe der Sonne in der Haut produziert
Vitamin D ist den meisten Deutschen bekannt, viele nehmen es abhängig von der Jahreszeit. Im Sommer weniger, im Winter mehr. Denn Vitamin D entsteht durch Sonnenlicht.
Strenggenommen ist Vitamin D ein Hormon, das unsere Haut unter Mitwirkung von ultraviolettem Licht produziert. 80 bis 90 Prozent bildet der Körper in der Haut selbst. Allerdings nur bei direkter Sonnenbestrahlung und ohne Verwendung einer Sonnencreme, betont der renommierte Vitamin-D-Forscher Professor Michael F. Holick von der Universität Boston / USA.
Empfehlung des DKFZ: zwölf Minuten ohne Sonnenschutz
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) empfahl Anfang 2021 nachdrücklich, sich zwei- bis dreimal die Woche für etwa zwölf Minuten im Sonnenschein aufzuhalten: Gesicht, Hände und Teile von Armen und Beinen unbedeckt und ohne Sonnenschutz.
Das fettlösliche Vitamin D stärkt nicht nur unsere Knochen und Zähne. Einige Studien geben Hinweise darauf, dass Vitamin D wichtig für die Herz-Kreislauf-Gesundheit ist. Es scheint auch das Risiko für Diabetes zu senken. Und sogar das für Krebs, wie eine ganz aktuelle Studie des Deutschen Krebsforschungszentrums belegt.
Unterschiedliche Vitamin-D-Grenzwerte je nach Land
Vitamin D wird international in zwei Einheiten gemessen: Nanomol pro Liter oder Nanogramm pro Milliliter. Laut Robert-Koch-Institut gelten in Deutschland folgende Vitamin-D-Grenzwerte:
- Weniger als 12 Nanogramm pro Milliliter deuten auf einen Mangel hin
- Werte ab 20 Nanogramm sind ausreichend
Etwa die Hälfte der Erwachsenen und Jugendlichen in Deutschland hat einen Vitamin-D-Wert von unter 20. In den USA gelten höhere Grenzwerte: Amerikaner sind ab 30 Nanogramm ausreichend versorgt.
Vitamin-D-Überversorgung: Zusammenhang mit Nierenversagen?
Wie viel Zusatzgabe an Vitamin D ist empfohlen? Laut dem US-Forscher Michael F. Holick von der Universität Boston brauchen übergewichtige Menschen bis zu 6.000 Einheiten Vitamin D täglich. Das ist fast acht Mal so viel wie die Empfehlung des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung. Auch die europäische Arzneimittelagentur empfiehlt mehr als in Deutschland üblich, nämlich maximal 4.000 Einheiten Vitamin D täglich. Warum ist Deutschland so zurückhaltend?
Die Biologin und Vitamin-D-Expertin Dr. Anke Ehlers vom Bundesinstitut für Risikobewertung erklärt, dass ab einem Serumspiegel von 50 ng/ml das Risiko für Überversorgung mit möglichen gesundheitlichen Effekten besteht. Ein Vitamin-D-Wert von über 50 Nanogramm pro Milliliter könnte zu "Hyperkalzämie" führen, das ist eine Störung des Kalzium- und Phosphat-Gehalts, die zu Nierenversagen führen kann. Doch das ist umstritten. Andere Institute sehen die Gefahr einer Hyperkalzämie erst bei wesentlich höheren Werten.
Vitamin D: Schutzfunktion gegen Covid-19?
Als sich zu Beginn der Coronapandemie die Indizien häuften, dass ein ausreichender Vitamin-D-Status den schweren Verlauf einer Covid-19 Erkrankung verhindern könnte, zeigte eine Metaanalyse vom Juni 2020, dass ein Vitamin D-Defizit ein möglicher Indikator für den Schweregrad und die Sterblichkeit bei einer Covid-19-Erkrankung ist. Darüber hinaus gäbe es Anhaltspunkte dafür, dass Vitamin D für eine Balance im Immunsystem sorgt, so die Studienautoren.
Aktuell laufen etwa 500 weitere Studien weltweit zu einer möglichen immunologischen Schutzfunktion des Vitamins vor einem schweren Covid-19-Verlauf. Mehrere Studien bewiesen bereits: Je niedriger der Vitamin D-Wert war, desto größer war das Sterberisiko.
Doch die Studienlage zur Wirkung von Vitamin D bei Corona ist insgesamt noch umstritten. Daher sah die deutsche Gesellschaft für Ernährung im Januar 2021 keinen Beleg dafür, dass Vitamin D das Sterberisiko bei Covid-19 senkt oder schwere Verläufe verhindern kann. Sie gab keine Empfehlung, Vitamin D-Präparate einzunehmen.
SWR 2021
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