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Arm trotz Arbeit – Was gegen Erwerbsarmut hilft

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Autor/in
Sonja Ernst
Sonja Ernst
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Candy Sauer

Etwa neun Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland sind von Armut betroffen. Sie haben trotz Arbeit monatlich weniger als 1.250 Euro zur Verfügung. Zu den Working Poor gehören Männer wie Frauen.

Die steigenden Preise für Energie und Lebensmittel sowie teils hohe Mieten werden die Erwerbsarmut vermutlich verstärken, schätzen Fachleute.

Wer gilt in Deutschland als arm?

Armut wird in Deutschland nicht individuell gemessen, sondern abhängig vom Haushalt. In der Statistik wird der Begriff der Armutsgefährdung genutzt – und zwar, wenn Haushalte weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben. Für 2021 hat das Statistische Bundesamt die Armutsgefährdungsschwelle, also das Risiko arm zu werden, so beschrieben:

"Von Armut gefährdet ist eine alleinlebende Person bei rund 1.250 Euro netto im Monat; eine alleinerziehende Person mit einem Kind unter 14 Jahren bei monatlich 1.620 Euro; zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren bei knapp 2.630 Euro im Monat."

Wer ist von Armut betroffen?

2021 lebten 8,6 Prozent aller Erwerbstätigen ab 18 Jahren in einem Haushalt, der von Armut gefährdet war. Sie gelten als erwerbsarm. Dazu zählen Angestellte wie auch Selbständige.

Das Statistische Bundesamt schlüsselt so auf:

"Überdurchschnittlich betroffen waren Erwerbstätige mit befristeten Arbeitsverträgen – nämlich fast 14 Prozent in dieser Gruppe. Ebenso Teilzeitarbeitende – hier lag der Anteil bei gut 11 Prozent. Aber auch gut 6 Prozent der unbefristet Beschäftigten sowie knapp 7 Prozent der Vollzeitbeschäftigten waren erwerbsarm."

2021 waren knapp 15 Prozent aller Personen, die arbeiten und allein leben, erwerbsarm. Und damit deutlich häufiger als Haushalte mit zwei oder mehr Erwachsenen. Kommen Kinder dazu, steigt die Erwerbsarmut. Besonders betroffen sind Alleinerziehende. Ob der Lohn zum Leben reicht – das hängt stark von der Familiensituation ab. Das erklärt auch, warum Männer und Frauen fast gleich häufig von Erwerbsarmut betroffen sind. Frauen verdienen im Schnitt zwar weniger – auch weil deutlich mehr Frauen Teilzeit arbeiten – aber sobald eine zweite Person dazuverdient, ist der Haushalt insgesamt nicht von Armut gefährdet.

Warum wuchs die Erwerbsarmut in Deutschland?

Die Zahl der Erwerbsarmen in Deutschland wuchs vor allem in den Jahren 2004 bis 2014 stark an. Die Soziologin Dorothee Spannagel von der Hans-Böckler-Stiftung führt den Anstieg vor allem auf die Hartz IV-Reformen zurück, die ab 2005 in Kraft traten:

"Das liegt tatsächlich daran, dass im Zuge der Hartz-Reformen und der damit verbundenen Arbeitsmarktpolitik die Politik massiv den Niedriglohnsektor ausgebaut und gefördert hat. Und wer zu Niedriglohn-Bedingungen arbeitet, ist überdurchschnittlich häufig von Erwerbsarmut betroffen."

Zu den Reformen des Arbeitsmarktes, Hartz I bis IV, gehörte auch, dass für die, die keine Arbeit hatten – die Arbeitslosigkeit war zu diesem Zeitpunkt relativ hoch – deutlich mehr Stellen zumutbar wurden. Damit verbunden sei das Paradigma geschaffen worden, dass Arbeit gegen Armut helfe.

Stellenanzeige für eine Reinigungskraft auf Minijob-Basis: Minijobs kennt man in machen Ländern gar nicht. In Deutschland dagegen gibt es 7 Millionen Minijobber, allerdings ist geringfügige Beschäftigung einer der Gründe für Erwerbsarmut: Menschen arbeiten, aber es reicht nicht zum Leben – sie sind arm trotz Arbeit.
Minijobs kennt man in machen Ländern gar nicht. In Deutschland dagegen gibt es 7 Millionen Minijobber, allerdings ist geringfügige Beschäftigung einer der Gründe für Erwerbsarmut: Menschen arbeiten, aber es reicht nicht zum Leben – sie sind arm trotz Arbeit.

Anfang 2023 hat das Bürgergeld das Arbeitslosgengeld II abgelöst. Wenn das Einkommen für den Lebensunterhalt nicht reicht, können Haushalte Bürgergeld ergänzen – also aufstocken. Allerdings: Die Scham, Bürgergeld zu beantragen, ist oft groß, denn wer arbeitet, will unabhängig von Hilfen sein.

Warum sind Menschen in Deutschland trotz Arbeit arm?

Für gerechte Löhne soll der gesetzliche Mindestlohn sorgen. Der gilt seit 2015: Zunächst lag er bei 8,50 Euro brutto die Stunde. Er wurde mehrfach angepasst und beträgt im Frühjahr 2023 12 Euro.

Wer einen Minijob hat – als Kassierer, Küchenhilfe oder Zeitungszustellerin – ist geringfügig beschäftigt und darf im Monat höchstens 520 Euro verdienen oder an maximal 70 Tagen im Jahr arbeiten. Diese Teilzeitjobs sind – was auf der Hand liegt – überdurchschnittlich von Erwerbsarmut betroffen.

Niedrige Löhne bedeuten – in Abhängigkeit vom Haushalt – meist, dass das verdiente Geld nicht reicht. Einen Niedriglohn verdient zum Beispiel die Floristin oder der Taxifahrer, die brutto weniger als 12,50 Euro die Stunde bekommen. Das ist weniger als zwei Drittel des mittleren Verdienstes aller Beschäftigten. In fast jedem fünften Job wurde im April 2023 Niedriglohn bezahlt. Damit hat Deutschland innerhalb der Europäischen Union im Vergleich einen relativ großen Niedriglohnsektor.

Was hilft gegen Erwerbsarmut?

  • Mindestlohn
  • Minijobs beschränken bzw. unattraktiver machen durch geringere Verdienstmöglichkeiten, z.B. statt 520 EUR nur noch 350 EUR
  • Aus- und Weiterbildung

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