Frauen verdienen weniger als Männer, haben weniger Vermögen, weniger Rente. Trotzdem kümmern sich viele nicht um Geld. Woran liegt das? Wie gelingt finanzielle Gleichberechtigung?
Unabhängigkeit durch eigenes Geld
Eigenes Geld zu haben heißt auch: unabhängig sein, Entscheidungen frei treffen können – ohne Rücksicht auf den eigenen Partner zum Beispiel oder die Eltern.
"Eigentlich hätten wir viel früher beginnen sollen" – diesen Satz würden viele Frauen und Männer vermutlich unterschreiben. Denn von finanzieller Gleichberechtigung und Selbstbestimmung ist Deutschland im Jahr 2022 noch weit entfernt.
Gender Pay Gap, Gender Wealth Gap und Pension Gap
Laut Statistischem Bundesamt beträgt die geschlechtsspezifische Lohnlücke, der Gender Pay Gap, 18 Prozent. Das heißt: Frauen verdienen im Schnitt 18 Prozent weniger pro Stunde. Hinzu kommt: Sie arbeiten häufiger in Teilzeit; auch deshalb haben sie weniger Monatseinkommen als Männer.
Auch heute gilt: Männer sind reicher, haben mehr Vermögen und Immobilien. Das nennt man den Gender Wealth Gap. Dazu kommt der Gender Pension Gap: Frauen haben auch weniger Rente zur Verfügung als Männer – und zwar rund 32 Prozent. 2020 bekamen Frauen im Alter rund 800 Euro, Männer fast 1.200 Euro monatlich. In einem Vergleich der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD ist Deutschland damit weltweit Schlusslicht.
Schlechter bezahlte Berufe, Teilzeit, fehlendes Selbstvertrauen
Die Gründe: Frauen wählen noch immer oft schlecht bezahlte Berufe. Sie werden eben nicht Ingenieurin, sondern Altenpflegerin. Wenn die Kinder kommen, steigen sie aus dem Job aus und kehren in Teilzeit zurück. Bei Gehaltsverhandlungen sind sie zögerlicher. Die Folgen: finanzielle Abhängigkeit, prekäre Lebenssituationen vor allem für Alleinerziehende und Altersarmut.
Das Fatale aber ist: Frauen haben nicht nur weniger Geld – sie machen auch weniger daraus. Dies zeigt der s genannte Gender Investment Gap vor allem auch in Deutschland. Zahlen des Deutschen Aktieninstituts zeigen: Frauen investieren deutlich seltener in Aktien als Männer: 2021 gab es 4,3 Millionen Aktionärinnen und 7,8 Millionen Aktionäre.
"Für ein Anlagevermögen brauche es keine riesigen Beträge"
Dabei sind Aktien und Aktienfonds in Zeiten niedriger Zinsen einer der besten Wege, Vermögen aufzubauen und fürs Alter vorzusorgen. Das sei ihr ziemlich schnell klar geworden, als sie anfing, sich mit Geld zu beschäftigen, erzählt Finanzbloggerin Natascha Wegelin alias Madame Moneypenny.
"Für ein Anlagevermögen brauche es keine riesigen Beträge", sagt Wegelin. Schon mit 25 Euro monatlich lasse sich ein Aktiensparplan für einen ETF einrichten. ETF sind börsengehandelte Fonds, die die Entwicklungen eines Aktienindex abbilden. Das heißt: Anlegerinnen investieren nicht in die Einzelaktie eines Unternehmens, sondern in die vieler Firmen. Je früher die Frauen mit solchen Investments anfangen, desto länger haben sie Zeit, sich ein finanzielles Polster anzusparen.
Verunsicherung vergrößert die Wissenslücke
Tabea Bucher-Koenen untersucht am Mannheimer Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) das Finanzwissen von Frauen und Männern. Sie beobachtet, dass es zwischen Männern und Frauen zwar eine echte Wissenslücke im Finanzwissen gibt, diese jedoch vergrößert wird, weil es den Frauen an Selbstbewusstsein fehlt.
Bucher-Koenens Forschungen zeigen auch: Der Unterschied im Finanzwissen ist nicht auf die „ältere Generation“ begrenzt, die möglicherweise noch stärker in Rollenbildern verhaftet ist. Sie besteht auch zwischen jüngeren Frauen und jüngeren Männern.
Frauen erzielen an der Börse die gleichen Gewinne wie Männer
Wenn Frauen aktiv werden beim Thema Geld, machen sie das nicht schlechter als Männer. Nur anders. So investieren Frauen zum Beispiel häufiger in Aktienfonds als in Einzelaktien, also in Papiere einzelner Unternehmen, sagt die Mannheimer Wirtschaftswissenschaftlerin Alexandra Niessen-Ruenzi.
Frauen handeln zwar weniger risikoavers, im Durchschnitt aber sieht man keine großen Unterschiede in der Performance von Männern und Frauen, so Niessen-Ruenzi. Das heißt: Die Rendite ist bei Anlegerinnen und Anlegern in etwa gleich gut.
Allerdings investieren Frauen oft in andere Produkte, Bereiche und Unternehmen: Sie stecken ihr Geld lieber in nachhaltige Anlagen. Alexandra Niessen-Ruenzi gibt deshalb zu bedenken: Wenn sich Frauen häufiger am Kapitalmarkt beteiligen, dann habe das auch gesamtgesellschaftliche Auswirkungen auf die Zukunft.
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