Eröffnungskonzert mit Werken von Pierluigi Billone und Wolfgang Rihm
Nach der fulminanten Startspielpleite nun das Eröffnungskonzert mit Billone und Rihm. Phonogliphi heißt Billones Stück für Fagott, Stimme und Orchester. Schon alleine der Ausdruck "Satelliten-Fagott", der gemäß Einführungstext die vier im Orchester verteilten Fagottisten meint, macht das Stück zu einem Hit, während die Einführung Ulrich Moschs zu Rihms Sprössling – man könnte auch von einem aufgekochten Wochenrückblick sprechen – einem mit seinem archäologischen Gestus schon jede Lust am Hören vorweg abwürgt, ein musikwissenschaftlicher Text par excellence, der letztlich nur Rechenschaft über des Forschers Eifer im Archiv ablegt, statt über Musik zu sprechen. Soweit die Textmaterie.
"Phonogliphi", es liegt nahe, ist das Fagott-Werden der Stimme und das Stimme-Werden des Fagotts. Dieses Werden vollzieht sich nach Deleuzianischer Vorgabe nicht als eine Bewegung von A nach B, also einer Transformation von einem klar definierten Zustand zu einem neuen, sondern als eine unendliche Annäherungsbewegung zweier Pole an eine Linie der Ununterscheidbarkeit. Man kann verschiedene Serien ausmachen, die sich hin zu ebensolchen Indiszernibilitätspunkten entfalten; Kettenrassel-Serie, vom zu Beginn einsetzenden Trommelrasseln über das Grollen des Fagott zum Stimmgurgeln Alda Caiellos; Gemurmel-Serie vom engen, hintergründigen Schlenkern des Fagotts über die Vokalglossolalie zum Wirbel; Serie der Stille – zwischen dem Bruch, der eine Zeitleere in eine kontinuierliche Bewegung schlägt, bis hin zur Pause, die eine Rede artikuliert, indem sie eine sich intensivierende Einheit beschließt und nachklingen lässt; wie der Sinn eines Wortes die darauf folgende Stille in Spannung hält, verklingt eine Rasseleinheit, ein Intensitätsblock, im leisen Nachhall des Glockenspiels. Eine reduzierte, durchsichtige Komposition mit schöner Dramaturgie, die von den immer neuen Konstellationen lebt, in denen sich die wenigen, sich fortlaufend differenzierenden Elemente gegenseitig zurechtrücken.
Was herrscht dagegen für eine Biederkeit bei Rihm; domestizierte Affekte, ein bisschen tänzelndes Geflapse, Gesten über Gesten, aufgesetzte Innigkeit, schwellende Brust, Schicksalsglocken, angekündigte Ausbrüche, vermittelte Wechsel... Kann man sich weiter von der Abgründigkeit und rohen Gewalt von Artauds Schreiben entfernen als mit diesem muffigen Wulst von Arpeggi, Auftäktchen, Jägerhornidyllen und gesittetem Radadam?
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- Themen in diesem Beitrag
- Orchester- Ensemblekonzert, Pierluigi Billone, Wolfgang Rihm, Séraphin Sinfonie für Ensemble und großes Orchester, Phonogliphi für Stimme, Fagott und Orchester
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