Kunst gegen Rechts

Wenn Kunst politisch wird: Wie rechtsextreme Attentate in Kunst und Kultur Spuren hinterlassen

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Autor/in
Andreas Langen
Andreas Langen, Autor und Redakteur, SWR Kultur

Kunst kann Politik, aber anders. Wenn sie gesellschaftliche Problemzonen beleuchtet, entstehen oft neue Perspektiven – etwa auf Rechtsextremismus in Deutschland.

Krisen in Politik und Gesellschaft sind von jeher Stoff für die Kunst: Schon die alten Griechen verhandelten Mord und Totschlag auf der Bühne.

Auch heute reagieren viele Kunstschaffende auf gesellschaftliche Probleme, wie sie im Fahrwasser des grassierenden Rechtsrucks um sich greifen. So etwa Paula Markert, deren Fotoarbeiten zur Mordserie des NSU derzeit im Stadthaus Ulm zu sehen sind.

Wir stellen fünf weitere Beispiele zu künstlerischen Projekten über Rechtsextremismus in Deutschland vor:

Ausstellung: „Three Doors“

Initiative in Gedenken an Oury Jalloh, 17 Jahre selbstorganisierte Aufklärung im Fall Oury Jalloh, 2022 (Videostill)
Reproduktion der Zelle und der potentiellen Verbrennung von Oury Jalloh im Dessauer Polizeigewahrsam (Videostill).

Die multimediale Ausstellung „Three Doors“ im wkv Stuttgart nimmt den Anschlag von Hanau und den Tod von Oury Jalloh in Dessauer Polizeigewahrsam in den Blick und ist bis zum 1. September 2024 zu sehen.

Bürgerinitiativen, Angehörige der Opfer, Architekten und Künstler untersuchen gemeinsam die Vorgänge und die staatlichen Erklärungen dazu. Beteiligt ist Forensic Architecture, ein internationales Kollektiv, das Gewalttaten mit neuesten Technologien der Raum- und Architekturanalyse untersucht, unter anderem auf der Kunst-Biennale Venedig.

Literatur: „Der Tag, an dem ich sterben sollte“ von Said Etris Hashemi

Ein Buch als Manifest von Widerstand und Überleben: Said Etris Hashemi überlebte den Anschlag von Hanau schwer verletzt, während sein Bruder neben ihm starb.

Hashemi schildert seine Migrantenkind-Jugend in Deutschland und seziert den allgegenwärtigen Rassismus. Es ist eine glasklare Analyse und ein erschütterndes Dokument in einem. Der WDR nennt es ein Buch, das Pflichtlektüre im Schulunterricht werden sollte.

Die ausführliche Buchkritik:

Aktionskunst: Zentrum für politische Schönheit: „SoKo Chemnitz“

Fahndungsplakat des Zentrums für politische Schönheit, im Rahmen der Kunstaktion "SOKO Chemnitz".
Fahndungsplakat des Zentrums für politische Schönheit im Rahmen der Kunstaktion „SoKo Chemnitz“.

Im Sommer 2018 hatte ein rechter Mob in Chemnitz Menschen durch die Stadt gehetzt. Danach rief das Zentrum für politische Schönheit (ZfpS) zur „größten Entnazifizierung seit 1945“ auf: Mittels Bilderkennung sollten die Teilnehmer des Aufruhrs identifiziert und bei ihren Arbeitgebern denunziert werden, auch mit Fahndungsfotos online.

Die Aktion war, wie meist beim ZfpS, höchst umstritten. Im Dezember 2018 stürmte die Polizei das Projektbüro in Chemnitz und beendete die „SoKo Chemnitz“.

Film: „Schuss in der Nacht – Die Ermordung Walter Lübckes“

Hauptdarsteller Robin Sondermann in der Rolle des Mörders von Walter Lübcke, in „Schuss in der Nacht“.
Hauptdarsteller Robin Sondermann in der Rolle des Mörders von Walter Lübcke in „Schuss in der Nacht“.

Das Fernsehfilm-Dokudrama von Raymond Ley mit Joachim Król, Katja Bürkle, Robin Sondermann „Schuss in der Nacht – Die Ermordung Walter Lübckes“ von 2020 kombiniert dokumentarisches Material mit Spielszenen.

Podcast-Folge „Sprechen wir über Mord?!“ über rechtsextreme Mörder:

Rechte Killer — Vom Fall Erzberger zum Fall Lübcke

„Sprechen wir über Mord“ erinnert an zwei denkwürdige politische Attentate von rechts. Den Morden an Matthias Erzberger und Walter Lübcke gingen jahrelange Hetzkampagnen voraus. Über Hintergründe, Zusammenhänge und Kontinuitäten rechter Gewalt diskutieren Thomas Fischer und Holger Schmidt mit Wolfgang Zimmermann vom Generallandesarchiv Karlsruhe und der Gerichtsreporterin Heike Borufka.

Es entsteht eine eindrucksvolle Collage, die tiefe Einblicke gibt in deutsche Wirklichkeiten: Fremdenfeinde gegen Demokraten, Angstmache gegen Vernunft, Mord gegen Menschlichkeit.

Theater: „Der Reichsbürger“, Monolog von Annalena und Konstantin Küspert

Tobias Gondolf in „Der Reichsbürger“, Badische Landesbühne.
Tobias Gondolf in „Der Reichsbürger“ an der Badischen Landesbühne.

Ein vermeintlich sympathischer Protagonist spricht über Freiheit und autonomen Lebensstil. Er empfiehlt Unabhängigkeit mittels regionaler Produkte und driftet langsam ab in Verschwörungstheorien und Demokratiefeindlichkeit.

Ein Stresstest fürs Publikum, der die fiese Frage stellt: Wie viel Reichsbürger steckt in uns allen? Derzeit steht das Stück auf den Spielplänen der Badischen Landesbühne und des Pfalztheaters Kaiserslautern.

Theaterkritik zur Inszenierung am Pfalztheater Kaiserslautern:

Mehr zum NSU

Fotoausstellung in Ulm Bilder des Terrors: Paula Markerts Deutschlandreise zeigt Tatorte des NSU

Die Fotografin Paula Markert hat Jahre lang zum Thema Rechtsterrorismus gearbeitet. Ihr Projekt „Eine Reise durch Deutschland. Die Mordserie des NSU“ ist im Stadthaus Ulm zu sehen.

SWR2 am Morgen SWR2

ARD Radio Kulturnacht Saal 101 – Dokumentarhörspiel zum NSU-Prozess in 24 Teilen

Das Hörspiel basiert auf einer Sammlung von Protokollen der ARD-Gerichtsreporter und eröffnet ein facettenreiches und differenziertes Bild des NSU-Prozesses jenseits der Schlagzeilen.

ARD Radio Kulturnacht (bis 2 Uhr) SWR2

Mehr zum Anschlag von Hanau

Ein Jahr nach dem rassistischen Anschlag Hanau kämpft gegen das Vergessen: Opfer und Überlebende erzählen

Neun junge Menschen mussten vor einem Jahr sterben. Ein rassistischer Attentäter hat sie in wenigen Minuten erschossen. Wir wollen an die Opfer erinnern.

Gespräch Über den Anschlag von Hanau – Die Politologin Naika Foroutan

Die rassistischen Morde von Hanau sind kein Ereignis, in dem irgendetwas kulminiert, sondern eines, das sich einschreibt in ein Kontinuum, so die Politologin Naika Foroutan. 

SWR2 Tandem SWR2

Mehr zum Mord an Walter Lübcke

Gespräch Die Wirklichkeit im Dokudrama nacherzählen - Regisseur Raymond Ley

Regisseur Raymond Ley befasst sich mit brisanten Stoffen der Gegenwart, wie dem Mord an Walter Lübcke oder dem Wirecard-Skandal. Seine Dokufiktion soll Hintergründe erhellen.

SWR2 Tandem SWR2

#Extremland: STRG_F über den Mordfall Walter Lübcke

Die Dokumentation basiert auf den Verhörprotokollen und Videodokumenten aus der Vernehmung von Stefan E., dem der Mord am Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke vorgeworfen wird. Ein besonderer Fokus ist E.s Radikalisierung zum Rechtsterroristen.

Mehr zum Thema Reichsbürger

SWR2 Leben Königreich Deutschland – Wie Peter Fitzek seine Anhänger rekrutiert

Peter I. heißt eigentlich Peter Fitzek. Im Königreich Deutschland verspricht der Reichsbürger seinem Gefolge den Ausstieg aus der Bundesrepublik. Von Ernst-Ludwig von Aster

SWR2 Leben SWR2

Mehr zu rechtsextremen Attentaten in Deutschland

das ARD radiofeature Mordfall Yeboah – Doku über die späte Verfolgung rechter Gewalt

Samuel Yeboah stirbt 1991 bei einem Brandanschlag. 30 Jahre später wird ein Neonazi verhaftet. Wurde auch bei weiteren Brandanschläge unzureichend ermittelt, rechte Gewalt bewusst kleingeredet?

SWR2 Feature SWR2

Kriminalität V-Leute – Die zwielichtigen Helfer des Rechtsstaats

V-Leute helfen dem Verfassungssschutz, islamistische, linksextreme oder Neonazi-Milieus zu beobachten. Doch immer wieder verfolgen sie eigene Ziele und treiben ein doppeltes Spiel.

SWR2 Wissen SWR2

Sicherheit Rechtsextreme in Uniform – Rassismus bei Polizei und Justiz

Polizisten dürfen nicht aus Sympathie mit Rassisten und Rechtsextremisten deren Gewalttaten decken. Dass es so sein könnte, zeigen die Ermittlungsfehler im NSU-Komplex und zum Attentat von Hanau am 19. Februar 2020.

SWR2 Wissen SWR2