Durch Ersatzzahlungen für Windräder konnten in der Vulkaneifel 27 Naturschutzprojekte realisiert werden, das letzte ist vor Kurzem gestartet. Geld ist immer noch im Topf.
"Wow. Jetzt bin ich grad selbst überrascht. Das ist eine blauflügelige Ödlandschrecke." Das Insekt, das Gerd Ostermann gerade vorsichtig gefangen hat, sieht unscheinbar und grau aus. "Wenn sie aber fliegt oder springt, breitet sie ihre Flügel aus und die Unterseiten sind stahlblau. Ich lass sie mal springen. Oh, das war toll." Dass der Agraringenieur so begeistert sein kann, liegt daran, dass der Vulkanpark Steffeln, in dem er gerade steht, so ein erfolgreiches Projekt ist.
Seit 2018 weiden dort Ziegen und bewahren die ehemalige Grube für Lava-Abbau davor, zuzuwachsen. Denn die Grube ist wertvoll für den Naturschutz und bietet mit ihren Felswänden, Hecken, Magerrasen und Sandflächen vielen Pflanzen und Tieren wie der Heuschrecke einen Lebensraum. "Die Ziegen leisten ihre Arbeit hier hervorragend. Das Gebiet hat sich besser entwickelt, als ich ursprünglich dachte", sagt Ostermann.
Das Naturschutzprojekt ist eines von 27 in der ehemaligen Verbandsgemeinde Obere Kyll (heute aufgegangen in der VG Gerolstein), die Ostermann als Projektleiter seit 2017 betreut. Das Geld dafür stammt aus Ersatzzahlungen für die vielen Windräder, die in der Region stehen. Aber auch für Strom- und Mobilfunkmasten. Dass sie vor allem durch ihre Höhe in das Landschaftsbild eingreifen, kann nicht ausgeglichen werden, sagt Ostermann: "Man kann nicht, wenn man ein Windrad aufstellt, dafür woanders einen Strommast abreißen."
Also muss pro Meter Windrad Geld gezahlt werden. Das verwaltet in Rheinland-Pfalz seit 2015 die Stiftung Natur und Umwelt. "Weil 2015 und 2016 viele Windräder aufgestellt wurden, war eine Menge Geld im Topf. Die damalige Verbandsgemeindebürgermeisterin sagte: Das Geld müssen wir doch irgendwie wieder zurück in die Region bekommen", berichtet Ostermann.
1,2 Millionen Euro für Naturschutzprojekte
Kreis, Verbandsgemeinde und Stiftung haben sich damals also zusammengesetzt: "Wir haben dann eine große Hausnummer draus gestrickt. Also nicht nur ein kleines Projekt mit zwei Flächen, sondern wir haben direkt groß gedacht." Für ursprünglich 35 geplante Projekte hat die Stiftung 1,2 Millionen Euro bewilligt.
Das erste Projekt war damals der Vulkanpark in Steffeln, der zu dieser Zeit stark mit Weiden und anderen Gehölzen zugewachsen war. Seitdem stehen die Ziegen dort und können sich innerhalb eines Zaunes mit Strom auf mehr als sechs Hektar frei bewegen: "Strom hält die Tiere auf, alles andere bekommen sie kaputt randaliert." Am liebsten lägen sie auf den Felsen. Sind sie einmal krank, kümmert sich ihr Halter um sie. Er versorgt sie außerdem mit Wasser und Mineralien, erzählt Gerd Ostermann.
Die Ödlandschrecke und auch Pflanzen wie verschiedene Kleearten und der Natternkopf seien Indikatoren, dass hier jetzt alles stimmt: "Das sind Magerrasenarten, die genau hierhin gehören. Sie zeigen, dass diese Flächen warm, sonnig, trocken sind und genau diese Arten profitieren von dem Offenhalten des Geländes durch die Ziegen."
Letztes Projekt im August gestartet
An anderer Stelle, nämlich auf einem 2,7 Hektar großen Gebiet im Stadtkyller Ortsteil Schönfeld, erledigen diese Aufgabe seit Anfang August Schafe. Auch hier wurde einst Lava abgebaut, die Grube ist danach langsam zugewachsen. Ein Teil ist privat, ein größerer Teil gehört der Ortsgemeinde – auch bei diesem letzten Projekt ist das Prinzip, das Gelände offenzuhalten. Davon profitieren wärmeliebende Insekten, Vögel und Pflanzen, sagt Ostermann.
Im Gegensatz zur Lavagrube in Steffeln gebe es hier noch nicht das große Problem mit Büschen und Ähnlichem: "Hier schaffen die Schafe das. Sie können Gras und Kräuter besser fressen und müssen nicht so viel an den Gehölzen rumknabbern." Auch hier wurde ein Zaun für die etwa 30 Tiere gebaut, die von April bis Oktober hier weiden sollen.
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Fünf der ursprünglich geplanten 35 Projekte konnten nicht umgesetzt werden, weil die privaten Besitzer ihre Flächen nicht verkaufen wollten oder die Besitzer einfach nicht ermittelt werden konnten, so Ostermann. Aber bei drei anderen Projekten hätten die Besitzer ihre Grundstücke zwar nicht verkaufen wollen, hätten die Maßnahmen aber trotzdem auf eigene Kosten umgesetzt. Indem sie zum Beispiel Bachauen von Fichten befreit haben.
Naturschutz mit Beton
Ein weiteres der Projekte, die über die Jahre nach und nach abgearbeitet wurden, ist bei Ormont entstanden: Hier, nahe der belgischen Grenze, verlief im Zweiten Weltkrieg der Westwall. Eine militärische Verteidigungslinie unter anderem mit Höckern aus Beton, die Panzer abhalten sollten. Auch nach dem Krieg standen die Höcker kilometerlang herum.
"Es war sehr aufwendig, sie zurückzubauen. Also hat man sie in den meisten Fällen einfach der Natur überlassen. Mittlerweile sind sie Kulturdenkmal und dürfen nicht entfernt werden." In manchen Fällen wurden dort auch Fichten angepflanzt, erklärt Ostermann: "Weil man noch irgendwie etwas Produktives herausholen wollte." Dadurch konnten aber kaum andere Pflanzen dort wachsen. Im durch die Windradgelder geförderten Projekt wurden die Fichten beseitigt.
Jetzt wird die Höckerlinie zu einem naturnahen Laubgehölzstreifen mit Weiden, Ebereschen, Kirschen, Hartriegel, Holunder, Eiche, Buche, Feldahorn, Ginster, Brombeeren: "Hier haben wir eine ideale Kombination aus dem Kulturdenkmal, einem Denkmal des Schreckens, und ökologischen Ruhezonen. Mit Beton Naturschutz betreiben, sozusagen."
Ehemalige Bunker: Lebensraum für Fledermäuse und Wildkatzen
Und die Bunker des Westwalls haben heute auch etwas Gutes: Die meisten wurden zwar nach 1945 gesprengt. In Ormont wurde einer aber stehen gelassen, um als Wasserreservoir genutzt zu werden. Als das vorbei war, lag der Bunker brach: "Die Türen standen offen und jeder konnte hinein", sagt Ostermann.
Im Rahmen des Naturschutzprojektes wurden Gitter angebracht – Menschen kommen nicht mehr rein, Fledermäuse aber schon. Denn das Innere des Bunkers wurde für die Tiere optimiert: Lochziegel hängen an der Decke, sodass die Fledermäuse dort im Winter mehr oder weniger frostsicher überleben können. Im Inneren hängt ein Sensor, mit dem erhoben werden kann, wie viele Fledermäuse die neue Unterkunft nutzen.
Und auch die gesprengten Bunker nutzen heute der Natur: Man wisse, dass ein solcher im Wald bei Hallschlag von Wildkatzen genutzt werde. Auch dort wurden Fichten beseitigt und zum Beispiel Reisighaufen aufgeschüttet: "Das ist für Dachse, Füchse und eben für Wildkatzen ein idealer Lebensraum." Denn die gesprengten Betonteile des Bunkers lägen kreuz und quer durcheinander. In den Hohlräumen, die so entstanden sind, können die Tiere sich verstecken.
Noch Geld im Topf
Mit der Schafweide in Schönfeld ist in diesem Jahr zwar das letzte Projekt der Reihe gestartet. Es ist aber bewusst noch Geld übrig. Dafür nämlich, um die Maßnahmen weiter zu erhalten. Und das mindestens bis 2034. Laut Stiftung Natur und Umwelt stehen noch knapp 400.000 Euro zur Verfügung. Und die werden auch benötigt, sagt Gerd Ostermann: "Wenn zum Beispiel ein Zaun repariert oder eine Wiese gemäht werden muss. Laubbäume, die angepflanzt wurden, müssen gepflegt werden. Nachwachsende Fichten hingegen müssen rausgenommen werden."
Zwar sind die 27 Projekte in der ehemaligen Verbandsgemeinde Obere Kyll explizit für den Naturschutz entstanden. Sie haben aber auch einen Nebeneffekt: Touristen würden zum Beispiel gern durch den Vulkanpark in Steffeln wandern. Der lässt sich nämlich durch selbstständig schließende Tore betreten.
Wanderwege, die schon vorher existierten, wurden in das neue Beweidungsprojekt integriert, sagt Ostermann: "Hier ist manchmal sehr viel los. Die Besucher können durch das Gelände streifen und sich den Ziegen nähern. Aber ich glaube, die Ziegen haben nicht so viel Interesse an den Touristen."