In der Industrialisierung wurde er begradigt, was Tiere und Menschen ferngehalten und Hochwasser begünstigt hat - jetzt ist der Hillesheimer Bach zurück in seinem historischen Bett.
Die Sonne scheint, das friedlich vor sich hin plätschernde Wasser des Hillesheimer Bachs glitzert, Kinder spielen an und im Wasser - die Eifelstadt Hillesheim kann sich an diesem Sonntag wieder in diese Idylle verwandeln, die es vorher hundert Jahre nicht gab.
Denn der zweite Bauabschnitt der Renaturierung des Baches ist abgeschlossen und wird nun feierlich eingeweiht. Vorher war der Bach schnurgerade durch sein künstliches Bett geschossen und hatte oft den Hillesheimer Stadtteil Bolsdorf überschwemmt.
Während der Industrialisierung war der Bach nämlich als Abwasserkanal genutzt worden. Damit das stinkende Abwasser schnell aus der Stadt abläuft, wurde der Bach begradigt und teilweise auch durch Rohre geleitet.
"Bis der Gedanke aufkam: Man kann das so nicht lassen, man muss Abwässer klären. Dann kam der Boom der Kläranlagen. Und dann hat man sich gedacht: Es ist ein Naturbach, dem geben wir wieder sein natürliches Bett zurück“, erklärt Jürgen Mathar, der als Bauingenieur die jetzige Renaturierung für die Kommune gemeinsam mit einem Fachbüro koordiniert hat.
Vorteile für Natur und Hochwasserschutz
Denn das alte Bachbett wiederherzustellen, also zu renaturieren, habe gleich mehrere Vorteile: Die Rohre, durch die der Bach vorher geleitet wurde, haben Fische, Amphibien und Insekten daran gehindert, sich am und im Wasser anzusiedeln, sagt Mathar: "Vor der Industrialisierung war es normal, dass ein Fisch im Bach war. Und dann gab es da 100 Jahre keinen Fisch. Das Zurück zur Natur jetzt hat für die gesamte Flora und Fauna riesige Vorteile."
Der erste Bauabschnitt, der etwa 2014 begonnen wurde, habe zudem einen weiteren großen Vorteil: In Bolsdorf stehen die Menschen nicht mehr bei jedem Starkregen bis zu den Knien im Wasser, weil das aus der versiegelten Innenstadt in den Stadtteil donnert. Bis auf die Jahrhundertflut 2021 hätten alle Hochwasser seit 2016 dort abgemildert werden können.
Neben dem See am Eingang zum Naherholungsgebiet Bolsdorf wurde nämlich ein Rückhaltebecken geschaffen. 7.500 Kubikmeter Wasser kann es fassen, wenn See und Bach überlaufen, sagt Mathar. Darin haben sich zudem ganz von selbst Schilf, Weiden, und Stauden angesiedelt, sodass es sich nahtlos in die Auenlandschaft einfügt: "Da haben wir die Natur den Meister sein lassen und schöner kann es nicht werden."
Hohe Förderung für Bach und Spielplatz
So viel Gutes für die Natur wird vom Land gefördert. Die Förderquote der "Aktion Blau Plus", des Programms zur Gewässerentwicklung in Rheinland-Pfalz, das in Hillesheim greift, ist immens hoch, sagt Mathar. Sie liegt bei 90 Prozent: "Und zwar für alle förderfähigen Teile. Und die enden nicht am Bachufer, sondern gehen auch in die Auen und die Stadt rein.“
Das bedeutet, dass in Hillesheim mit der Förderung entlang des Bachs auch Sportgeräte für Jung und Alt, ein Spielplatz und eine Wasserspielanlage entstanden sind. "Das ist natürlich für die Kommunen höchst interessant, weil nicht nur der Bach etwas davon hat, sondern auch die Kinder, die Schulen, alle. Das ist eine Win-Win-Situation", freut sich Mathar. Sonst könnten sich die Gemeinden die Renaturierung vermutlich nicht leisten.
Die 720.000 Euro für den ersten Bauabschnitt und die 1,6 Millionen Euro für den jetzt fertig gestellten zweiten Bauabschnitt, der an der alten Stadtmauer entlang bis an die Innenstadt reicht, wurden also fast vollständig vom Land übernommen.
Kinderspielidylle Hillesheimer Bach
Aber nicht nur die neuen Spielgeräte laden Kinder zum Spielen ein, erklärt Mathar: "Vorher lief der Bach hier fast soldatisch streng und grade vorbei." Jetzt habe er mehrere Arme, Ruhezonen, Tümpelungen, Stein- und Kiesinseln. "Und auf einmal spielen auch die Kinder darin. Früher hat da kein Kind drin gespielt. An so einem, na ja, relativ kanalisierten Bach kann man nicht spielen. Das Wasser war schnell, das war unangenehm. Hier ist jetzt eine Spiellandschaft."
Rund um den Bach ist ein Auenland entstanden, also flache Erde mit Pflanzen, wohin sich der Bach bei Hochwasser ausbreiten kann: "Der Bach sucht sich bei Hochwasser seine Wege selbst. Mal mehr hier, mal mehr da. Vor allem geht er in die Breite, was den Abfluss nach Bolsdorf stark mindert."
Keine Nachteile durch Renaturierung
Auch auf EU-Ebene will man durch Renaturierungen mehr für die Umwelt und den Klimaschutz tun, indem Flussauen, Moore und Flüsse renaturiert werden. Laut dem Renaturierungsgesetz soll bis 2030 für 20 Prozent der Flächen und Meeresgebiete eine Renaturierung in die Wege geleitet werden. Daran gibt es aber auch Kritik, weil den Maßnahmen landwirtschaftliche Flächen zum Opfer fallen könnten.
In Hillesheim gibt es dieses Problem nicht, sagt Mathar. Es habe nur Unannehmlichkeiten gegeben, weil der zweite Bauabschnitt bis in die Stadt hinein reicht. Es gab Bauzäune zwischen den Hillesheimer Schulen. Der Radweg und der Eifelsteig mussten umgelegt werden. "Aber jetzt im Endergebnis kann man nicht sagen: Dem Bach geht es besser, aber dafür geht es irgendwo anders schlechter."
Bach besser gegen Hochwasser gewappnet
Im Gegenteil: Es konnten sogar die alten Rohre aus der Zeit als Abwasserkanal anderweitig genutzt werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg lag teilweise Kriegsschutt über dem Bach und darauf sei der Sportplatz für Hillesheim gebaut worden. Deshalb konnte das ursprüngliche Bett hier nicht mehr ganz wiederhergestellt werden.
Aber: Der Bach wird jetzt teilweise in einer geraden, kurzen Linie unter dem Sportplatz hergeleitet, der Rest ist wieder in seinem alten, mäandernden Bett daneben. Das verlängere den Bach um 120 Meter, was ebenfalls bei Hochwasser entlaste. Und das könne durch die alten Kanalrohre direkt in das neue Rückhaltebecken geleitet werden.
"Auch das ist eine Win-Win-Situation", kommentiert Bauingenieur Jürgen Mathar. Und die wird am Sonntag von der Stadt Hillesheim mit einem Einweihungsfest für alle interessierten Bürgerinnen und Bürger gefeiert.
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