Wer einen neuen Hausarzt sucht, hat oft schlechte Karten. Auch in der Region Trier sind viele Hausarztpraxen überlastet. Und die Lage verschärft sich immer weiter.
Viele Ärztinnen und Ärzte schauen deshalb am Dienstag gespannt nach Berlin. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) trifft sich dort mit Vertretern der Branche zum Krisengipfel. Dort soll es um die Probleme in der ambulanten Gesundheitsversorgung gehen. Um die zu meistern fordern unter anderem niedergelassene Ärztinnen und Ärzte eine bessere Bezahlung.
Heidi Weber ist Hausärztin in Bitburg und Vizevorsitzende des Hausärzteverbandes Rheinland-Pfalz. SWR Aktuell hat mit ihr über die Situation der Hausärzte gesprochen.
SWR Aktuell: Wie steht es Ihrer Ansicht nach derzeit um die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum?
Heidi Weber: Der Eifelkreis Bitburg-Prüm, in dem ich eine Praxis habe, ist derzeit beispielsweise ein unterversorgtes Gebiet. Das heißt, es besteht eine sehr große Diskrepanz zwischen der Anzahl der besetzten Hausarztpraxen und der Patienten, die versorgt werden müssen. Wir haben also sehr viele Patienten, die Hausärzte suchen und momentan keinen finden.
Die Praxen sind deutlich belastet - die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben jeden Tag Grenzsituationen, in denen sie Versorgungsanfragen ablehnen müssen, da ihre Kapazitäten vollkommen ausgeschöpft sind.
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Täglich werden Patienten abgelehnt
Selbst im Bereich der Stadt Trier und dem Umland ist es mittlerweile so, dass die Kolleginnen und Kollegen mehrfach täglich Patienten ablehnen müssen, weil sie einfach nicht die Kapazitäten haben, neue anzunehmen. Und die Lage wird nicht einfacher. Denn allein im Eifelkreis werden in den nächsten zehn Jahren 50 Prozent der noch derzeit tätigen Kolleginnen und Kollegen in Rente gehen.
SWR Aktuell: Um auf die Überlastung und Unzufriedenheit der Hausärztinnen und Hausärzte aufmerksam zu machen, hatten Ärzteverbände zwischen den Jahren dazu aufgerufen, Hausarzt- und Facharztpraxen geschlossen zu halten. Warum haben Sie sich nicht an dem Streik beteiligt?
Heidi Weber: Wir sehen in einem Streik als Hausärztinnen- und Hausärzteverband nicht unbedingt ein probates Mittel, um Sachthemen zu transportieren. Man kann sich aufregen, ja, aber damit haben wir ja nichts verbessert. Und die Patientinnen und Patienten, die zwischen den Jahren dann unversorgt waren, die leiden sowieso darunter. Unsere Patienten wissen, dass wir darum kämpfen, dass wir einen zusätzlichen Versorgungsauftrag und junge Mediziner bekommen und dass wir ausgebildete Fachkräfte in den Praxen haben. Da ist ein Streik für mich nicht das richtige Mittel.
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Weniger Leistungen in den Praxen
SWR Aktuell: Sollte sich in naher Zukunft nichts an der derzeitigen Situation ändern, welche Folgen hat diese Entwicklung Ihrer Ansicht nach für die Versorgung der Patientinnen und Patienten?
Heidi Weber: Wir werden Dinge nicht mehr übernehmen können, die wir bis jetzt wirklich gerne machen, darunter fallen beispielsweise die Hausbesuche. Auch die intensive Versorgung in der Praxis wird schwieriger werden und wir werden da sicherlich Einschränkungen haben. Wichtig ist, dass die Notfälle - die dringlichen Anfragen - direkt abgearbeitet werden können, damit keiner zu Schaden kommt.
Entlastung für Ärztinnen und Ärzte
SWR Aktuell: Welche Lösungen gibt es, um einen Weg aus der Krise zu finden?
Heidi Weber: Meiner Ansicht nach ist eine der Lösungen die Teampraxis. Wir praktizieren das bei uns bereits so. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind gut qualifiziert. Dies ermöglicht die Delegation von Aufgaben. Das bedeutet, dass beispielsweise Routineuntersuchungen oder klar definierte technische Untersuchungen, wie zum Beispiel Gefäßuntersuchungen oder Ultraschalluntersuchungen bestimmter Organe, nicht mehr vom Arzt selbst durchgeführt werden müssen.
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Mehr Verantwortung für Mitarbeitende
Auch das Überleitungsmanagement nach Krankenhausaufenthalten, die Einleitung von Versorgungsmaßnahmen, Wundmanagement und Hilfestellung bei der Beantragung von Pflegeleistungen sind Bereiche, in denen solche speziell geschulten Praxismitarbeiterinnen und Praxismitarbeiter eine wertvolle Unterstützung sind.
Gut wäre, wenn sie in Zukunft auch bei Routine-Hausbesuchen eingesetzt werden könnten. Grundvoraussetzung ist auch hier, dass sämtliche Tätigkeiten unter finaler ärztlicher Verantwortung stehen. Das bedeutet, dass Diagnosestellung und Therapieeinleitung nach wie vor unverändert in ärztlicher Hand bleiben.
Letztendlich müssen wir für die Zukunft im ländlichen Raum Strukturen anbieten, die jetzt initialisiert werden können. In zehn Jahren, wenn von den jetzt noch praktizierenden Kolleginnen und Kollegen die Hälfte in Rente gegangen ist, können wir nicht anfangen, zu überlegen, wie es weiter gehen soll.
Synergien besser nutzen
SWR Aktuell: Was ist Ihr ganz persönlicher Wunsch, um die Patientinnen und Patienten besser versorgen zu können?
Heidi Weber: Mein Wunsch wären zwei oder drei junge Mediziner, die sich mit anderen Praxen hier zusammenschießen, dass wir ein Hausärztehaus hätten, wo wir uns gegenseitig auch vertreten können. Momentan arbeiten hier alle noch in Einzelpraxis, und damit können wir die Synergien nicht wirklich nutzen.
Forderung nach mehr Geld
SWR Aktuell: Wie ist denn die Stimmung unter Ihren Kolleginnen und Kollegen?
Heidi Weber: Momentan sehr angespannt, weil immer mehr in Rente gehen und wir nicht sehen, dass von der Politik die richtigen Entscheidungen getroffen werden. Wir hätten gerne die Teampraxis. Wir hätten gerne die Ausbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und wir hätten gerne eine vernünftige Bezahlung für unser Personal. Und das geht nur mit einer Änderung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes, nach dem wir bezahlt werden. Und darauf warten wir schon so lange. Denn nur wenn wir Geld verdienen, können wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter richtig bezahlen.
SWR Aktuell: Was erhoffen Sie sich vom Krisengipfel mit Gesundheitsminister Lauterbach?
Heidi Weber: Ich weiß, dass unser Verband einen sehr sachgerechten, thematisch klar strukturierten Forderungskatalog hat. Und ich hoffe, dass dort durch all diese negative Kommunikation auch in den sozialen Medien nicht so eine negative Stimmung ist, dass man nicht auf der Sachebene arbeiten kann. Denn wir hätten gute Vorschläge und möchten die auch gerne kommunizieren. Aber wenn man mit einer negativ geladenen Emotion in ein Gespräch geht, ist das nie gut.
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Hoffnung auf vernünftige Lösungen
SWR Aktuell: Mit welchem Gefühl blicken Sie in die Zukunft?
Heidi Weber: Immer positiv. Es findet sich eine Lösung und eine Lösung wird eigentlich auch immer gefunden, wenn man danach suchen muss. Wenn man bequem ist und alles gut läuft, sucht man keine Veränderung. Und jetzt momentan muss es eine Veränderung geben, sonst wird es nicht funktionieren. Deswegen bin ich ganz positiv, dass wir eine gangbare Lösung für die Patientinnen und Patienten und auch für uns Ärztinnen und Ärzte finden werden.
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