Im Streit um die angekündigte Schließung von Bereitschaftspraxen in RLP wehrt sich die Kassenärztliche Vereinigung (KV) gegen Kritik von Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD).
Der Vorsitzende des Vorstands der KV Rheinland-Pfalz, Peter Heinz, warf Hoch am Sonntag vor, den Praxisalltag zu verkennen. Die Äußerungen des Ministers stellten "eine befremdliche Missachtung der ärztlichen Selbstverwaltung" dar. Er wünsche sich, dass sich die Politik ernsthaft mit den Problemen in der ambulanten Versorgung befasse und konstruktiv nach Lösungen für Praxen und Patienten suche. Dem SWR sagte Heinz, es bleibe bei den Schließungen.
Hoch: "KV spielt mit Ängsten der Menschen"
Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) hatte die Ankündigung der KV, Bereitschaftspraxen zuschließen, scharf kritisiert. Er warf der KV vor, mit den Ängsten der Menschen zu spielen. Hoch sagte, die KV sei verpflichtet, auch außerhalb der Sprechstunden eine Versorgung anzubieten. Der Minister betonte, eine Sozialversicherungspflicht gelte für jeden Arbeitnehmer, das Bundessozialgericht habe mit seinem Urteil lediglich einer Scheinselbständigkeit einen Riegel vorgeschoben. Hoch kündigte an, zeitnah Gespräche mit dem KV-Vorstand zu führen. Es könne nicht sein, dass die KV ihre Hausaufgaben nicht erledige und dann Schuldzuweisungen ausspreche.
KV will Bereitschaftspraxen aufgrund Gerichtsurteil schließen
Die KV hatte angekündigt, die Bereitschaftspraxen aufgrund eines Urteils des Bundessozialgerichts zu schließen. Dieses hatte entschieden, dass nicht niedergelassene Ärzte im ärztlichen Bereitschaftsdienst, sogenannte Poolärzte, sozialversicherungsungspflichtig sind. Das bedeutet, sie müssen künftig von ihrem Verdienst Abgaben zahlen. Zudem muss die Kassenärztliche Vereinigung (KV) für die Poolärzte auch rückwirkend Beiträge zur Sozialversicherung abführen.
Bereits Tage vorher hatte der KV-Vorsitzende Heinz gesagt, er sehe in dem Gerichtsurteil "einen weiteren Beleg für die politische Ignoranz bei der Sicherung der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung". Die Leidtragenden seien jetzt die Patientinnen und Patienten in Rheinland-Pfalz. "Wir können es uns nicht leisten, die knappen personellen Ressourcen in der ambulanten Versorgung immer weiter zu belasten und die Niederlassung auch durch die Folgen solcher Urteile immer unattraktiver zu machen", so der KV-Vorsitzende.
In RLP sind rund 430 Ärzte betroffen
Laut KV sind in Rheinland-Pfalz 427 Ärzte und Ärztinnen davon betroffen, die rund 60 Prozent der Bereitschaftsdienste abdecken. Die KV werde allen Poolärzten kündigen, da das bestehende System in der jetzigen Form nicht weitergeführt werden könne, sagte der Vorstandsvorsitzende Peter Heinz am Donnerstag dem SWR.
Diese Bereitschaftspraxen werden in RLP geschlossen
Geschlossen werden laut KV die ärztlichen Bereitschaftspraxen in Altenkirchen, Andernach, Emmelshausen, Frankenthal, Gerolstein, Ingelheim und Landstuhl. Zudem könne keine der verbleibenden 36 ärztlichen Bereitschaftspraxen mehr Nachtdienste anbieten. Auch in Zukunft wird es an bestimmten Orten einen Fahrdienst geben, den man über die Nummer 116117 erreicht. Am Tag sollen künftig die Öffnungszeiten eingeschränkt werden, so die KV. Konkret heißt das, dass die Bereitschaftspraxen montags, dienstags und donnerstags geschlossen sein werden. Mittwoch, Freitag, an Wochenenden und Feiertagen gelten reduzierte Zeiten.
In Gerolstein wird das Aus der Bereitschaftspraxis damit begründet, dass sie im Vergleich zu anderen Praxen im Land weniger Patienten versorgt. Außerdem gebe es, laut der KV, in nur 20 Minuten Entfernung eine weitere Bereitschaftspraxis in Daun. Trotzdem sei diese Entscheidung ein "Schlag ins Gesicht", sagt Gerolsteins Bürgermeister Uwe Schneider (SPD).
Kassenärztliche Vereinigung Keine Bereitschaftspraxis mehr in Frankenthal ab 2024
In Frankenthal gibt es ab Januar 2024 keine Bereitschaftspraxis mehr. Mit der Schließung reagiert die Kassenärztliche Vereinigung auf ein Gerichtsurteil.
Landräte sehen medizinische Versorgung in Gefahr
Der Landrat des Kreises Altenkirchen, Peter Enders (CDU), befürchtet künftig eine schlechtere medizinische Versorgung. "Ich stelle daher die Frage, ob der gesetzliche Sicherstellungsauftrag für die medizinische Versorgung in unserer Region künftig noch gegeben ist", sagte Enders dem SWR.
"Schwerer Schlag für Region" Reaktionen aus Landstuhl - Bereitschaftspraxis schließt
Ab Januar wird es in Landstuhl keine Bereitschaftspraxis mehr geben - das hat die Kassenärztliche Vereinigung beschlossen. Die Verantwortlichen in der Region sind entsetzt.
Die Landrätin des Kreises Mainz-Bingen, Dorothea Schäfer (CDU), bedauert die angekündigte Schließung der Bereitschaftspraxis in Ingelheim. Dem SWR sagte sie, die Kassenärztliche Vereinigung dünne die ärztliche Versorgung auf dem Land immer weiter aus. Schäfer forderte den Erhalt der Einrichtung. Der Ingelheimer Oberbürgermeister Ralf Claus (SPD) nannte die Schließung einen "herben Schlag" für die Stadt.
In Baden-Württemberg bereits seit Oktober Praxen geschlossen
In Baden-Württemberg etwa waren bereits direkt nach dem Urteil des Bundessozialgerichts in Kassel acht von 115 Notfallpraxen geschlossen worden.
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Wer in BW in den Randzeiten einen Notfall hat, dürfte es künftig schwerer haben einen Arzt zu finden. Grund ist ein Gerichtsurteil. Für Manfred Lucha (Grüne) war das vermeidbar.