Im Gutachten, das die Staatsanwaltschaft Koblenz zur Flutkatastrophe in Auftrag gab, wird nicht nur der Kreis Ahrweiler, sondern auch das Land kritisiert. Es gebe Fehler im System.
Der Katastrophenschutz an der Ahr hätte bei der Flutkatastrophe besser laufen können, wenn die Einsatzkräfte ausreichend vorbereitet gewesen wären. Das schreibt der Gutachter, der im Auftrag der Staatsanwaltschaft Koblenz den Katastrophenschutz untersucht hat. Das Gutachten liegt dem SWR vor.
Gutachten: Fortbildungen des Landes nicht gut genug
Dominic Gißler, Professor für Führung im Bevölkerungsschutz in Berlin, führt darin grundsätzliche Versäumnisse auf. Dabei kritisiert er auch die gesetzlichen Vorgaben des Landes. Er schreibt von Systemfehlern. Unter anderem würden bei Fortbildungen Einsatzkräfte nicht ausreichend geschult.
Wer zum Beispiel in Rheinland-Pfalz in einer Technischen Einsatzleitung mitarbeiten möchte, muss vorher an der Feuerwehr- und Katastrophenschutzakademie in Koblenz mehrere Kurse belegen. Der Gutachter bemängelt, dass diese Kurse die Teilnehmer nur unzureichend auf einen Einsatz im Katastrophenfall vorbereiteten.
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Einsatzkräfte im Kreis Ahrweiler nicht ausreichend geschult
In dem Gutachten heißt es: Die Verantwortlichen in der Kreisverwaltung in Ahrweiler hätten offenbar angenommen, dass das Know-how aus den verpflichtenden Kursen ausreiche und die Vorgaben der Landesbehörde nicht hinterfragt.
Dabei sei es gerade für Katastrophenfälle wichtig, dass sich Menschen, die in einem Krisenstab arbeiten, zusätzlich fortbildeten. Die Teilnahme an diesen Fortbildungen sei aber freiwillig. Ob die Mitarbeiter im Kreis Ahrweiler an zusätzlichen Schulungen teilnahmen, ist nicht bekannt.
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Land unterstützte Kreise beim Katastrophenschutz zu wenig
Gutachter Gißler kritisiert auch, dass das Land die Kreise in Rheinland-Pfalz beim Katastrophenschutz zu wenig unterstützte - etwa bei der Erstellung von Einsatzplänen. Jeder Kreis brauche eigentlich ein Einsatzführungskonzept, das auf die jeweiligen Gegebenheiten angepasst sei.
Nach Meinung des Experten waren die Kreise in diesem Punkt zu sehr auf sich alleine gestellt. Das Land hätte mehr helfen müssen. Das gelte insbesondere auch für den Kreis Ahrweiler, heißt es in dem Gutachten.
Flut im Kreis Ahrweiler zeigt Schwächen im Katastrophenschutz auf
Die Fehler, die bei der Flutkatastrophe im Landkreis Ahrweiler passiert seien, sind aus Sicht von Gißler beispielhaft für die Schwächen im deutschen System. Der Professor macht in seinem Gutachten mehrere Verbesserungsvorschläge: Zum Beispiel müssten die Katastrophenschutzpläne häufiger hinterfragt werden. Außerdem müssten mögliche Folgen des Klimawandels stärker berücksichtigt werden. Generell schlägt Gißler vor, den Katastrophenschutz in den Kreisen zu professionalisieren, auch um den Einfluss von menschlichen Faktoren - wie Überlastung - zu reduzieren.
Landesregierung nimmt keine Stellung zum Gutachten
Das rheinland-pfälzische Innenministerium sagte auf SWR-Anfrage, dass es das Gutachten nicht kommentiere. Es liege dem Ministerium nicht vor. Weiter heißt es, die Landesregierung habe bereits Reformpläne im Katastrophenschutz auf den Weg gebracht.
Demnach soll ab 2025 in Koblenz ein neues Landesamt für Katastrophenschutz entstehen. Das Land plane außerdem, für Übungen im Katastrophenschutz verbindliche Vorgaben zu machen. Grundsätzlich sei der Katastrophenschutz aber weiter Aufgabe der Städte und Gemeinden. Hauptamtliche Brand- und Katastrophenschutzinspekteure (BKI) soll es in Rheinland-Pfalz auch künftig nicht verpflichtend geben.
Gutachten auch relevant für Flut-Untersuchungsausschuss?
Die Ergebnisse des Gutachtens könnten zur Folge haben, dass der Flut-Untersuchungsausschuss im rheinland-pfälzischen Landtag seine Arbeit wieder aufnimmt. Die Freien Wähler stellten einen neuen Beweisantrag. Ihrer Ansicht nach steckten in dem neuen Gutachten Ansatzpunkte, die bisher zu kurz gekommen seien.
Eigentlich hatte der Ausschuss die Beweisaufnahme im Frühjahr formell beendet. "Eine Wiederaufnahme dürfte wohl unumgänglich sein", sagte jetzt auch der Obmann der oppositionellen CDU-Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag, Dirk Herber. Es sei sinnvoll, die Erkenntnisse aus dem Gutachten im Ausschuss vorstellen zu lassen.
Der Obmann der SPD-Fraktion, Nico Steinbach, betonte, die Kernaussagen des Gutachtens deckten sich mit denen aus der Arbeit des Ausschusses. Inwiefern eine erneute Vernehmung des Sachverständigen relevante, neue Erkenntnisse bringe, bleibe abzuwarten.
Ob der Untersuchungsausschuss nochmal tagt, darüber sollen die Obleute der Fraktionen jetzt beraten und dann entscheiden. Wann das geschieht, ist noch unklar. Bislang ist vorgesehen, dass der Abschlussbericht des Gremiums im Dezember im Landtag diskutiert wird.
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