Wissenschaftler warnen vor schweren Fehlern beim Wiederaufbau an der Ahr. In einer Stellungnahme, die dem SWR vorliegt, heißt es, ein nächstes Hochwasser könnte viel vom Wiederaufgebauten erneut zerstören.
Die Menschen im Ahrtal sollen vor zukünftigen Flutkatastrophen besser geschützt werden, fordert der Stuttgarter Professor Jörn Birkmann. Er ist Sprecher der Wissenschaftler, die im Auftrag des Bundesforschungsministeriums den Wiederaufbau begleiten.
Jörn Birkmann kritisiert, dass in den Verwaltungsvorschriften für die Verwendung der Milliarden für den Wiederaufbau nicht der Schutz der Menschen an der Ahr im Vordergrund stehe. "Es mache wenig Sinn, wenn wir Gelder in Strukturen investieren, die beim nächsten Hochwasser erneut zerstört werden."
Schule ohne ausreichenden Hochwasserschutz wiederaufbauen?
Birkmann verweist dabei unter anderem auf die in der Flutkatastrophe zerstörte Levana-Schule in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Das eingeschossige Schulgebäude für rund 100 Schülerinnen und Schüler mit geistigen und körperlichen Behinderungen steht direkt am Ahrufer. Eine erneute Jahrhundertflut würde das Gebäude nach seiner Einschätzung ein bis zwei Meter überfluten.
"Der reine Wiederaufbau dieser Schulen in gleicher Weise ist eine Einladung für erneute massive Schäden beim nächsten Hochwasser oder Starkregen", sagt Birkmann. Darum müsse bei allen Schulen, Altenheimen und Kindergärten geprüft werden, ob man höher baue oder neue Grundstücke kaufe. Dafür müsse es in den Verwaltungsvorschriften klare Formulierungen geben, sonst könnten die Bürgermeister an der Ahr nicht handeln.
Auch Bauausschuss des Bundestags fordert Veränderungen
Auch Mitglieder des Bauausschusses des Bundestags hatten bereits beim Finanzministerium Abhilfe beim Problem der Eins-zu-Eins-Wiederaufbauhilfe gefordert. Das rheinland-pfälzische Innenministerium begrüßt nach eigenen Angaben diese Initiative und schreibt: "Auch wir würden gerne mehr Innovationen für Klimaschutz und -anpassung ermöglichen." Gleichzeitig verweist das Innenministerium auf schon bestehende Erleichterungen beim Wiederaufbau an der Ahr und auf zusätzliche Fördermöglichkeiten bei Modernisierungen.
Das reiche aber nicht, sagt der Stuttgarter Professor Jörn Birkmann. Er fordert eine "Gesamtstrategie im Umgang mit dem Aufbau sensibler und kritischer Infrastrukturen und der Klimaresilienz."
Geld aus Wiederaufbauhilfe für kommunale Infrastruktur verwenden
Die Beantragung zusätzlicher Mittel aus anderen Fördertöpfen finden viele an der Ahr zu kompliziert und oft zu langwierig. Dabei wäre auch für Hochwasserschutz genug Geld da, so Birkmann.
"Aktuell sind von den 15 Milliarden Euro Wiederaufbauhilfe für die betroffenen Regionen in Rheinland-Pfalz rund zwei Milliarden Euro umgesetzt. Damit ist noch ein ganz erheblicher Anteil der Mittel nicht genutzt und könnte unter anderem beim Wiederaufbau der kommunalen Infrastrukturen und weiterer Vorhaben zielgerichteter für die Stärkung der Resilienz genutzt werden", sagt Jörn Birkmann.
Die Verantwortlichen sollten sich jedoch beeilen, die Auszahlungsbedingungen der Mittel aus den Wiederaufbaufonds für einen besseren Schutz der Menschen vor Hochwasser an der Ahr zu verändern, teilt Jörn Birkmann mit. In der Überschrift seiner aktuellen Stellungnahme heißt es: "Zeit zum Handeln ist jetzt."