Neue Therapieangebote für Betroffene

Paartherapie nach der Flutkatastrophe im Ahrtal

Stand
Autor/in
Nada Fiebes
Bild von Autorin Nada Fiebes aus dem SWR Aktuell Studio Koblenz unterwegs als Reporterin in Bad Neuenahr-Ahrweiler.

Über zwei Jahre nach der Flut steigt der Therapiebedarf im Ahrtal weiter. In der Verbandsgemeinde Altenahr sind drei neue Therapeuten tätig. Einer von ihnen bietet Paartherapie an.

Die meisten Paare, die zu Michael Bruckner zur Beratung kommen, haben schon viel geschafft. Sie haben die Flutkatastrophe gemeinsam hinter sich gebracht, haben das Haus wiederaufgebaut oder sind gerade dabei. Aber sie sind nun an einem Punkt, an dem ihre Probleme in der Partnerschaft durch die ständige Belastung immer größer werden. Hier setzt der Paartherapeut an, der zusammen mit zwei weiteren Psychologen jetzt seine Praxis in einem Container in Kalenborn hat.

Folgen der Flutkatastrophe zeigen sich erst spät

Im Ahrtal zeigt sich deutlich: Bei vielen Betroffenen wird erst zwei Jahre nach der Katastrophe klar, wie groß der Bedarf nach psychologischer Hilfe ist. Wenn die Menschen wieder mehr zur Ruhe kommen und einen Alltag aufgebaut haben. Auf Paare treffe das in besonderer Weise zu, sagt Psychologe Bruckner: "Paare können sich eine lange Zeit stabilisieren, weil sie den jeweils anderen haben."

Selbst wenn es in der Beziehung durch den Stress viel Streit gebe, hätten Menschen in einer Beziehung dadurch gemeinsame Themen. "Ich schaue dann mit den Partnern darauf, wie sie die Situation bisher bewältigt haben und wie sie miteinander umgehen können. Ich bin dabei quasi nur der Brückenbauer", sagt Bruckner.

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Flutkatastrophe im Ahrtal wirkt wie ein Brennglas

Der Paarberater sagt, dass die Paare oft bereits selbst wissen, was sie brauchen, wenn sie zu den Beratungsgesprächen kommen. Die Flutkatastrophe wirkt nach Ansicht des Therapeuten in vielen Beziehungen wie ein Brennglas: Das heißt, was in der Partnerschaft gut lief, hat die Paare stärker gemacht. Aber auch Probleme treten deutlicher hervor. "Bei manchen Paaren hat sich auch die gesamte Dynamik verändert", sagt Bruckner.

Der Diplompsychologe macht folgendes Beispiel: "Bei einem Paar war der Mann vor der Flut immer 'der Macher', während die Frau eher passiv war. In der Flutnacht war es dann plötzlich umgekehrt: Er saß wie gelähmt am Tisch, während das Wasser bereits aus dem Keller in das Erdgeschoss lief. Sie war in der Nacht die Strukturierte und Ruhige, die gehandelt hat. Und nach dieser Nacht ist sie nicht mehr in die passive Rolle zurückgekehrt. Da muss das Paar dann lernen, wie es mit der neuen Dynamik umgeht."

Paare mit Kindern haben es häufig schwerer

Ein weiterer Punkt, der in Familien oft dazu kommt, sind die Kinder. Denn sie spürten die Belastung und Anspannung der Eltern oft sehr deutlich sagt Bruckner: "Das führt dann oft dazu, dass die Kinder sich zurückziehen oder verhaltensauffällig werden." Dadurch seien die Eltern dann wiederum durch ihre Kinder mehr belastet.

Das könne sich bei jüngeren Kindern beispielsweise durch Bettnässen äußern, sagt der Psychologe. Bei Älteren durch Schulprobleme oder mehr Konflikte. "Meine Aufgabe ist es dann, den Eltern bei der richtigen Kommunikation mit den Kindern zu helfen. Wichtig ist, dass die Eltern auf die Kinder zugehen und ihnen erklären, dass sie für die Kinder da sind und gleichzeitig selbst mit ihren Problemen umgehen können", sagt Bruckner.

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Lange Wartelisten für psychologische Hilfe

Gezahlt werden die Beratungsstunden bei Psychologe Bruckner nach eigenem Ermessen, denn die Paartherapie ist keine Kassenleistung. Neben Bruckner haben noch zwei weitere Therapeuten die Arbeit in Kalenborn aufgenommen: ein Psychologe für Kassenpatienten und einer für Privatpatienten. Während Bruckner noch keine Warteliste hat - weil Paare oft weniger und keine regelmäßigen Termine brauchen - sind die Listen der anderen beiden lang.

Simon Hoffmann, der Therapeut für Kassenpatienten, spricht von einer Warteliste mit rund 380 Patienten. "Der Bedarf ist sehr groß. Und ich merke, dass viele Menschen unter einer riesigen psychischen Erschöpfung leiden", sagt Hoffmann. Oft sei auch ein richtiges Ohnmachtsgefühl zu spüren, was den Umgang mit der Bürokratie oder das Warten auf Handwerker angeht. "Eine Patientin sagte mir, sie traut sich gar nicht mehr zu hoffen, dass das Haus fertig wird. Sie könne keine weitere Enttäuschung ertragen."

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