Die Durchführung eines Volksbegehrens zur Einführung des neuen neunjährigen Gymnasiums in BW ist laut Innenministerium nicht verfassungskonform. Es lehnte die Zulassung deshalb ab.
Das Innenministerium hat das Volksbegehrens "G9 jetzt! BW" nicht zugelassen. Grund seien vor allem die deutlich zu hohen Kosten für das Vorhaben, so das Ministerium in einer Mitteilung am Montagabend. Nach einem vom Landtag abgelehnten Volksantrag für eine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium hatte die grün-schwarze Landesregierung im April mit der Schulreform beschlossen, G9 ab 2025/2026 für die Klassen 5 und 6 wieder einzuführen. Mit dem nun nicht zugelassenen Volksbegehren wollten die Eltern eine Ausweitung auch auf allen anderen Klassen erreichen.
Initiative wollte G9-Möglichkeit für alle Klassenstufen
Vertreter der Elterninitiative für eine schnelle Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium in Baden-Württemberg hatten es am 1. Juli ein Volksbegehren beim Innenministerium eingereicht. Aus Sicht der Antragsteller sollten alle Klassen an Gymnasien die Möglichkeit zum Abitur nach neun Jahren haben. "Uns geht es um eine rein zeitliche Entlastung", hatte Marita Raschke vom Organisationsteam gesagt. So sollten weiterhin die G8-Inhalte gelehrt werden, allerdings auf neun Jahre gestreckt. "Dann hätten die Kids viel mehr Zeit, um Corona-Lernlücken aufzuarbeiten."
Laut Innenministerium verstößt das Volksbegehren jedoch gegen die Landesverfassung. Wenn das neunjährige Gymnasium so eingeführt werden würde, wie sich die Antragssteller das erhoffen, habe das erhebliche Auswirkungen auf den Landeshaushalt. Solche finanziell weitreichenden Volksbegehren verbietet die Verfassung Baden-Württembergs, heißt es in der Begründung des Innenministeriums.
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Ministerium: Volksinitiativen dürfen Haushalt nicht wesentlich beeinflussen
Die Kosten, die der Gesetzentwurf des nun nicht zugelassenen Volksbegehrens im Fall einer Zustimmung bei einer Volksabstimmung verursachen würde, würden laut dem Innenministerium "das Haushaltsgleichgewicht und die Budgethoheit des Parlaments wesentlich beeinflussen". Für die Umsetzung des Gesetzentwurfs wäre allein von Personalkosten in Höhe von insgesamt circa 375 Millionen Euro jährlich auszugehen, was den Haushalt wesentlich beeinflussen würde, so das Ministerium.
Außerdem hätten in der Gesetzesbegründung die Kosten konkret als Geldbetrag genannt werden müssen. "Stattdessen wurde ausschließlich eine Darstellung des Aufwands in Deputaten vorgenommen", hieß es. Das genüge aber nicht den Anforderungen an die sogenannte Bestimmtheit der Gesetzesbegründung bei Volksbegehren, die der Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg in einer früheren Entscheidung gestellt habe.
Antrag verstößt laut Ministerium gegen Volksabstimmungsgesetz
Zudem sei der Antrag unzulässig, weil die Antragssteller nicht die gleichen seien wie beim vorangegangenen Volksantrag. Dieser wurde von der Elterninitiative "G9 Jetzt" eingereicht. Das Volksbegehren setzt auf einem Volksantrag auf, der mehr als 100.000 Stimmen bekommen hat. Den Volksantrag hatte der Landtag im April abgelehnt. Dessen Initiatorinnen sind nicht mehr Teil des Teams um das Volksbegehren. Genau hierin sieht das Innenministerium einen Verstoß gegen das Volksabstimmungsgesetz.
Die Antragsteller hätten nun die Möglichkeit, gegen die Entscheidung des Innenministeriums innerhalb von zwei Wochen den Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg anzurufen. Die Frage der Legitimation dürfte es ihnen aber schwer machen.
Vertreter der Initiative reagieren: "Ein schwarzer Tag für über 100.000 Schüler"
Am späten Montagabend reagierten die Verantwortlichen des Volksbegehren auf die Entscheidung des Innenministerium. "Dies ist ein schwarzer Tag für alle Schüler, die dringend eine Entlastung im G8 bräuchten", heißt es in einem Schreiben, das dem SWR vorliegt. Das Innenministerium habe sowohl die juristische Grauzone bezüglich einer Weiterführung des Volksbegehrens zu den Ungunsten des Volksbegehren und zu Lasten der betroffenen Kinder ausgelegt als auch bei der Berechnung der Kosten durch Hinweise des Kultusministeriums das jeweils ungünstigste Szenario berechnet, so die Einschätzung der Vertreter der von "G9 jetzt! BW".
"Gemeinsam mit den vielen Eltern, Lehrern und Unterstützern gilt es für eine sinnvolle und kindgerechte Bildungspolitik einzutreten", heißt es wörtlich weiter. Man werde weiterkämpfen. Die Ablehnung eröffne die Möglichkeit, neben der Entlastung der Schüler im G8 weitere Themen in Abstimmung mit Verbänden aufzunehmen. Ob weitere rechtliche Schritte unternommen werden, müsse sorgfältig geprüft werden.
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Strobl lobt Initiatoren für Engagement
In Bezug auf die Kritik der Initiatoren an der Ablehnung des Volksbegehrens sagte Innenminister Thomas Strobl (CDU) am Dienstag, in einer Demokratie sei Kritik nicht nur zulässig, sondern absolut normal. Und im Fall der Initiatoren des Volksbegehrens sei sie auch legitim. Abseits des Formalen hätten die Initiatoren die Landesregierung "schon auch befruchtet und in unserer Arbeit positiv beeinflusst", lobte Strobl. Die beachtliche Anzahl der Unterschriften und "die Leidenschaft, mit der man sich organisiert hat," habe man zur Kenntnis genommen, so der stellvertretende Ministerpräsident. Aus Teilen der Opposition habe es aber auch nicht zutreffende Kritik gegeben, sagte der Innenminister. Die Entscheidung beruhe auf Rechtsgründen "und auf sonst gar nichts", betonte er. "Der Maßstab ist die Landesverfassung und diese gilt es zu beachten", so Strobl.
Grün-Schwarz will G9 schrittweise einführen
Die grün-schwarze Koalition hatte sich im April auf gemeinsame Vorschläge für grundlegende Reformen geeinigt. Unter anderem soll G9 demnach zum Schuljahr 2025/2026 eingeführt werden und mit den Klassen fünf und sechs starten. Für die oberen Jahrgänge sind bislang keine Änderungen vorgesehen. Die Gymnasien sollen zudem die Option erhalten, G8-Züge anzubieten - allerdings ohne dafür zusätzliche Mittel zu bekommen.
Derzeit ist in Baden-Württemberg das achtjährige Gymnasium Standard. G9 gibt es nur als Modellprojekt an 44 staatlichen Schulen und an einigen Privatschulen.
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