Viel "Sorgfalt", politische Ausrichtungen und Geld: BW-Ministerpräsident Kretschmann hat deutlich gemacht, wie kompliziert die heiß diskutierte Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium ist. Schnell wird es wohl nicht passieren.
Kaum eine Diskussion in der baden-württembergischen Politik erregt so die Gemüter wie die Rückkehr zu G9 in den Gymnasien. Für Eltern, Lehrer und vor allem auch die Politik stellen sich nach wie vor viele Fragen. Die baden-württembergische Landesregierung rund um den grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann plant eine schrittweise Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium. "Für uns steht fest, dass wir ein neunjähriges Gymnasium aufwachsend als Regelform einführen werden", sagte unlängst Volker Schebesta, CDU-Staatssekretär im Kultusministerium und Regierungspartner der Grünen. "Aufwachsend heißt, dass wir mit den unteren Klassenstufen beginnen", so Schebesta. Eine Wechseloption für Klassen der Mittelstufe sei nicht vorgesehen.
Kretschmann zur Rückkehr zu G9 - daran hakt derzeit der Prozess:
Am Dienstag äußerte sich Kretschmann nun auf der turnusmäßigen Pressekonferenz zum weiteren Umgang in dieser heiklen Frage. Dabei wurde deutlich, wie steinig der Weg zu G9 hier im Land ist. "Wir hatten intensive Gespräche in der Koalitionsspitze. Nun müssen wir uns mit den Fraktionen einigen", so Kretschmann zum Stand der Debatte. Erst dann könne man etwas Habhaftes verkünden.
Kretschmann: Reformen haben Kollateralwirkung
Für Kretschmann ist der derzeit laufende Prozess einer, bei dem man viel "Sorgfalt" an den Tag legen muss. "Wir wissen aus langer Erfahrung, dass alle Reformen Kollateralwirkung haben, oft solche, die man ganz schwer abschätzen kann. Am Ende sind es Entscheidungen, die Eltern und Jugendliche betreffen", machte Kretschmann am Dienstag deutlich. Nun gelte es unter anderem auch, wissenschaftliche Erkenntnisse einzubringen.
Zusätzlich spiele auch das Geld eine entscheidende Rolle. Eine Veränderung des Gymnasiums sei auch kostenträchtig, hohe Beträge würden alleine auf den Bereich der Grundschulbildung entfallen. In schwieriger Haushaltslage müsse das auch mit anderen Bereichen abgeglichen werden, so der Ministerpräsident weiter.
Auch die politische Ausrichtung der beiden Regierungsparteien spiele eine Rolle. Grundsätzlich sei es so, dass CDU und Grüne traditionell aus einer anderen Richtung kommen. Faule und fragile Kompromisse seien fehl am Platz. Zudem müsse man kommende Entscheidungen auch in Sachen Bildungsallianz mit Teilen der Opposition besprechen. Es gäbe 5.000 Schulen im Land, das sei ein hoher administrativer Aufwand.
Problem: Leistungseinbrüche bei Grundschülern
Die grün-schwarze Landesregierung arbeitet seit Längerem an einem Paket zur Sprachförderung von Kindern an Kitas und in Grundschulen. Das Land reagiert damit auf deutliche Leistungseinbrüche bei Grundschülern. Eine Studie belegte etwa im Jahr 2022 schlechte Testergebnisse bei Viertklässlern in Mathe und Deutsch: Fast jedes fünfte Kind schaffte die Mindeststandards in den zwei Fächern nicht.
Nach dem massiven Druck einer Elterninitiative hatte die Landesregierung zudem angekündigt, ein Konzept für ein modernisiertes neunjähriges Gymnasium erarbeiten zu wollen, dass das bisherige G8 als Regelform ablösen soll. Beim Gymnasium könne er sicher sagen, dass man das neue G9 nicht zum nächsten Schuljahr einführen werde, so Kretschmann. Das sei unmöglich. Der weitere Fahrplan hänge auch von den Ressourcen ab. Geld sei auch für wichtige Vorhaben nicht einfach da, das müsse man sich beschaffen.
Eine Einschätzung von Henning Otte aus der SWR-Redaktion Landespolitik vom Dienstagabend:
Landtag befasst sich am MIttwoch mit Volksantrag von Elterninitiative
Mit der Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium muss sich am Mittwoch auch der Landtag befassen. Das Parlament berät dann über den Volksantrag eben der Elterninitiative, die mehr als 100.000 Unterschriften für eine Rückkehr zu G9 gesammelt hatte. Den Gesetzentwurf der Eltern wird das Parlament aller Voraussicht nach ablehnen. Das empfiehlt jedenfalls der Bildungsausschuss dem Plenum in einem Beschlussvorschlag.
Von der Landesregierung forderte die Elterninitiative deswegen ein Alternativkonzept zur G9-Rückkehr. "Was wir uns erhofft hätten, ist ein Alternativkonzept vonseiten der Landesregierung, in dem transparent vorgelegt wird, was geplant ist", sagte Anja Plesch-Krubner, eine der Initiatorinnen des Volksantrags.
Die Initiative möchte so schnell wie möglich zu G9 als Regelform zurückkehren. Anders als die Landesregierung, die G9 stufenweise ab der 5. Klasse wieder einführen will, dringt die Elterninitiative darauf, dies auch in den bisherigen Klassen 6 bis 10 möglich zu machen.
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