Eltern verbünden sich und starten Petition

Kinderarzt in Horb will nur noch Privatpatienten - warum eigentlich?

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Autor/in
Ingemar Koerner
Ingemar Koerner ist Reporter für Hörfunk, Online und Fernsehen beim SWR im Studio Tübingen.

Eltern sind um die medizinische Versorgung ihrer Kinder besorgt. Denn noch ein Kinderarzt will bald nur noch Privatpatienten behandeln. Auch die Stadt sucht nach einer Lösung.

Ein Kinderarzt in Horb am Neckar (Kreis Freudenstadt) will für 2025 seine Kassenzulassung abgeben und nur noch Privatpatienten behandeln. Ein Schritt, den ein Arzt in Villingen-Schwenningen (Schwarzwald-Baar-Kreis) dieses Jahr ebenfalls vollzogen hat. Eltern schlagen deswegen Alarm. Sie haben eine Online-Petition wegen des Mangels an Kinderärzten gestartet.

Schon mehrere tausend Unterschriften für Petition

Einer der Verantwortlichen der Petition ist Maximilian Kumpf. Er berichtete dem SWR, wie viel Zuspruch er und seine Mitstreiter bekommen haben. Vielen Eltern gehe es ähnlich wie ihnen. Doch es scheint, als habe vorher "niemand den Mut gehabt, das Kind beim Namen zu nennen." Zehn Tage, nachdem ihre Petition gestartet ist, hatten sie knapp 6.000 Unterschriften gesammelt. Die kämen nicht nur aus Horb und der Umgebung, auch beispielsweise aus Heilbronn.

Forderung: Versorgung kranker Kinder auch vor Ort

Den Eltern gehe es darum, dass die Kinder in der Nähe ihrer Wohnorte versorgt werden können.

Mit einem kranken Kind anderthalb bis zwei Stunden Auto zu fahren ist nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig.

Mit kranken Kindern stundenlang Auto zu fahren, sei unter Umständen auch schlecht für deren Gesundheit. Zumal regelmäßige Untersuchungen bestenfalls beim selben Arzt stattfinden sollten - damit dieser die Entwicklung des Kindes begleiten könne, so Kumpf.

Mangel an Kinderärzten auch Thema im Horber Gemeinderat

Die Stimmung in der Horber Bevölkerung ist nun angespannt. Das zeigte auch die Gemeinderatssitzung am vergangenen Montag. In der wurden die Pläne der Kinderarztpraxis von einem Stadtrat thematisiert. Die Horber wünschen sich, dass die Stadt etwas unternimmt. Sie soll dafür sorgen, dass die medizinische Versorgung von Kindern in der Region weiter gewährleistet ist. Doch der Einfluss der Stadt auf die Situation ist gering. Sie sei nicht zuständig, erklärt Horbs Oberbürgermeister Peter Rosenberger. Dennoch bemühe sich die Verwaltung, das Problem zu lösen.

Stadt ist zwar nicht zuständig, hilft aber bei Lösungssuche

Die Stadt lotet also aus, welche Lösungsmöglichkeiten es gibt. Sie spricht mit den beiden angestellten Ärzte der Kinderarztpraxis, die bald nur noch Privatpatienten behandelt. Der niedergelassene Arzt scheint sich festgelegt zu haben. Bei seiner Entscheidung gehe es ihm jedoch nicht ums Geld, betont Till Reckert. Er ist Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte Baden-Württemberg und hat mit dem betroffenen Kinderarzt in Horb telefoniert. Mit dem SWR wollte der Kinderarzt jedoch nicht sprechen.

Gefahr nicht nur für Kinderärzte: Burnout

Reckert fordert Verständnis für seinen Horber Kollegen und beschreibt die hohe Arbeitsbelastung, der die Ärztinnen und Ärzte heutzutage ausgesetzt sind. Früher hätten viele Ärzte für zwei gearbeitet: Für sich und ihre Ehefrauen, die oftmals nicht berufstätig waren - stattdessen Haus- und Care-Arbeit übernahmen. Heutzutage würden diese Aufgaben gleichmäßiger verteilt. Dementsprechend könnten Ärztinnen und Ärzte inzwischen kaum mehr dieselbe Zahl an Patienten behandeln. Dadurch sei bei gleich bleibenden Behandlungszahlen die Arbeitsbelastung gestiegen. Oder zwei Ärztinnen müssten die Arbeit eines älteren Arztes machen. Ein Problem, denn viele Ältere gehen bald in den Ruhestand. So, wie eine Ärztin aus Zimmern ob Rottweil (Kreis Rottweil).

Privat verdient man weniger, hat aber auch weniger Zeitdruck.

Durch die Umstellung auf Privatpatienten könne sich der Kinderarzt bei der Behandlung mehr Zeit nehmen, erklärt Reckert. Dadurch könne er seinen Ansprüchen an gute Medizin besser gerecht werden.

Engpass bei Kinderärzten: "Das ganze Land ist betroffen."

Dass die Umstellung der Horber Praxis auf Privatpatienten Eltern und Kinder in Horb und der Umgebung vor Probleme stellen könnte, dem stimmt auch Reckert zu. Doch ist das längst nicht die einzige Region, der es so geht. "Das ganze Land ist betroffen," sagt Kai Sonntag, der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW). Er erklärt einen weiteren Grund, warum die Situation sich verschärft hat: "Der Aufwand pro Kind steigt. Eltern kommen heutzutage häufiger zum Kinderarzt, als früher. Dadurch sinken die Kapazitäten für andere Kinder."

Ein Kinderarzt untersucht ein Kind. Im Kreis Freudenstadt gibt es theoretisch genug Kinderärzte. Doch die Stadt Horb hat teilweise den Mangel aus dem Kreis Calw mit aufgefangen. Dass nun eine Praxis nur noch Privatpatienten behandeln will, verschärft die Situation.
Im Kreis Freudenstadt gibt es theoretisch genug Kinderärzte. Doch die Stadt Horb hat teilweise den Mangel aus dem Kreis Calw mit aufgefangen. Dass nun eine Praxis nur noch Privatpatienten behandeln will, verschärft die Situation.

Horb und Kreis Freudenstadt versorgt - Kreis Calw unterversorgt

Eigentlich seien die Stadt Horb und der Kreis Freudenstadt theoretisch mit Kinderärzten versorgt. Das sagen auch OB Rosenberger und Kinderärztesprecher Reckert. Doch im angrenzenden Landkreis Calw fehlen insgesamt drei Kinderärzte, sieht Sonntag in den Statistiken der KVBW. Eltern würden sich bei der Suche nach einem Kinderarzt eben nicht an Kreisgrenzen halten, erklärt Petitionsinitiator Kumpf. Und teilweise weit fahren, wie ein Fall in Nagold (Kreis Calw) zeigt. Horb habe den Mangel im Landkreis Calw teilweise mitgetragen.

Kinderarztmangel auch in den Kreisen Rottweil, Schwarzwald-Baar und Zollernalb

Mit drei fehlenden Kinderärzten führt der Kreis Calw die Liste an. Danach folgen die Kreise Rottweil und Zollernalb, so Sonntag von der KVBW. Dort fehlen jeweils zwei Kinderärzte. Im Schwarzwald-Baar-Kreis fehlt ein Kinderarzt. Und die Situation könnte sich noch verschärfen, befürchtet Till Reckert. Denn dem demografischen Wandel folgend, gehen viele ältere Ärzte bald in den Ruhestand. Und: Der Winter steht vor der Tür. Da steigen die Krankheitszahlen üblicherweise und belasten das Gesundheitssystem zusätzlich.

Lösungen brauchen Zeit

Doch "kurzfristig ist es schwierig, einen guten Rat zu geben," bedauert Kai Sonntag. Mögliche "Lösungen wirken nicht schnell." Alle sind sich einig: Es müsse unter anderem mehr ausgebildet und Bürokratie abgebaut werden. Den Eltern in Horb am Neckar und der Umgebung hilft dies erstmal nicht. Lösungen für sie müssen sie selbst mit der Stadt und den Ärztinnen und Ärzten in der Region suchen. Die Petition könnte dabei ein Anfang sein.

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