Streit um Honorare, zu viel Bürokratie: In Villingen-Schwenningen droht die Schließung einer Praxis für Kassenpatienten. Ein Kinderarzt will seine Kassenzulassung zurückgeben.
Das Wartezimmer der Kinderarztpraxis in Villingen-Schwenningen (Schwarzwald-Baar-Kreis) ist voll. Husten, Schnupfen und Co. haben derzeit Hochsaison. Auch Impfungen stehen an. Und Routineuntersuchungen. Stefan Röser eilt von Sprechzimmer zu Sprechzimmer. Bis zu 120 junge Patientinnen und Patienten behandelt der Arzt an solchen Tagen. Trotzdem nimmt er sich viel Zeit für jeden Einzelnen. Von einem Acht-Stunden-Tag ist der 60-Jährige weit entfernt. Den hohen zeitlichen Aufwand möchte der Arzt natürlich bezahlt wissen.
Bürokratische Hürden, kompliziertes Abrechnungssystem
Doch die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) will die geforderten Honorare nicht "mal eben so" zahlen. Der Arzt soll seine Abrechnungen plausibel erklären. Und genau darauf hat Stefan Röser einfach keine Lust mehr: "Es ist so ein enormer Aufwand. Ich habe andere Dinge zu tun, als mich da erklären zu müssen," sagt der Arzt genervt. Überhaupt nehme der bürokratische Aufwand inzwischen enorme Formen an, kritisiert Röser.
Das Abrechnungssystem der Kassenärztlichen Vereinigung ist kompliziert. Sehr kompliziert. Das sagt selbst die KVBW. Sie rechtfertigt sich allerdings damit, dass das System vom Gesetzgeber eben so vorgegeben sei. Sie, die KVBW, habe nunmal die Aufgabe, stellvertretend für die verschiedenen gesetzlichen Krankenkassen abzurechnen und die eingereichten Honorarabrechnungen streng zu prüfen.
Zur aktuellen Auseinandersetzung mit der Kinderarztpraxis Dr. Röser will sich die KVBW im Detail nicht äußern. Es sei aber mehr als verständlich, dass angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen, dem hohen Druck durch die Patienten, den wirtschaftlichen Situation der Praxen und den vollen Wartezimmern sowie der sowieso schon überbordenden Bürokratie eine solche Abrechnungsprüfung, beziehungsweise eine sogenannte Plausibilitätserklärung, zu zusätzlichem Frust führe.
Kinderarzt kritisiert Kassensystem scharf
Dem Arzt Stefan Röser liegen seine jungen Patientinnen und Patienten sehr am Herzen. "Allesamt", betont er immer wieder. Sich in Zukunft womöglich nur noch um Privatpatienten zu kümmern, falle ihm schwer: "Aber das gesetzliche System ist seit einem guten Jahrzehnt einfach am Kippen", so Röser und zählt weitere Punkte auf, die im Kassensystem kränkeln: "Zeitweise sind wichtige Medikamente einfach nicht zu bekommen. Kliniken sind überlastet, und und und..." seufzt Röser, der auch das neue "E-Rezept" für überflüssig hält.
Die Kündigung der Kassenzulassung bei der KVBW hat Stefan Röser zum Ende des laufenden Quartals eingereicht. Das wäre dann Ende März dieses Jahres. Allerdings ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. "Ja, wir reden miteinander, und ich bin auch offen für Lösungen", verspricht der Arzt. Eine Lösung will auch die KVBW. Denn würde Röser seine Kündigung der Kassenzulassung aufrechterhalten und die Praxis damit nur noch für Privatpatienten und Selbstzahler zugänglich machen, wären viele Familien plötzlich ohne Kinderarzt. Zumal in der Region zwischen Villingen-Schwenningen, Rottweil und Tuttlingen schon jetzt - rein rechnerisch - dreieinhalb Kinderärzte fehlen. Und die, die da sind, nehmen heute schon keine neuen Patienten mehr auf.
Tausende Unterschriften für Praxiserhalt
Hinter dem beliebten Kinderarzt Stefan Röser stehen auch viele Eltern. Eine extra gestartete Online-Petition für den Erhalt der Praxis für Kassenpatienten zählt bis jetzt an die 6.000 Unterschriften.
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