In Südbaden sind alleine im ersten Halbjahr 2023 vier Frauen Opfer eines Femizids geworden. Drei von ihnen sind mutmaßlich von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet worden.
Im Jahr 2022 verzeichnete die Polizei vier Femizide in Südbaden. Dieses Jahr wurden allein in der ersten Jahreshälfte schon vier Frauen von ihren (Ex-)Partnern getötet. Doch nicht nur die Zahl der Femizide steigt, auch die Zahl der Opfer von häuslicher Gewalt ist im Jahr 2022 deutlich angestiegen, wie die im Juli veröffentlichte Statistik des Bundeskriminalamtes (BKA) zeigt. Die Dunkelziffer von nicht angezeigten Fällen häuslicher Gewalt dürfte weitaus höher sein. Über 80 Prozent der von Partnerschaftsgewalt betroffenen Menschen sind Frauen. In über 75 Prozent sind Männer die Täter. Fast jeden Tag versucht in Deutschland ein Partner oder Ex-Partner eine Frau zu töten.
Femizide in Südbaden im Jahr 2023
Fälle von häuslicher Gewalt in Deutschland 2022 angestiegen
Eine Betroffene erzählt, wie sie der häuslichen Gewalt entkommen ist
Femizide trotz Annäherungsverbote
Freiburger Männer-Projekt "Gegen Gewalt tätig"
Vier Femizide in den ersten sechs Monaten allein in Südbaden
Aus diesem Grund muss sich vor dem Landgericht Freiburg im Juli auch ein 63-jähriger Mann wegen Mordes, Mordversuchs und gefährlicher Körperverletzung verantworten. Er hatte im Januar dieses Jahres in Freiburg auf offener Straße mit einem Messer auf seine ehemalige Partnerin und deren Mutter eingestochen. Dabei tötete er die Mutter und verletzte seine Ex-Freundin schwer.
Mitte Februar ist in Freiburg eine 78-jährige Frau tot in ihrer Wohnung gefunden worden. Sie war mit einem Messer getötet worden. Unter dringendem Tatverdacht steht ihr 39-jähriger Sohn. Nach einer ärztlichen Untersuchung wurde er in ein psychiatrisches Krankenhaus gebracht.
Anfang Juni war eine 35-Jährige in Bonndorf (Kreis Waldshut) nach einem Messerangriff gestorben. Tatverdächtig ist der von ihr getrennt lebende Ehemann. Dabei hatte die Frau bereits im Mai 2023 vor dem Familiengericht ein Annäherungsverbot gegen ihren Ex-Partner erwirkt.
In Au (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) soll ein 47-jähriger Mann seine 46-jährige Lebensgefährtin Mitte Juni mit einem Messer angegriffen und lebensgefährlich verletzt haben. Der Tatverdächtige hatte sich auch selbst Verletzungen zugefügt. Er wurde in eine Freiburger Klinik eingeliefert und sitzt inzwischen in Untersuchungshaft.
Alleine seit Januar 2022 hat der SWR in Baden-Württemberg über 24 Tötungen von Frauen oder Mädchen berichtet. Auf Freiburg entfallen zwei Femizide.
Bundesweit haben im Jahr 2022 insgesamt 133 Frauen ihr Leben verloren, weil ihre Partner oder Ex-Partner sie getötet haben, so das BKA.
Instagram-Account macht auf Femizide aufmerksam
Die Instagram-Seite @femizide_stoppen veröffentlicht laufend aktuelle Fälle von Femiziden in Deutschland. In diesem Jahr gab es bereits 58 getötete Frauen (Stand 13. Juli 2023). Und das allein aus dem Grund, weil sie Frauen sind. Der 51. Fall ereignete sich in Südbaden.
Auf die 133 Frauen kommen 19 Männer, die im vergangenen Jahr durch ihre Partnerin oder Ex-Partnerin zu Tode gekommen sind.
Bundesweit deutlich mehr häusliche Gewalt
Das Lagebild des BKA für das Jahr 2022, das am 11. Juli veröffentlicht wurde, zeigt, dass die Anzahl der Opfer von häuslicher Gewalt in den letzten fünf Jahren deutlich angestiegen ist. 240.547 Fälle wurden im letzten Jahr zur Anzeige gebracht, das sind 13 Prozent mehr als noch im Jahr 2018 und fast neun Prozent mehr als 2021.
Seit 2015 erhebt das BKA Straftaten im Bereich der häuslichen Gewalt in einer gesonderten Statistik. Diese wurde für das Jahr 2022 noch einmal angepasst. "Neben der Partnerschaftsgewalt werden nun auch die Delikte der sogenannten innerfamiliären Gewalt von und gegen Eltern, Kinder, Geschwister und sonstige Angehörige mitbetrachtet, so dass es nun eine bundesweite Lageübersicht zur Häuslichen Gewalt insgesamt gibt", so das BKA in einer Pressemitteilung zum Lagebericht.
Über 25 Prozent aller in der Polizeilichen Kriminalstatistik berücksichtigten Opfer entfallen auf den Straftatbestand der häuslichen Gewalt. Darunter waren über 150.000 Menschen im vergangenen Jahr von Partnerschaftsgewalt betroffen. Neun Prozent mehr als im Jahr 2021. Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher sein.
Mandy Kaema war jahrelang von häuslicher Gewalt betroffen
Mandy Kaema wurde von ihrem Ex-Mann über Jahre missbraucht und bedroht. Sie kann sich schließlich aus der Beziehung befreien und findet Hilfe in einem Freiburger Frauenhaus. Im Gespräch mit dem SWR erzählt sie ihre Geschichte.
Eine Betroffene über häusliche Gewalt "Er hat mir mehrmals gedroht, mich umzubringen"
Mandy Kaema wurde von ihrem Ex-Mann über Jahre missbraucht und bedroht. Nach Jahren kann sie sich aus der Beziehung befreien und findet Hilfe in einem Freiburger Frauenhaus.
Den größten Anteil der Täterinnen und Täter machen mit 40 Prozent die ehemaligen Partnerinnen und Partner aus. In einigen der Fällen hatten die Betroffenen bereits ein gerichtliches Annäherungsverbot, so wie beispielsweise im Fall der getöteten 35-Jährigen aus Bonndorf.
Femizide trotz Annäherungsverbote
In Frankreich und Spanien werden potenzielle Täterinnen und Täter mit elektronischen Fußfesseln überwacht. Dabei wird die Polizei alarmiert, sobald die Fußfessel in dem verbotenen Radius der zu schützenden Person geortet wird. Bei einem Annäherungsverbot in Deutschland sieht das hingegen anders aus.
Gewalt gegen Frauen Mehr Femizide im Raum Freiburg: Wie lassen sich Frauen schützen?
In Freiburg sind im vergangenen Jahr vier Frauen von ihren Lebensgefährten oder Ex-Partnern getötet worden. Die Zahl der Femizide nimmt zu. Wie können Frauen besser geschützt werden?
Im Alltag und in der Medienberichterstattung wird nach Femiziden häufig von einer "Beziehungstat" oder auch einem "Familiendrama" gesprochen.
Femizid statt "Familiendrama"
Dadurch werde die Tat in einen privaten Rahmen gerückt - zu Unrecht, wie Juristinnen finden.
Durch die Unterscheidung zwischen einer überfallartigen Ermordung eines willkürlichen Opfers und einer durch den Partner oder Ex-Partner ermordeten Frau werde ein Stufensystem geschaffen, das dem Opfer gegenüber nicht gerecht sei, mahnt eine der Kritikerinnen, die Freiburger Rechtsanwältin Claudia Meng, an.
Neuer Straftatbestand nötig Meinung: Femizide - brauchen wir nur das richtige Wort?
Vier Frauen sind 2023 in Südbaden schon von Männern getötet worden. Eine erschreckende Zahl. Dennoch werden Femizide immer noch verharmlost, auch in der Justiz. Paula Zeiler kommentiert.
Prävention statt Opferhilfe
Es ist ein Thema, das bei Diskussionen um sexualisierte oder häusliche Gewalt immer wieder zur Sprache kommt.
Bis heute werden deutlich mehr Mittel und Aufwand in Angebote zur Betreuung von Betroffenen gesteckt, als in die Prävention entsprechender Taten. Doch wenn verhindert werden soll, dass Menschen Opfer von Gewalt werden, muss man verhindern, dass Menschen gewalttätig werden.
Freiburger Männer-Projekt "Gegen Gewalt tätig"
Dafür braucht es Angebote, in denen Menschen Gewalt verlernen. “Gegen Gewalt tätig” ist so ein Projekt, organisiert vom Bezirksverein für soziale Rechtspflege in Freiburg.
Jeden Montagabend kommen dort Männer zusammen, die sich mit Themen wie Gewalt, Opferperspektive oder Männlichkeit auseinandersetzen, aber vor allem: mit ihren eigenen Taten.
Anti-Gewalt-Training Freiburger Angebot: Raus aus der Gewaltspirale
Wer einmal Gewalt ausgeübt hat, muss es nicht wieder tun. Das Projekt “Gegen Gewalt tätig” bietet Anti-Gewalt-Trainings an.