Seit 15 Jahren steht der Eiermann-Campus leer. Der frühere Sitz von IBM wurde schon für mehrere Projekte gehandelt. Jetzt steht eine Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge zur Diskussion.
Für den Eiermann-Campus, dem früheren Deutschlandsitz von IBM, gab es schon viele Ideen: ein neues Wohnquartier für Studierende und Bürgerinnen und Bürger, eine vorübergehende Flüchtlingsunterkunft, ein Vorzeigeprojekt für die Internationale Bauausstellung 2027, eine Endstation für eine neue Seilbahn in die Stuttgarter Innenstadt. Sogar ein Wettbewerb für einen städtebaulichen Entwurf wurde ausgerufen und ein Sieger gekürt - nur passiert ist bisher nichts.
Das Areal soll seit Jahren verkauft werden. Die Landesregierung hat nun am Mittwoch eine Recherche des SWR bestätigt: Gegenwärtig wird geprüft, ob eine Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) für Geflüchtete hier entstehen könnte. Bei all den anderen Projekten und dem knappen Wohnraum in Stuttgart zeigen sich viele bei diesem Vorschlag irritiert.
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Eiermann-Areal: LEA oder Wohnprojekt?
Die Idee, eine Landeserstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge auf dem Areal zu errichten, sorgte in der Landes- und Stadtpolitik für Unverständnis. "Die Einrichtung einer LEA auf dem Eiermann-Campus in Stuttgart-Vaihingen lehne ich strikt ab", teilte der Stuttgarter FDP-Landtagsabgeordnete Friedrich Haag mit. "Die Infrastruktur in der Stadt ist bereits jetzt am Limit." Man bräuchte das Gelände dringend für Wohnraum, für Studierende sowie für die arbeitende Bevölkerung.
Zwar hatten die Grünen selbst im Herbst 2023 gefordert, Areale wie den Eiermann-Campus zu prüfen, ob kurzfristig Flüchtlinge auf dem Campus untergebracht werden können. Aber auch die Vorsitzenden der Grünenfraktion im Gemeinderat, Petra Rühle und Björn Peterhoff, sagen: "Die zeitnahe städtebauliche Entwicklung hat für uns weiterhin oberste Priorität." Eine LEA auf dem Eiermann-Areal könne man sich dennoch als Zwischenlösung vorstellen.
Der CDU-Vorsitzende im Stuttgarter Gemeinderat, Alexander Kotz, ist da zurückhaltender. "Das widerspricht komplett unseren städtebaulichen Zielen", sagt er dem SWR. Schließlich sei in den Jahren 2015 und 2016 schon einmal geprüft worden, ob sich das Areal für eine LEA eignet. "Das Ergebnis war eindeutig. Und ich sehe nicht, was sich daran geändert haben soll", so Kotz weiter. Außerdem mache die Stadt seit einem Jahr Druck auf den Besitzer, denn sie will das Areal selbst erwerben. "Darin sind sich auch alle Fraktionen einig."
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Bisheriger Besitzer Adler Group: Es gibt mehrere Interessenten
Noch gehört das Gelände der Adler Group, einem Immobilienunternehmen, das sich in finanzieller Schieflage befindet und daher viele Immobilienprojekte verkaufen möchte. Darunter der Schwabenlandtower in Fellbach (Rems-Murr-Kreis) und das Eiermann-Areal. Auf SWR-Anfrage bestätigt die Adler Group: "Wir befinden uns bereits in Gesprächen mit mehreren Interessenten. Es soll auch Gespräche mit der Stadt Stuttgart geben."
Ob es auch Gespräche mit dem Land gibt, will die Adler Group nicht beantworten. Die Stadt Stuttgart antwortet auf Anfrage: "Nach unserer Kenntnis befindet sich das Land in einer Vorprüfungsphase." Noch sei nichts Konkreteres bekannt. Sollte sich das ändern, wolle man als Stadt dazu auch Position beziehen.
Verschiedene Ideen zum Eiermann-Campus
Immer wieder gab es Ideen zum Eiermann-Campus. 2016 wurde ein städtebaulicher Wettbewerb durchgeführt, den ein Münchner Architekturbüro für sich entscheiden konnte, der im darauf folgenden Jahr nochmals angepasst wurde. Der Entwurf sieht eine Kombination von hohen Wohnanteilen mit Büro- und Gewerbeflächen vor.
Zwischenzeitlich gab es auch die Überlegung, den Campus als Endstation für eine innerstädtische Seilbahn zu nutzen, die Stuttgart-Vaihingen mit der Innenstadt verbinden soll. Diese Projekte wurden meist als mögliche Projekte der Internationalen Bauausstellung IBA '27 gehandelt. Auf SWR-Nachfrage heißt es aber, dass das Eiermann-Areal gegenwärtig kein Bestandteil der Bauausstellung im Jahr 2027 sein wird.
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Immer wieder Diskussion um Wohnprojekte
Immer wieder wird in Stuttgart über Immobilienprojekte gestritten und diskutiert. Denn in Stuttgart wird dringend Wohnraum benötigt. Gleichzeitig stehen aber große Areale ungenutzt leer. Neben dem Eiermann-Campus in Vaihingen ist auch das frühere EnBW-Gelände in der Stuttgarter Innenstadt am Stöckach seit Jahren ungenutzt. Nicht zuletzt Stuttgart 21 ist für die Stadt ein wichtiges Projekt, um nach dem Abbau des Kopfbahnhofs auf den frei werdenden Flächen einen neuen Stadtteil bauen zu können, das sogenannte Rosenstein-Quartier.