Wie stark werden die Parteien im neuen Gemeinderat? Punktet eine neue Wählerinitiative? Welche Themen sind entscheidend? Ab Sonntagabend wird es nach und nach für Stuttgart klar - auch in einer exklusiven Prognose.
Stuttgart wählt am kommenden Sonntag (9. Juni) einen neuen Gemeinderat und eine neue Regionalversammlung, das Parlament des Verbands Region Stuttgart. Für den Gemeinderat stehen 18 Listen mit insgesamt 866 Bewerberinnen und Bewerbern zur Wahl. Wie sah der Gemeinderat die vergangenen fünf Jahre aus - was könnte sich verändern? Und welche Themen sind wahlentscheidend?
Stuttgart: So sah der Gemeinderat die letzten fünf Jahre aus
In den vergangenen fünf Jahren hatten die Grünen am meisten Sitze im Gemeinderat, nämlich 14. Die CDU hatte zwölf Sitze und die SPD sieben. Die Linke, SÖS, Piraten und Tierschutzpartei gründeten eine Fraktionsgemeinschaft "Die FrAKTION" mit insgesamt sechs Sitzen. FDP, Freie Wähler und AfD hatten jeweils vier Sitze im Gemeinderat inne. Und noch eine Fraktionsgemeinschaft nahm fünf Sitze ein: PULS, zusammengesetzt aus den Stadtisten, der jungen Liste und der PARTEI. Hier wird die Zukunft spannend, denn die Junge Liste trat dieses Jahr nicht mehr an.
Entscheidende Themen bei der Gemeinderatswahl 2019 waren für die Stuttgarterinnen und Stuttgarter Wirtschaftspolitik, Wohnungsbau, Integrationspolitik - in dieser Reihenfolge. Auch Verkehr und öffentliche Sicherheit spielten eine relativ große Rolle. Die Wahlbeteiligung lag 2019 bei 57,5 Prozent.
Werden die Grünen abgestraft?
Die Gemeinderatswahl 2019 verlief für die Grünen gut. 2,3 Prozent konnten sie hinzugewinnen und kamen damit insgesamt auf 26,3 Prozent - stärkste Fraktion. Die CDU hingegen verlor neun Prozentpunkte und kam auf nur 19,4 Prozent. Bei der jetzigen Wahl könnte sich das Verhältnis umkehren. Spätestens seit den Bauernprotesten bieten die Grünen Angriffsfläche, viele sind zudem mit der Politik der Grünen in der Ampel im Bund alles andere als zufrieden. Das könnte sich auch enorm auf die kommunale Ebene durchschlagen.
Können neue Listen punkten? Wie stark wird die AfD?
Einen Paukenschlag verursachten wenige Monate vor dem Ende der Gemeinderatsperiode die Stadträte Andreas Winter und Marco Rastetter sowie Stadträtin Laura Halding-Hoppenheit. Winter und Rastetter verließen die Grünen-Fraktion, Halding-Hoppenheit das linke Bündnis, um mit einer eigenen Liste, der "Stuttgarter Liste", fortan ihre Sitze im Gemeinderat einzunehmen. Bei der jetzigen Gemeinderatswahl führt die "Stuttgarter Liste" viele prominente Kandidierende. Könnte also sein, dass sie noch besser punktet und mehr Sitze gewinnt. Rund ein Jahr zuvor hatte im März 2023 die ehemalige FDP-Fraktionschefin Sibel Yüksel den Liberalen den Rücken gekehrt und war fortan fraktionsloses Mitglied des Gemeinderates.
Ebenfalls neu gegründet hat sich eine Klimaliste - mit dem Noch-PULS-Stadtrat Christoph Ozasek an der Spitze, sowie eine migrantische Liste, das "Bündnis der Vielfalt". Auch sie haben Potenzial in der Gunst der Wählerinnen und Wähler. Spannend wird ebenfalls werden, wie stark die AfD wird oder ob ihr die "CORRECTIV"-Enthüllungen rund um ein Geheimtreffen von Rechten und Rechtsextremisten in Potsdam geschadet haben. Die Partei erlangte 2019 in Stuttgart 6,1 Prozent.
Welche Themen spielen eine Rolle?
Ob die großen Themen wirklich wahlentscheidend sind, lässt sich nicht genau sagen. Der letzte BW-Trend von SWR und "Stuttgarter Zeitung" ergab, dass den Wählerinnen und Wählern insgesamt in Baden-Württemberg Verkehr, Wohnraum und die Integration von Geflüchteten als kommunale Themen am wichtigsten sind. Vor allem die Wohnungsnot und die teuren Mieten treiben auch die Stuttgarterinnen und Stuttgarter um. Aber Stuttgart hat auch noch ein paar andere große Themen - und die sind fast alle schon Dauer-Baustelle: Verkehrsplanung, fehlende Digitalisierung/Behördenstau, Stadtentwicklung, Klimaschutz.
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Die Stuttgarter Ausländerbehörde muss jeden Monat 5.000 Anfragen beantworten. Betroffene, Arbeitgeber und ein Anwalt bemängeln, dass die Situation weiterhin nicht hinnehmbar sei.
Außerdem werden durch den Bürgerhaushalt immer noch Probleme deutlich, die die Kommunalpolitikerinnen und -politiker der Fraktionen selbst vielleicht nicht so auf dem Schirm haben. Beim letzten war ziemlich eindeutig, dass viele Bürgerinnen und Bürger sich mehr Radwege wünschen und Ideen und Konzepte, um die Stadt im Sommer herunterzukühlen und gleichzeitig den öffentlichen Raum grüner und attraktiver zu gestalten. Auch würde Stuttgart gerne "Stadt am Fluss" sein. Sanierungen stocken, es gibt zu viele Baustellen:
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Apropos Auto und Verkehr in der Innenstadt: Bei der vergangenen Gemeinderatswahl 2019 waren Feinstaub und die Diesel-Fahrverbote noch ein ganz großes Thema. Fahrverbots-Gegnerinnen und -Gegner traten sogar mit einer eigenen Liste an. Ihr Spitzen-Kandidat Ioannis Sakkaros, der zuvor die Demonstrationen in Stuttgart gegen die Fahrverbote initiiert hatte, schloss sich später der CDU-Fraktion im Gemeinderat an. Inzwischen sind die Diskussionen sehr viel leiser geworden verglichen mit der Debatte vor einigen Jahren. Aber die Umweltzone gilt in Stuttgart immer noch, ebenso in Ludwigsburg.
Exklusive SWR-Prognose für Stuttgart und mehr am Wahlabend und danach
Noch am Wahlabend - am Sonntagabend, 9. Juni, voraussichtlich ab 20:30 Uhr - wird es eine erste exklusive Prognose für die Kommunalwahl 2024 in Stuttgart geben. Dem SWR ist es zusammen mit dem Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap möglich, ein vorläufiges Stimmungsbild zu zeigen, wie die Kommunalwahl in Stuttgart, Mannheim und Karlsruhe in etwa ausgehen wird. Naturgemäß wird es zwischen der Prognose und dem späteren Endergebnis aber Abweichungen geben. Die Prognose wird natürlich auch online hier bei SWR Aktuell zu lesen sein.
Die vollständige Auszählung der Stimmzettel dauert voraussichtlich bis Dienstagnachmittag oder gar Mittwoch - erst dann liegt dann das endgültige Wahlergebnis der Kommunalwahl vor.
Briefwahl-Unterlagen nicht mehr in die Post geben
Wer Briefwahl beantragt hatte und die Unterlagen bisher nicht in die Post gegeben hat, sollte dies auch nicht mehr tun, sondern seinen Umschlag direkt im Rathaus abgeben, bittet die Stadt Stuttgart. Sonst kommen die Unterlagen nicht mehr rechzeitig bis Sonntag an. Rund 123.000 Briefwahl-Unterlagen wurden laut Stadt Stuttgart verschickt. Mit Stand Donnerstagnachmittag (6. Juni) kamen aber erst rund 75.000 zurück, antwortete die Stadt auf SWR-Nachfrage. Vermutlich sei dies auf die Pfingstferien zurückzuführen, vermutet man bei der Stadtverwaltung.
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