Stuttgart liegt am Neckar. Trotzdem spielt der Fluss im Stadtbild kaum eine Rolle. Die Stadtverwaltung will das seit Jahren ändern. Doch warum ist bislang davon wenig zu sehen?
Der Stuttgarter Baubürgermeister, Peter Pätzold (Grüne), zeigt sich optimistisch, dass der ursprüngliche Zeitplan zur Umgestaltung des Neckars bis 2035 eingehalten werden kann. Auch verwies er auf SWR-Anfrage am Donnerstag auf Fortschritte. Er räumte aber auch ein: "Es zieht sich hin und es ist zäh".
Masterplan von Alt-OB Fritz Kuhn für eine Stadt am Fluss
Im Sommer 2015 hatte der damalige Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) den Neckar zur Chefsache gemacht und seine Vision von Stuttgart als "Stadt am Fluss" vorgestellt. Ein Masterplan folgte, in dem es heißt, den Menschen solle der Fluss "zurückgegeben" werden. Wo heute noch Straßen, Schienen oder Industrieanlagen das Neckarufer verbauen, soll ein "Blaues Band" entstehen. Dafür sind im Masterplan etliche Projekte vorgesehen.
Doch die Umsetzung und zuvor die Planung dauern viel Zeit. Was das heißt, macht Baubürgermeister Pätzold am Beispiel Wasenufer deutlich: Dort müsse in den Damm eingegriffen und die Uferkante saniert werden. Außerdem gebe es eine Anlegestelle für Kreuzfahrtschiffe. Auch die Feuerwehr wünsche einen Zugang zum Neckar, der Radweg solle verbreitert werden und die Veranstaltungsgesellschaft "in.Stuttgart" komme auf die Idee ein neues Brandschutzkonzept zu machen. All das müsse koordiniert werden und mache die Umsetzung komplex.
Stadt Stuttgart: In Untertürkheim beginnen die Arbeiten noch dieses Jahr
Doch der Baubürgermeister verweist auch auf Erfolge. So habe die Stadt diese Woche den Baubeschluss für den ersten Bauabschnitt im Lindenschulviertel gefasst. Die Bauarbeiten sollen im Herbst losgehen. Eine Visualisierung auf den Seiten der Stadtverwaltung zeigen eine Uferpromenade mit einem vorgelagerten Steg im Wasser. Außerdem flanierende Menschen und eine breite Sitztreppe.
Weitere Baustellen sollen folgen. Bürgermeister Pätzold hofft, das im Jahr 2026 mit dem zwischen Bad Cannstatt und Hofen gelegenen Hechtkopf sowie auch mit dem Wasenufer angefangen werden könne. "Unser Ziel ist es, dass man noch vor 2030 etwas sieht - und wenn es nur die angefangenen Baustellen sind, so dass man erlebbar machen kann, hier tut sich was." Unterstützung bekommt der Baubürgermeister von der Grünen-Gemeinderatsfraktion. Diese beantragte am 1. August 2023, dass die Naherholungs- und Grünprojekte am Wasenufer "prioritär angegangen" werden sollten.
Verein "Neckarinsel" will "radikal-positive" Neugestaltung des Neckars
Auch die private Initiative "Neckarinsel" setzt sich dafür ein, dass der Stuttgarter Neckar umgestaltet wird. Das selbst erklärte Ziel ist eine "kooperative, nachhaltige und radikal-positive Neugestaltung". Eine Insel auf Höhe der Schleuse "Bad Cannstatt" dient als Ausgangs- und Veranstaltungsort. Neben Inselführungen, Workshops und dem Betreiben einer öffentlichen Messstation veranstaltet die Initiative regelmäßig ein gemeinsames Paddel-Event auf dem Neckar, die "Critical Nass".
Critical Nass Paddeln bei strahlendem Sonnenschein auf dem Neckar
Der Verein "Neckarinsel" will, dass der Neckar für jedermann zugänglich wird. Daher hat er am Sonntag die Aktion "Critical Nass" veranstaltet: Es ging im Kanu und auf dem SUP auf den Fluss.
"Wir brauchen öffentliche Räume am Fluss", sagt Yannik Plachtzik vom Verein "Neckarinsel". Das hätte die Pandemie gezeigt und das sei auch in der Klimakrise wichtig. Dass Orte wie die von Schifffahrtsschleuse, Bahn- und Straßenbrücken umgebene Neckarinsel niemals ein Naturidyll werden könnten, sei ihm bewusst. Ziel der Initiative sei es viel mehr, urbane Räume am Fluss zu schaffen, um ein neues Miteinander zu gestalten. In Richtung Max-Eyth-See sei der Neckar schon jetzt attraktiver, flußaufwärts in Richtung Untertürkheim dominierten aber nach wie vor die Bundesstraße 10, das Wasengelände sowie Industriegebäude.
Zugang zum Neckar: Remseck und Ludwigsburg machen es vor
Andere Städte sind bereits weiter bei der Umgestaltung des einst verbauten oder zumindest nicht zugänglichen Neckarufers. So hat beispielsweise das benachbarte Remseck (Kreis Ludwigsburg) einen "Neckarstrand" errichtet, indem auf Höhe der Remsmündung das rechte Neckarufer zu einem terrassenartig angelegten Strand umgestaltet wurde. Auch in Ludwigsburg wurde der Neckar umgestaltet. In den Zugwiesen ist ein beliebtes Naherholungsgebiet entstanden, das vor allem auch ein wichtiges Rückzugsgebiet für bedrohte Tier- und Pflanzenarten ist. Außerdem wurde in Höhe des Stadtteils Hoheneck ein direkter Zugang zum Neckar geschaffen.
Zurück nach Stuttgart, wo Baubürgermeister Pätzold sagt: "Wir planen nicht auf der grünen Wiese." Der Neckar sei vor vielen Jahrzehnten umgebaut worden, damit er eine Schwerlaststrecke für Schiffe werden konnte. Man habe zwar mittlerweile einen Stadtstrand, doch dieser Beach-Club in Bad Cannstatt habe nicht einmal einen Zugang zum Fluss. "Daran knabbern wir jetzt, um es besser zu machen", so der Baubürgermeister. Auch mit Blick auf die anderen Neckar-Projekte sagt er: "Ich hätte es auch gern schneller gehabt."