Wie kam es zu der zerstörerischen Flut im Rems-Murr-Kreis? Viele Geschäfte müssen komplett geräumt werden. Doch einige Betroffene bekämpfen das mit guter Stimmung.
Rudersberg (Rems-Murr-Kreis) hat es Sonntagnacht besonders stark mit Überschwemmungen getroffen. Der Starkregen verwandelte die Straßen in kürzester Zeit in reißende Flüsse. Über einen Meter hoch stieg das Wasser. Es lief in Keller, Wohnungen und Geschäfte. Jetzt wird aufgeräumt und geputzt, auf den Straßen türmen sich die Müllberge.
Rudersberg: Geschäfte mit Totalschaden
Vieles ist nicht mehr zu retten. An den Straßenecken stehen verschlammte Elektrogeräte und Möbel. Im Buch- und Schreibwarenladen muss Mitarbeiterin Monika Baumgarten alles rauswerfen, was nicht über 1,50 Meter hoch im Regal stand. Ihren Arbeitsplatz so zu sehen, sei "furchtbar, absolut furchtbar". Das tue einem bis ins Herz hinein weh, sagt Baumgarten.
Auch Podologin Romy Gerbet-Stiefel schiebt das Wasser aus ihrer Praxis. Die Fußpflegerin war am Wochenende noch nicht einmal da, als die Flutwelle durch Rudersberg rollte. Erst Montag kam sie zurück in den Ort. Die Tür der Praxis hätten sie danach gewaltsam aufstemmen müssen. "Drinnen war alles braun", erzählt sie betrübt. Erst seit vier Jahren habe sie die Praxis betrieben: "Jetzt habe ich erstmal gar keinen richtigen Plan."
Gute Stimmung durch die Hilfsbereitschaft
Bei der Metzgerei Hinderer stapelt sich schlammiges Gerät. "Wir hatten 1,80 Meter Wasser im Laden. Geräte kaputt, Ware kaputt - es ist wirklich ein Totalschaden", sagt Dorothe Hinderer über den Metzgereibetrieb, den es schon über 200 Jahre gibt. Trotzdem muss sie schmunzeln: Ein Kunde habe erzählt, er habe die Preisschilder der Metzgerei in mehreren Kilometern Entfernung gefunden. Zum Lachen ist Hinderer auch wegen der vielen Hilfsbereitschaft zumute, die die Metzgerei bekommt: "Freunde, Bekannte, Mitarbeiter und ihre Familien oder Fremde - wir mussten sogar schon Leute weiterschicken, weil bei uns zu viele helfen wollten."
"Alltagshelden": Nachbarschaft hilft beim Putzen
Der benachbarte Bäcker hat in Rudersberg seine mobile Spülmaschine aufgebaut. Nun wird zum Beispiel Geschirr aus den betroffenen Geschäften gemeinschaftlich gespült. Die Nachbarschaftshilfe sei grandios, schwärmt Martin Hinderer, der Bruder des Metzgers, der auch zum Helfen gekommen ist: "Einer bringt einen Wasserschlauch, jemand anderes ein Hochdruckgerät. Da ist dann auch eine ganz fröhliche Stimmung hier, wenn alle zusammenhelfen." So gehe es voran, damit hoffentlich keiner verzweifle. Die Ehrenamtlichen seien gerade für ihn echte Alltagshelden.
Die Nachbarinnen und Nachbarn, die es nicht getroffen hat, bringen auch Essen und Getränke. Nicht nur für die Helfenden, sondern auch die Betroffenen. Denn wer im Erdgeschoss wohnt, hat teilweise fast alles verloren und die überschwemmten Autos sind ebenfalls defekt.
Erste Spenden für ein Helferfest in Remseck
Noch während die ehrenamtlichen Einsatzkräfte weiter Schläuche, Pumpen und Bagger bewegen, wollen andere Menschen mit Geld helfen. Andreas Plank spendet zum Beispiel 1.000 Euro, damit ein Fest in Remseck für die Helferinnen und Helfer ausgerichtet werden kann. "Für die Feuerwehr, Technisches Hilfswerk und die Leute vom Roten Kreuz - im Prinzip alle, die mitgeholfen haben, das Hochwasser in den Griff zu bekommen", sagt Plank. All diese Ehrenämter könne man gar nicht hoch genug loben. Denn egal ob Stadtfeste oder solche stundenlangen Einsätze bei Katastrophenfällen: "Die opfern ihre Freizeit zum Wohle der Allgemeinheit. Das muss man schätzen. Da möchte ich was zurückgeben." Auch andere Unternehmer sowie Privatpersonen haben angekündigt, Geld für ein Helferfest zu spenden.
Und auch für die Betroffenen der Flut wird gesammelt. Am Donnerstag wurde bekannt, dass sich die Landkreise Ludwigsburg, Göppingen, Ostalb und Rems-Murr zusammengeschlossen und ein gemeinsames Spendenkonto eingerichtet haben. Dorthin kann Geld für ihre vom Hochwasser geschädigten Gemeinden gespendet werden.
Flut: Autos werden erst nach Gutachten abgeschleppt
Die hauptamtlichen Einsatzkräfte pumpen derweil weitere Keller aus, berichtete ein Sprecher der Feuerwehr in Rudersberg am Dienstag. Um die höher werdenden Müllberge kümmern sich die Gemeinde und die Müllabfuhr. Auch die Autos, die überall hingetrieben wurden und sich teilweise in den Straßen stapeln, müssen entfernt werden. Was direkt im Weg stand, wurde gleich abtransportiert , sagte der Feuerwehrmann. "Bei anderen Autos muss dann auch erst der Gutachter für die Versicherungen kommen und sich das anschauen und dann erst werden die abgeschleppt."
SWR-Reporter Maxim Flößer hat am Dienstag vor Ort in Rudersberg die Lage geschildert.
Trinkwasserversorgung und Strom in Rudersberg wieder sehr stabil
Mittlerweile ist auch die Trinkwasserversorgung in Rudersberg wieder stabil. Trotzdem sollte das Wasser in vielen Ortsteilen vorsichtshalber noch abgekocht werden, heißt es beim Landratsamt Rems-Murr. Seit Mittwochabend haben laut dem örtlichen Stromversorger auch die meisten Häuser wieder Strom. Nur vereinzelt hätten Haushalte noch keinen Strom, teilte der Energieanbieter Syna dem SWR am Donnerstag mit. In diesen Häusern müssten zuerst weitere Prüfungen und Reparaturen durchgeführt werden, wenn Stromkästen während der Flut etwa unter Wasser gestanden seien. Damit alles wieder trocken wird, unterstützt seit Mittwoch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) Sachsen in Rudersberg mit über 80 Bautrocknern für die Gebäude.
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Gerüchte: Wie kam es zu der Flut in der Rudersberg?
Während die Aufräumarbeiten laufen, kursieren offenbar Gerüchte, dass am nahegelegenen Ebnisee bei Kaisersbach (Rems-Murr-Kreis) am Wochenende Wasser abgelassen wurde und das zu den massiven Überschwemmungen geführt haben soll. Doch an den Gerüchten sei nichts dran, heißt es vom Rems-Murr-Kreis. Wichtig sei, dass ein Starkregen, also eine Gewitterzelle für die Überschwemmungen im Wieslauftal gesorgt habe - nicht das Hochwasser des Flüsschens Wieslauf selbst, betonte eine Sprecherin des Landratsamtes.
Das Wasser sei durch den Regen aus allen Richtungen gekommen. Daran habe der Ebnisee in seiner Funktion als Puffer für den Fluss und auch ein Hochwasser-Rückhaltebecken nichts ändern können.
Der Ebnisee selbst liegt auf der Gemarkung von Kaisersbach. Der dortige Bürgermeister Michael Clauss (parteilos) betonte auf SWR-Anfrage, dass der Ebnisee nicht entleert worden sei. Er habe im Gegenteil Wieslaufwasser abgefangen und so wohl noch Schlimmeres im Tal verhindert. Ein Sprecher der Stadt Rudersberg erklärte, aktuell liege der Fokus voll auf den Aufräumarbeiten. Über die Ursachen für die massiven Überschwemmungen werde man sich erst später kümmern.
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Hochwasser-Folgen für die Europa- und Kommunalwahl
Durch die Überschwemmungen durch Hochwasser und Starkregen ist auch die Kommunal- und Europawahl am Wochenende betroffen. In Winnenden (Rems-Murr-Kreis) wurden zwei geplante Wahllokale überflutet. Das Wahllokal im ehemaligen Notariat in der Wiesenstraße sowie das Wahllokal in der Birkmannsweiler Halle sind mit Schlamm verwüstet und können am Sonntag laut der Stadtverwaltung nicht benutzt werden. Die Ausweichwahllokale sind im Haus der Jugend und im evangelischen Gemeindehaus Birkmannsweiler.
Wer in Flut-betroffenen Gebieten seine Wahlunterlagen verloren hat, kann nach Angaben der Verwaltung in Schorndorf (Rems-Murr-Kreis) und Remseck (Kreis Ludwigsburg) am Sonntag mit seinem Personalausweis ins Wahllokal kommen und bekommt neue Unterlagen. In Briefkästen eingeworfene Briefwahlunterlagen seien dort nirgends betroffen gewesen. In Rudersberg sollen sich Bürgerinnen und Bürger, deren Wahlunterlagen unbrauchbar geworden sind, direkt beim Rathaus melden. Dort bekommen sie neue.
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