Am Samstag tritt Thomas Strobl als CDU-Landeschef ab. Dann schlägt die Stunde von Manuel Hagel. Beim CDU-Landesparteitag will er zum neuen Vorsitzenden gewählt werden - und die Partei in BW wieder zu alter Größe führen.
Er hat mit 17 Jahren angeblich mal gekifft und ein Ohrloch hat er sich als kleiner Bub stechen lassen, weil das damals in der Fußballjugend gerade "in" gewesen sei. Aber heutzutage kann man sich Manuel Hagel nur schlecht mit einem Joint in der Hand und einem Ring im Ohr vorstellen. Der junge CDU-Fraktionschef gibt gern auch mal den stramm Konservativen und gilt - vielleicht gerade deswegen - vielen in seiner Partei als Hoffnungsträger.
Rein historisch gesehen sind seine Chancen auf einen Aufstieg nach ganz oben nicht schlecht: CDU-Fraktionschefs sind in der Geschichte Baden-Württembergs schon oft Ministerpräsident geworden. Das war bei Lothar Späth so, bei Erwin Teufel, bei Günther Oettinger und Stefan Mappus. Doch nach Mappus war die 58 Jahre währende CDU-Dominanz vorbei. Ein Grüner namens Winfried Kretschmann wurde 2011 Regierungschef und blieb es bis heute. Doch der will 2026 nicht mehr antreten. Und so bietet sich der CDU womöglich die große Chance zur Rückeroberung der Regierungszentrale.
Spitze der BW-CDU: Hagel einziger Kandidat auf Strobl-Nachfolge
Und Manuel Hagel steht sozusagen in der Pole Position: Der bisherige CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl tritt beim Parteitag am Samstag in Reutlingen nicht mehr an. Einziger Kandidat für seine Nachfolge ist - Manuel Hagel. Damit wird der 35-jährige zum neuen starken Mann in der CDU, ist dann in Personalunion Landes- und Fraktionsvorsitzender. Fast logischerweise hat er damit ersten Zugriff auf die Spitzenkandidatur bei der nächsten Landtagswahl 2026. Wie tickt der Mann, der den grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann vielleicht einmal beerben kann?
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Hagel startete Karriere als CDU-Generalsekretär
Seit 2016 mischt der junge Konservative aus Ehingen im Alb-Donau-Kreis ganz vorne mit. Nach der verlorenen Landtagswahl holt CDU-Landeschef Thomas Strobl den neuen Abgeordneten als Generalsekretär in die Parteizentrale. Der gelernte Bankkaufmann und Betriebswirt nutzt die Zeit, um die Partei zu modernisieren und sich zu vernetzen. Berührungsängste kennt er keine: Er spricht bei der WerteUnion und outet sich als Fan des damaligen österreichischen Regierungschefs Sebastian Kurz, der in der Flüchtlingsfrage als Gegenspieler der ehemaligen CDU-Kanzlerin Angela Merkel galt.
Die nächste Landtagswahl 2021 endet für die CDU mit Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann in einer Pleite. Dem jungen Parteimanager kann das nichts anhaben: Er steigt zum Fraktionsvorsitzenden auf.
Abnabelung vom Ziehvater Strobl
Sein Stern steigt umso mehr, als der seines politischen Ziehvaters Strobl sinkt. Schon vor zwei Jahren - kurz nachdem sich die CDU nach ihrer Wahlschlappe nochmal in eine Koalition mit den Grünen gerettet hat - erhält Strobl bei seiner Wiederwahl als Parteichef nur 66,5 Prozent. Nun kratzt die Affäre um sexuelle Nötigung durch den Inspekteur der Polizei an seinem Ruf als Innenminister und am Image der CDU als Partei für Recht und Ordnung.
Seit Beginn der Affäre hat sich das Machtzentrum innerhalb der CDU verschoben: weg von Strobl, hin zu Hagel. Das sehen auch die Grünen so - und bekommen es zu spüren. Denn der Fraktionschef ist machtbewusst und scheut immer weniger den Konflikt mit dem Koalitionspartner. Dann erklärt Hagel, dass die CDU keinen anderen Grünen-Politiker zum Ministerpräsidenten wählen wolle. Ein Affront, der den Koalitionspartner verärgert. Mit einem Papier zur Migrationspolitik setzt der Fraktionschef die Grünen auch inhaltlich unter Druck.
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Hagel gibt sich in der CDU als Brückenbauer
Nach innen lässt Hagel keine Gelegenheit aus, seiner lange zerstrittenen CDU einzuimpfen: Nur wenn sich die Partei einig zeige, habe sie die Chance, die Grünen bei der nächsten Landtagswahl als stärkste Kraft abzulösen. Schon im vergangenen Jahr hat der Fraktionschef deutlich gemacht, dass er es ernst meint: Anlässlich des 70. Geburtstags des Landes Baden-Württemberg lädt er die aktuellen und früheren Landtagsabgeordneten zu einem Empfang ein. Es wird eine illustre Runde in einem Café im Stuttgarter Schlossgarten: Teufel, Oettinger, Strobl, Mappus und Annette Schavan folgen seiner Einladung.
Damit gelingt Hagel ein kleines Kunststück, denn die ehemaligen Spitzenpolitikerinnen und -politiker sprechen in dieser Konstellation kaum miteinander, geschweige denn treffen sie sich. Seit Oettinger 2005 im Unfrieden die Nachfolge des damaligen Ministerpräsidenten Teufel angetreten hat, geht ein Riss durch die baden-württembergische CDU. Nach dem Verlust der Macht im Jahr 2011 ist die Landespartei bei Wahlen im Sinkflug.
Das Ende der Ära Kretschmann ist absehbar
Doch inzwischen ist die Hälfte der Legislaturperiode vorbei und das Ende der Ära Kretschmann absehbar. Der 75-Jährige hat eine vierte Amtszeit ausgeschlossen. Viel wurde zuletzt darüber spekuliert, wer bei den Grünen dessen Erbe antreten könnte. Im Zentrum der Gerüchte: Cem Özdemir, 57, noch Bundeslandwirtschaftsminister.
Doch wer sich das Patt zwischen Grünen und CDU im Land bei den Umfragewerten anschaut und dabei einberechnet, dass beim nächsten Mal der Kretschmann-Bonus fehlen wird, der sollte die CDU nicht unterschätzen. Klar ist: Die CDU will ihr früheres Stammland wiedererobern und bürgerliche Wählerinnen und Wähler von den Grünen zurückholen.
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Hagel gibt sich auch als Anti-Grüner
Hagel und Kretschmann verstehen sich dem Vernehmen nach bisher gut, der Regierungschef schätzt den CDU-Mann als verlässlich. Wenn es darauf ankommt, haken sich Grüne und CDU im Landtag bisher unter. Bei der CDU-Fraktion kommt das teilweise nicht immer gut an, sie will lieber öfter Kante zeigen. Bei seiner Wiederwahl zum Fraktionschef vor wenigen Wochen bekam Hagel nur 31 von 41 Stimmen - ein Dämpfer. Dass der Fraktionschef eigentlich viel lieber auf Angriffsmodus schalten würde, bekommt man zuweilen zu hören, wenn er im Land unterwegs ist.
Eine Kostprobe, als Hagel Mitte Mai bei der CDU-Basis in Remchingen (Enzkreis) war - die "Pforzheimer Zeitung" war dabei: "Man kann frei darüber entscheiden, welches Geschlecht man haben möchte, aber nicht mehr, wie man das eigene Haus heizt." Oder auch: "Gehen Sie eine rote Wurst essen, verkleiden Sie sich als Winnetou! Tun Sie es mit gutem Gewissen. Sie sind deswegen kein schlechter Mensch. Lassen Sie sich das nicht einreden!" Da hört man den CDU-Generalsekretär wieder heraus - oder den wohl baldigen CDU-Landeschef und Spitzenkandidaten.
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