Bundeskanzler Scholz besucht Mercedes-Benz

Kriselnde Autoindustrie in BW: Wie geht es weiter?

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Marcel Fehr
Marcel Fehr auf der CMT
Petra Thiele
SWR-Wirtschaftsredakteurin Petra Thiele

Bundeskanzler Olaf Scholz besucht Mercedes-Benz und trifft auf eine Branche in der Krise. Nach einer Studie werden in BW bis 2030 rund 70.000 Jobs in der Autoindustrie wegfallen.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) rechnet 2024 für den deutschen Automarkt mit einem Minus beim Absatz von einem Prozent auf 2,8 Millionen Fahrzeuge - das ist ungefähr ein Viertel weniger als im Vorkrisenjahr 2019. Der Absatz von Elektroautos dürfte dabei deutlicher schrumpfen - bei den rein batterieelektrischen Fahrzeugen sagt der Verband ein Minus von 14 Prozent voraus.

Bundeskanzler Scholz: Wirtschaft hängt von Autoindustrie ab

Bei seinem Besuch im Mercedes-Werk Sindelfingen hob Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Montag die Bedeutung der Automobilindustrie für Deutschlands Wirtschaft hervor. "Deutschland ist ein Land, in dem die Wirtschaft sehr daran hängt, dass wir erfolgreich sind beim Bauen von Automobilen", sagte Scholz. Mercedes-Benz sei mit der Geschichte des Landes und seiner Fähigkeit, Fahrzeuge zu produzieren und weltweit zu exportieren, unmittelbar verbunden.

Mercedes plant im Management Jobabbau um ein Zehntel

Und dennoch: Mercedes-Benz muss Kosten einsparen. Dies soll vor allem das Management betreffen, berichtete das "Manager Magazin" Ende 2023. Das Magazin beruft sich dabei auf interne Quellen. Die Sparziele seien mündlich mitgeteilt worden.

Führungskräfte sollen ihre Abteilungen um gut zehn Prozent ausdünnen. Seit einigen Jahren läuft im Stuttgarter Automobilkonzern ein Programm zum sozialverträglichen Stellenabbau - verbunden mit großzügigen Abfindungen. 10.000 bis 15.000 Stellen sollen wegfallen. Nach Beispielrechnungen des "Manager Magazins" erhielt eine Führungskraft nach neun Jahren bei einem Bruttogehalt von rund 7.000 Euro eine Abfindung von maximal 160.000 Euro.

Mercedes-Betriebsrat kritisiert geplanten Verkauf von Autohäusern

Außerdem prüft Mercedes-Benz den Verkauf seiner konzerneigenen Autohäuser. Betroffen davon sind bundesweit rund 8.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Jede Niederlassung an den bundesweit 80 Standorten soll laut dem Autobauer einzeln und ergebnisoffen geprüft werden.

Bei einer möglichen Neuaufstellung werde es keine Kündigungen geben. Man stehe zu der zugesagten Beschäftigungssicherung für alle Tarifmitarbeitenden bis Ende 2029. Der Gesamtbetriebsrat kritisiert die Pläne des Unternehmens

Nach Jahren des Verzichts und damit einhergehend zahlreicher Zugeständnisse seitens der Beschäftigten sind die Niederlassungen profitabel und leisten ihren Beitrag zum Konzernergebnis.

Weniger Gewinn - trotzdem Prämie für Mercedes-Beschäftigte

Insgesamt erwirtschaftete Mercedes-Benz 2023 knapp 20 Milliarden Euro. Damit lag das Betriebsergebnis vier Prozentpunkte unter dem Ergebnis von 2022. Insgesamt stieg der Konzernumsatz auf rund 153 Milliarden Euro.

Weil der Automobilmarkt aktuell außergewöhnlich unsicher sei, rechnet Mercedes-Chef Ola Källenius für 2024 mit einem Betriebsergebnis leicht unter dem von 2023.

Obwohl der Gewinn gesunken ist, plant Mercedes-Benz, den etwa 91.000 Beschäftigten in Deutschland eine Prämie von bis zu 7.300 Euro zu zahlen. Die Prämie werde unabhängig von der Entgeltstufe ausgezahlt, teilte der Konzern mit.

Autoindustrie im Wandel - eine halbe Million Beschäftigte betroffen

Knapp 136 Milliarden Euro Jahresumsatz hat Baden-Württemberg mit der Fahrzeug- und Fahrzeugteileherstellung 2022 erwirtschaftet. Doch die traditionsreiche Automobilindustrie ist im Wandel. Globale Entwicklungen, wie die Transformation zur Elektromobilität, politische Unruhen und die schwache Weltwirtschaft werden mit wachsender Sorge beobachtet.

Insgesamt sind im Automobilbereich in Baden-Württemberg mit Herstellern, Zulieferern und verwandten Branchen knapp eine halbe Million Menschen beschäftigt.

IG Metall-Bezirkschefin Barbara Resch äußerte sich im SWR-Interview zur schwierigen Lage bei den Autozulieferern:

Schwache Weltwirtschaft hinterlässt Spuren in BW

Wegen der schwachen Nachfrage und dem Wandel zur Elektromobilität will der Automobilzulieferer Bosch 2024 mindestens 1.500 Stellen abbauen. Laut Unternehmen haben die anhaltende Inflation und negative Wechselkurseffekte die Situation weiter verschärft. Am Hauptsitz seiner Werkzeugsparte Power Tools in Leinfelden-Echterdingen (Kreis Esslingen) will Bosch Hunderte Stellen abbauen. Bundesweit arbeiten rund 3.100 Menschen bei Power Tools.

Auch der Autozulieferer ZF aus Friedrichshafen zückt den Rotstift. Bis zum Jahresende 2024 wolle man die verlustreiche Produktion in Gelsenkirchen schließen. In der Hoffnung auf Aufträge für Elektrolenkungen für Lkw habe die Firma jahrelang Millionenverluste in Kauf genommen. Nun wolle man die Reißleine ziehen und circa 200 Stellen abbauen.

Friedrichshafen

Produktion von Elektroantrieben ZF investiert 460 Millionen Euro in Werk in den USA

ZF Friedrichshafen will in den USA Elektroantriebe bauen. Neue Arbeitsplätze sollen dort entstehen, während Beschäftige in Deutschland zuletzt aus Angst um ihre Jobs auf die Straße gingen.

Auto-Experte: Deutschland hinkt hinterher

Laut Stefan Reindl vom Institut für Automobilwirtschaft (IfA) hinkt Deutschland der weltweiten Entwicklung hinterher. Man habe sich zu langsam bewegt und zu lange auf den Verbrennungsmotor gesetzt. Das betreffe die gesamte Lieferkette von Hersteller, Zulieferer und mittelständischen sowie kleinen Unternehmen.

Reindl rechnet damit, dass in ganz Baden-Württemberg auch weiterhin viele Stellen abgebaut werden. Das sei eine logische Konsequenz aus dem geringeren Personalbedarf bei der Produktion von Elektroautos und der sinkenden Nachfrage: "Zu viele Menschen produzieren zu wenig Fahrzeuge."

E-Mobilität sorgt für massiven Stellenabbau in BW

In einer aktuellen Studie der Landesagentur e-mobil BW werden die Auswirkungen der Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung auf die Wertschöpfung und Beschäftigung in der Automobilbranche in Baden-Württemberg untersucht.

Laut der Untersuchungen führt die Umstellung auf E-Autos langfristig dazu, dass weniger Stellen benötigt werden. Bis 2030 errechnet die Studie einen Beschäftigungsrückgang von bis zu 66.000 Arbeitsplätzen im gesamten Automobilcluster in Baden-Württemberg.

Der vollständige Wegfall von Verbrennungsmotoren bis 2040 würde den Stellenabbau sogar verdoppeln. Und das auch nur, wenn der bisherige Marktanteil der Unternehmen auf die Elektrofahrzeuge übertragen werden kann. Das bewertet die Studie jedoch kritisch.

Chinesische Konzerne erschließen europäischen Markt

Auf dem chinesischen Markt haben deutsche Autobauer bei Elektroautos kaum Marktanteile. Gleichzeitig wollen die chinesischen Konzerne den europäischen Automarkt erschließen und eröffnen dafür bereits erste Filialen, wie zuletzt das Unternehmen BYD in Stuttgart.

Laut Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) hat die chinesische Regierung in ihrem Fünfjahresplan festgeschrieben, den internationalen Automarkt zu erschließen. Dafür wollen die Konzerne stärker vor Ort sein. Die Autobauer aus Baden-Württemberg geraten somit zunehmend unter Konkurrenzdruck.

Schlechte Rahmenbedingungen für Standort BW

Automobilexperte Reindl sieht außerdem die schlechten Rahmenbedingungen am Automobilstandort Baden-Württemberg als Hürde: "Wir haben hohe Energiekosten, ein hohes Lohnniveau und große bürokratische Hürden. Es wird schwierig die Beschäftigungszahlen hier aufrecht zu erhalten."

Die Unternehmen müssten dringend nachrüsten, um den Anschluss an die Konkurrenz nicht zu verlieren, erklärt Reindl. Dazu gehöre das autonome Fahren, die Autos zu digitalsieren und sie zu elektrifizieren. Dafür bleibe nicht viel Zeit, warnt der Automobilforscher, denn die Konkurrenz aus China sei deutschen Firmen bereits weit voraus.

Standort BW hat Chancen beim autonomen Fahren

Franz Loogen, Geschäftsführer von e-mobil BW, sieht dennoch Grund für Optimismus. Denn einzelne Segmente seien stärker betroffen als andere.

Der Standort Baden-Württemberg hat mit seinen hochqualifizierten Arbeitskräften, seinen fortschrittlichen Forschungseinrichtungen und seiner starken industriellen Basis hohes Potenzial, um weiterhin eine führende Rolle in der globalen Mobilitätslandschaft zu spielen.

Im Bereich des automatisierten Fahrens sei laut Studie sogar ein Beschäftigungsaufbau von 7.300 Stellen bis zum Jahr 2040 möglich.

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